"Erasmus hat die erste Generation junger Europäer geschaffen", sagte der italienische Schriftsteller Umberto Eco 2012 der Zeitung La Stampa. Damit meint er: "Ein junger katalanischer Mann trifft eine flämische Frau. Sie verlieben sich, heiraten und werden Europäer – so wie ihre Kinder."

In diesem Jahr feiert das Förderprogramm der EU für Studierende 30-jähriges Bestehen. Gelegenheit, einmal aufzuschlüsseln, worum es dabei geht und was es über europäische Babys hinaus gebracht hat.

Wer ist eigentlich dieser Erasmus?

Der Name ist Programm: Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536) war ein niederländischer Humanist und Theologe der Renaissance. Weil er schon früh an ein friedliches Zusammenleben zwischen den europäischen Staaten appellierte, viel reiste und sich gegen jegliche Form von Krieg stellte, gilt Erasmus als einer der ersten "Europäer". Es ist also durchaus sinnvoll, dass das Förderprogramm, dass europäischen Studierenden den Einblick in andere Kulturen bieten soll, seinen Namen trägt. Gleichzeitig ist "ERASMUS" die Abkürzung für "European Region Action Scheme for the Mobility of University Students".

Eine Million ERASMUS-Babys

Logisch: Wer sich im Ausland aufhält, lernt mehr Menschen aus anderen Ländern kennen. Dass sich aber viele der ERASMUS-Teilnehmer*innen so sehr verlieben, dass sie ihr Leben zusammen verbringen, hat viele erstaunt, als die EU 2014 eine Studie zur Wirkung vom ERASMUS veröffentlichte. Fast ein Drittel der befragten ehemaligen ERASMUS-Studierenden gab an, ihr*e Lebenspartner*in komme aus einem anderen Land und sie hätten sich während des Erasmusaufenthalts kennengelernt. Auf Grundlage dieser Zahlen schätzte die europäische Kommission die Anzahl der in ERASMUS-Partnerschaften geborenen Kinder seit Programmstart 1987 – und kam auf eine Million.

So fing alles an

Im Jahr 1987, vor genau 30 Jahren, starteten zum allerersten Mal europäische Studierende ins ERASMUS-Abenteuer. 3.244 Personen waren es damals, darunter 657 aus der BRD, die sich auf elf Länder verteilten. Heute wagen es jährlich knapp 40.000 Studierende allein aus Deutschland. Auch wenn sich das Programm stets weiterentwickelt hat, blieb die Kernidee gleich: finanzielle Unterstützung bei Auslandsaufenthalten und die internationale Anerkennung von Studienleistungen.

Mit den EU-Erweiterungen nahm die Zahl der ERASMUS-Länder zu. Heute beteiligen sich neben den EU-Mitgliedstaaten auch Island, Norwegen, Liechtenstein, die Türkei und teilweise die Schweiz – aus zwölf wurden schnell 33 Länder, die kooperieren, um Wege ins Ausland zu ebnen.

ERASMUS-Land Spanien

Der Statistik nach ist der*die durchschnittliche ERASMUS-Teilnehmer*in 24 Jahre alt, weiblich und studiert sechs Monate lang Sozialwissenschaften, Wirtschaft oder Jura in Spanien.

Im akademischen Jahr 2013/14 gingen fast 272.000 Studierende über ERASMUS ins Ausland, 78 Prozent davon zum Studieren, 22 Prozent für ein Praktikum. 60,5 Prozent waren weiblich, die meisten – rund 37.000 – aus Spanien, gefolgt von Frankreich und Deutschland – das sind übrigens auch die beliebtesten Ziele: Ganze 39.000 Studierende nahmen spanische Universitäten 2013/14 auf. Ein Aufenthalt dauerte durchschnittlich sechs Monate.

Mehr als Studieren und Feiern

Am bekanntesten ist wohl das Semester an einer Universität im Ausland. Dabei gibt es, spätestens seit der Einführung von ERASMUS+, noch viele andere Möglichkeiten und das nicht nur für Studierende. Gefördert werden nämlich auch Praktika, Lehrtätigkeiten, Fortbildungen, Freiwilligendienste, Sprachkurse, Jugendaustausche und Ausbildungen – immer im Ausland, versteht sich.

Teilnehmen können nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Organisationen. Einziger Nachteil der großen Auswahl: Es ist ziemlich unübersichtlich. Wer nicht im Vorhinein genau weiß, was er*sie will, wird auf den Webseiten des ERASMUS-Programms und der europäischen Institutionen nur schwer fündig. Deswegen hat mittlerweile jede Hochschule ein eigenes ERASMUS-Büro.

ESN – Ein Netzwerk

Mit über 500 Teilorganisationen in 40 Ländern vielleicht die größte Studierendenorganisation der Welt: Das Erasmus Student Network (ESN). Die Idee dazu entstand zwei Jahre nach Start des Programms. Für eine Feedbackrunde lud die EU damals 32 ehemalige Teilnehmer*innen nach Gent ein. Auf der ESN-Webseite erinnert man sich zurück: "Unter diesen 32 gab es eine kleine Gruppe, die glaubten, mehr direkter Kontakt sei nötig, um die Mobilität zu fördern. Der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte." Heute organisieren die lokalen ESN-Gruppen Partys, Musikabende und Ausflüge, um Neuankömmlingen im Ausland den Einstieg zu erleichtern.

Karrierepusher ERASMUS

Laut einer Studie der EU sind Schlüsselkompetenzen wie Aufgeschlossenheit, Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Problemlösungsfähigkeit bei ERASMUS-Teilnehmer*innen nach Rückkehr um 42 Prozent höher als bei anderen Studierenden – alles Eigenschaften, die bei Arbeitgeber*innen gut ankommen. Immerhin ist Auslandserfahrung für 64 Prozent von ihnen ein wichtiges Einstellungskriterium. Fünf Jahre nach dem Abschluss ist außerdem die Arbeitslosenquote bei ERASMUS-Studierenden laut Studie um 23 Prozent niedriger als bei Kommiliton*innen.

Währenddessen bieten Unternehmen, die ERASMUS-Praktikant*innen beschäftigen, über einem Drittel von ihnen nach dem Aufenthalt eine feste Stelle an, so die Studie. Generell wird der Unternehmergeist gefördert: Jede*r zehnte ehemalige ERASMUS-Praktikant*in hat sich bereits selbstständig gemacht, 75 Prozent haben die Absicht oder könnten sich vorstellen, ein Unternehmen zu gründen.

Wohin geht die Reise?

Das neue Programm ERASMUS+ ist 2014 angelaufen und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 bis zu vier Millionen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ins Ausland zu gehen. Mindestens 20 Prozent der europäischen Studierenden soll dann das Programm nutzen. Bisher sind es zehn Prozent, fünf Prozent erhalten aktuell ein ERASMUS-Stipendium. Für dieses Vorhaben steht ein Gesamtbudget von 14,8 Milliarden Euro zur Verfügung – 40 Prozent mehr als bisher. Neu ist unter anderem, dass auch Austauschprojekte mit nichteuropäischen Partnerländern unterstützt werden.