Der Verdacht auf die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Terrororganisation von Martin Sellner kam durch Zufall auf. In einem Onlineshop verkaufte der Obmann der sogenannten Identitären Bewegung unter anderem T-Shirts mit dem Aufdruck Build that wall, Festung Europa oder Celebrate Diversity – und dazu Gesichter mit Gasmasken. Die Staatsanwaltschaft Graz vermutete, dass Sellner und seine Kolleg*innen die Einnahmen im Onlineshop nicht ausreichend versteuerten und schaute sich die Geldflüsse im Detail an. Dabei stach ihnen eine Spende im Januar 2018 von 1.500 Euro ins Auge. Dazu gab es E-Mails, gesendet von einer Adresse namens btarrant333@hotmail.com, in denen sich ein Australier bei Martin Sellner für seine Arbeit bedankt.

Über ein Jahr später erschießt derselbe Australier 50 Menschen im neuseeländischen Christchurch – Erwachsene und Kinder, die sich zum muslimischen Freitagsgebet in zwei Moscheen zusammengefunden hatten.

Wie gefährlich ist Martin Sellner?

Am 25. März wird Martin Sellners Wohnung durchsucht und der Obmann der Identitären Bewegung steht nun unter Verdacht, Teil einer Terrororganisation zu sein. Seither stellen sich viele in Österreich die Frage: Wie gefährlich sind die Identitären wirklich? Wie gefährlich ist Martin Sellner?

In den Medien wurden seither die zahlreichen Verflechtungen zwischen den Identitären und der FPÖ aufgezeigt. "Wer sich distanziert, verliert", schreibt das rechtsextreme Magazin Info-Direkt in seiner aktuellen Ausgabe. Dazu eine Collage, die ein Boot zeigt, in dem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der stellvertretende oberösterreichische Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (FPÖ) und Martin Sellner sitzen. "Wir Patrioten sitzen in einem Boot mit Martin Sellner", heißt es weiter. Ebenfalls im Heft zu finden ist ein halbseitiges FPÖ-Inserat. Zudem gehört das Heft zu 30 Prozent Ulrich Püschel, der als Büroleiter des Linzer Verkehrsstadtrats Markus Hein (FPÖ) tätig ist, wie der Standard berichtet. Im oberösterreichischen Linz teilen sich die Identitären und eine FPÖ-Burschenschaft ein Haus und die Zentralen, wie die Wiener Zeitung berichtet.

Kurz fordert Distanzierung

Die Überschneidungen sind mittlerweile so groß geworden, dass der österreichische Kanzler Sebastian Kurz eine klare Distanzierung der FPÖ von der rechtsextremen Bewegung fordert. Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagt, er könne den Bundeskanzler "nur beruhigen: Wir haben eine klare Distanz zu jedwedem Extremismus, da kann er sich auf die FPÖ verlassen." Identitäre dürfen nun nicht mehr Parteimitglieder werden. Doch diese Distanzierung kann die FPÖ wenn überhaupt nur halbherzig meinen, denn Regierungs- und Parteimitglieder der FPÖ sind selbst mit den Identitären vernetzt. So war der erste österreichische Identitären-Obmann, Alexander Markovics, vor der Gründung für die FPÖ tätig und kandidierte noch 2017 für den Ring Freiheitlicher Studenten bei den ÖH-Wahlen, wie die Stadtzeitung Falter berichtet. Der aktuelle Vizekanzler Heinz-Christian Strache verharmloste die Identitären auf Facebook einst als "junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft". Innenminister Herbert Kickl sprach vor drei Jahren auf einem Rechtsextremen-Kongress selbst vor vielen Identitären.

Die FPÖ schiebt die sogenannte Identitäre Bewegung nun von sich weg, während es in der Vergangenheit hingegen keine Berührungsängste gab. Auch wenn die Identitären kein offizieller Teil der FPÖ sind, waren sie politische Gesinnungsgenoss*innen, wie man das gerne nannte. Des Öfteren wurden auch Inhalte übernommen, wie der Slogan: "Tradition schlägt jeden Trend". Die FPÖ stellte sich gut mit den selbsternannten Neuen Rechten, wohl weil deren Sympathisant*innen der Partei als junge Wähler*innengruppen wichtig erschienen. Sie verkauften sich geschickt als große Bewegung, obwohl ihr Kern in Österreich auf gerade mal 20 Menschen geschätzt wird. Mit ihren Frisuren, Hipster-Attitüde statt Springerstiefel und pseudo-patriotischen Aktionen wirbelten sie regelmäßig Staub auf. Inwiefern Martin Sellner mit dem Terroristen von Christchurch zu tun hatte, muss die Justiz klären. Aber sie kämpften beide für ähnliche Ideologien, mit ähnlicher Rhetorik.

Nicht mal eine Woche nach dem Terroranschlag störten Identitäre die wöchentliche Donnerstags-Demonstration in Wien mit einem Plakat, auf dem stand: "Stoppt den Großen Austausch". Das Manifest des Attentäters von Christchurch trug den Titel "Der große Austausch".

"Was geht mit Österreich?" Mit dieser Frage beschäftigt sich unsere Korrespondentin und Exil-Österreicherin Eva Reisinger in ihrer Serie. Sie lebt halb in Berlin und halb in Wien und erzählt euch, was ihr jeden Monat über Österreich mitbekommen müsst, worüber das Land streitet oder was typisch österreichisch ist. Wenn du unseren Österreich-Newsletter abonnierst, bekommst du ihn alle zwei Wochen in dein Postfach.