Unsere Autorin ist großer Musikfan – und kleinwüchsig. Sie beschreibt, welchen Beitrag Musikfestivals zur Inklusion leisten.

Mit wackligen Beinen tappte ich als zweijähriges Kind zum Radio meiner Eltern, schaltete es ein und bewegte mich zu der Musik. Schon als kleines Kind faszinierte mich Musik, insbesondere das Tanzen. Daran änderte sich auch später nichts – bis mein Kleinwuchs mir zur Hürde wurde.

Ich kann zu schlecht laufen, um einen Standardtanzkurs zu machen und ich fand auch keinen Tanzpartner in der passenden Größe. In die Disko gehen konnte ich auch nicht, weil es dort in meiner Stadt keinen barrierefreien Zugang gibt. Das machte mich traurig und schloss mich gleichzeitig von meinen Klassenkamerad*innen aus.

Mit 17 änderte sich alles. Ich war das erste Mal mit Freund*innen auf einem Festival. Das eröffnete mir eine neue Welt. Hier spielte meine Behinderung einfach mal gar keine Rolle. Dort tanzen Menschen im Pandakostüm mit Weihnachtsmännern, da falle ich mit meiner Körpergröße und meinem Fahrrad nicht auf. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, sang mit. Ich bewegte mich zur Musik und es war mir scheißegal, was alle anderen von mir denken könnten. Ich wollte Spaß haben und den hatte ich. Für meine Behinderung interessierten sich dort nur die wenigsten, ich konnte einfach mal nur ich sein. Das gab mir mehr Selbstvertrauen. Mein Feuer für Festivals war geweckt.

So einfach kann Inklusion sein

Inklusion ist in aller Munde, wird aber vor allem auf das Schulsystem reduziert. Dabei beginnt Inklusion schon im Kleinen. Wie auf Metalfestivals üblich, bildete sich schnell ein Moshpit. Immer mehr Feierwütige tanzten im Kreis. Völlig von selbst erkannten andere Festivalbesucher*innen, dass ein Moshpit definitiv keine gute Idee für mich ist und bildeten einen schützenden Kreis um mich. Kamen Festivalbesucher*innen mir zu nahe, schubste mein schützender Kreis sie weg, dann zeigten sie auf mich. Danach kam sofort eine Entschuldigung der Tanzwütigen. So etwas erlebe ich in meinem Alltag sonst nicht oft.

Viele Festivals richten sich auf Gäste mit Behinderung ein. Es gibt speziell ausgerüstete Campingplätze oder Tribünen für eine bessere Sicht. Leider machen sich manche Festivalbetreiber*innen bescheiden wenig Gedanken, ob ihre Hilfsangebote überhaupt nützlich sind. Bei Rock im Park ist es regelrecht frustrierend. Die Tribünen für Gehbehinderte waren ganz am Rand des Festivalgeländes angebracht, sodass man eine ganz besonders schlechte Sicht auf die Bühne hatte. Besser gesagt gar keine, weil davor auch noch ein Dixi-Klo stand und so auch noch die Sicht auf die Bildschirme verdeckt war. Unseren Humor hatten wir trotzdem nicht verloren. "Ich sehe was, was du nicht siehst und es ist blau." – "Ein Dixi-Klo." wurde zum Burner. Aber Frustsaufen half nix.

Ein paar Festivalbesucher*innen bemerkten das und beschwerten sich mit uns zusammen. Jede*r wollte Spaß haben. Die Solidarität war grenzenlos: Drei Festivalgäste boten meiner besten Freundin und mir an, mit uns gemeinsam auf das Gelände zu gehen. Das ließen wir uns nicht dreimal sagen. Einer hob mich auf seine Schultern und es folgte die absolute Eskalation für mich. Aus voller Kehle sang ich mit zu Billy Talent. Nach dem Festivalwochenende folgten mindestens zwei Tage Nackenstarre und eine Woche lang klang meine Stimme wie eine Krähe. Aber das war's mir wert – und es hatte nichts mit meiner Behinderung zu tun. Meinen Freund*innen ging es nicht anders.

Als Kleinwüchsige mitten in der Menge

Ich sehe in der Menge um mich herum nicht die Bands, sondern vor allem lange Beine. Menschen, die dicht aneinander gedrängt vor mir stehen. Das ist manchmal frustrierend. Die Gemeinschaft mit meinen Freund*innen gleicht aber vieles für mich aus. Auch sie sehen meist nicht alles, weil sie kleiner sind. Oft bieten mir Festivalbesucher*innen an, mich auf ihre Schultern zu heben, damit ich auch mal alles sehen kann und den Bass spüre. Der kommt ganz unten nämlich nicht an. Nun schwebe ich über der Menschenmasse. Ich drehe mich um und finde mich unter Tausenden Menschen wieder, die zusammen Spaß haben und feiern wollen. Und auch ich gehöre dazu.

Mein Kleinwuchs hat Vor- und Nachteile. Die Securitys trauen sich oft nicht mich zu kontrollieren, ich habe schon mehr als einmal mit meinen Freund*innen in meinem Rad Alkohol aus Festivalgelände schmuggeln können. Wenn Menschentrauben sich zu dicht um mich drängen, bekomme ich andererseits schnell Platzangst. Die Luft um mich wird immer dünner. Dann drücken meine Freund*innen die Menschenmasse von mir weg. Oder schieben mich mit einem Platten tagelang quer durchs Festivalgelände.

Trotz aller Hilfsbereitschaft und dem großen Gemeinschaftsgefühl der Festival-Familie, muss ich immer wieder genervt die Augen verdrehen. Immer wieder erlebe ich es auf Festivals, Konzerten und auch Partys wie Fremde auf mich zugehen, um mich dafür zu loben wie toll es doch ist, dass ich trotz meiner Behinderung auch hier bin. Leute, mal ganz ehrlich: Wollt ihr dafür gelobt werden, dass ihr auf Festivals, Konzerte und Partys geht? Sicher ist dieses Lob nicht böse gemeint, dennoch verfehlt es sein Ziel.

Warum sollte ich nicht auf Festivals gehen? Ich bin jung, liebe Musik und möchte mit meinen Freund*innen Spaß haben, wie alle anderen auch. Mein Kleinwuchs spielt dabei keine Rolle für mich.