Wenn ich mich vermumme, tue ich etwas Falsches. Das weiß ich, weil mir schon immer unmissverständlich klargemacht wurde: Vermumme ich mich und stelle mich in eine friedliche Demo, dann dauert es – wie etwa in Hamburg geschehen – nicht lange und meine Mitdemonstrant*innen und ich werden von der Polizei gewaltvoll auseinander getrieben.

Wenn ich auf einem Festival dagegen "Sieg Heil" schreie, laut und deutlich, gut vernehmbar für die Anwohner*innen eines kleinen Thüringer Dorfes, darunter Kinder – dann tue ich etwas, das erlaubt ist. Das weiß ich seit ein paar Tagen, denn in Themar ließ die Polizei am Wochenende 6.000 Menschen genau das tun. Kein Eingriff, kein gewaltvolles Auseinandertreiben. Es ist ein fatales, öffentliches Signal: Euer rechter Hass ist erlaubt.

Wo warst du, Härte des Rechtsstaats?

Ich vergleiche ganz bewusst Hamburg mit Thüringen, Links mit Rechts. In den Kommentarspalten zur Nachricht lese ich hanebücherne Vergleiche: Die laut skandierenden Neonazis mit T-Shirts, auf denen "I lve Htlr", "I love NS" und "HKN KRZ" steht, die tun doch nichts Böses – zumindest zünden die ja keine Autos an oder schmeißen Flaschen. Das ist ganz erbärmlicher Whataboutism.

Wer nicht begreift, dass Adolf Hitler ein fieses Arschloch war, und wer nicht begreift, dass rechte Propaganda gefährlicher für eine Gesellschaft ist als eine fliegende Flasche, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Da wurde an diversen Ecken versagt, unter anderem bei der staatlichen Durchsetzung von Recht und Ordnung, um mal beim Duktus der Rechten zu bleiben: 3 Festnahmen und 43 Strafanzeigen vermeldet die Polizei in Themar wegen "diverser Delikte", sie hätte die Lage jederzeit im Griff gehabt, sagte Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger. Ich lache mich schlapp.

Die 6.000 Neonazis durften am Wochenende fröhlich Journalist*innen bespucken und sich auch sonst großteils ungestört ihren Vorstellungen einer kleinen, abgeschotteten Naziwelt hingeben. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die friedlich in Gemeinschaft leben wollen, die immer wieder dafür einstehen, dass die Rechten das nicht tun dürfen, was sie tun: spalten.

Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Bürger*innen Themars, die solche Veranstaltungen hinzunehmen haben, die sich durch Hitlergrüße in ihrem Dorf provozieren lassen müssen, weil Gerichte und die polizeiliche Führung dort offensichtlich auf dem rechten Auge blind sind. Nein, im Griff gehabt hat hier gar niemand irgendetwas.

Der Termin für das nächste Konzert steht schon

Offiziell war Rock gegen Überfremdung als politische Kundgebung eingetragen, die Rednerliste war lang, viele Funktionäre rechter Parteien, viele Gallionsfiguren rechter Gruppen. Solche Veranstaltungen sind ein Brutkasten für rechtes Gedankengut: Hier wird die Jugend herangezogen, hier wird sich vernetzt, und ja, hier wird auch darüber gesprochen, welches Asylheim mal wieder ein kleines Feuer verdient hätte.

Es ist ja kein Geheimnis, welches Gewaltverständnis die Rechten vertreten. Das richtet sich anders als bei den Linken nicht gegen Dinge sondern gegen Menschen. Allein bei der Vorstellung, dass sich 6.000 Menschen kollektiv bei Hassrock in so einem Denken bekräftigen, stellen sich mir die Nackenhaare auf.

Die Frage muss erlaubt sein: Wieso in aller Welt darf so eine Veranstaltung überhaupt stattfinden, finanziert vom Geld deutscher Steuerzahler*innen? Hat der Verfassungsschutz gerade geschlafen, als das Amtsgericht Hildburghausen die Entscheidung traf, zwei einstweilige Verfügungen gegen das Konzert abzulehnen? Man weiß doch, was dort passiert, wir sprechen hier immerhin vom größten Neonazi-Treffen der vergangenen Jahrzehnte. Reden die denn alle nicht miteinander?

Zwei Tage zuvor hatte auch das Oberverwaltungsgericht Weimar zugunsten der Rechten entschieden. Rudolf-Hess-Sprechchöre unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, es ist nur noch zum Kopfschütteln.

Selbst nachdem Hunderte gleichzeitig "Sieg Heil" schrien, löste die Polizei die Veranstaltung nicht auf. Die Chance, wenigstens dann einzugreifen und das Strafgesetzbuch zu berücksichtigen, wurde demnach verpasst. Immerhin wird jetzt ermittelt.

Am 29. Juli soll dort nun schon das nächste Neonazi-Konzert stattfinden. Und wenn es überhaupt noch etwas gutzumachen gibt, dann täten Polizei, der Verfassungsschutz und besagte Gerichte gut daran, wenigstens in Zukunft Augen und Ohren aufzumachen. Das sind sie schon allein den engagierten Gegendemonstrant*innen des 3.000-Seelen-Dorfes schuldig, die diesen geballten Hass einfach nicht schon wieder vor der Haustür haben möchten.

Solch ein Treiben muss mit allen nötigen Mitteln unterbunden werden, am besten schon vorher, wie es auch mit Vermummung auf Demos passiert. Alles andere wäre doppelmoralisch – und vor allem fahrlässig.