Krieg ist real, seine Konsequenzen ebenso. Ein US-Fotograf gibt einen mächtigen und ehrlichen Einblick in das Leid der Menschen, die verletzt zurückgekommen sind.

Die Realität ist nicht immer schön. Kriege und bewaffnete Konflikte gehören zu dieser Realität. Für die meisten von uns ist es zum Glück etwas Fremdes, etwas Unbekanntes, das sie nur über Fernsehbeiträge und durch Zeitungsberichte erleben.

Wir wissen nicht, wie Krieg tatsächlich vor Ort geführt wird, oder wie es ist, an der Front zu stehen und auf andere Menschen zu schießen, sie zu verletzen oder zu töten. Wir wissen nicht, wie es ist, jeden Tag womöglich das letzte Mal aufzuwachen oder mit weniger Gliedmaßen nach Hause geflogen zu werden. Alles, was wir wissen, ist, dass Krieg real ist. Genauso wie seine Konsequenzen. Beides ist schrecklich, unvorstellbar, grausam.David Jay, ein Fotograf aus Kalifornien, stellt mit seiner Fotoserie

The Unknown Soldier vor, wie Krieg sich auf den menschlichen Körper auswirken kann. Es sind Folgen, über die wohl alle Bescheid wissen, aber selten zu Gesicht bekommen.

In der Menschheit liegt eine inhärente Schönheit. Eine dermaßen fragile Schönheit. Ich bin näher herangerückt.
David Jay

Vernarbte Haut, Brandwunden, fehlende Gliedmaßen – David Jays Fotos sind unerschrocken, sie zeigen die entstellten Körper von US-Kriegsveteran*innen aus dem Krieg im Irak und in Afghanistan. Um das Leben mit und nach einer Kriegsverletzung bestmöglich einzufangen, schoss Jay die Fotos noch während ihres Genesungsprozesses in verschiedenen Krankenhäusern oder bei ihnen zu Hause, wo auch Familienmitglieder anwesend waren. "Die Öffentlichkeit ist es gewohnt, ehemalige Soldaten im Fernsehen zu sehen, wie sie bei den Paralympics Marathon laufen oder schwimmen. Diese Fälle gibt es zwar auch, aber sie verzerren die Wirklichkeit", sagt Jay. The Unknown Soldier konzentriere sich daher auf die Mehrheit der verwundeten Soldat*innen, die nicht von der Öffentlichkeit gesehen werden.

Jay möchte Betrachter*innen seiner Fotos wachrütteln. Denn auf eine entfernte Art und Weise seien wir alle für die Verletzungen der Soldat*innen verantwortlich. "Diese Männer und Frauen sind Krieger. Das sind die tapfersten und dennoch bescheidensten Menschen, die ich jemals treffen durfte", sagt Jay. Er möchte die eingeschränkten gesellschaftlichen Vorstellungen von Krieg aufbrechen, uns klar machen, dass die Soldat*innen diese Narben für uns tragen. In diesem Sinne gehe es bei The Unknown Soldier nicht um Krieg, sondern um uns selbst.

Das Betrachten der Bilder ist nicht gerade angenehm, für manche vielleicht verstörend. Doch gerade wenn sie diese Wirkungen haben, seien die Bilder laut Jay richtig angekommen. Es ist gerade dieser sprichwörtliche Stoß ins kalte Wasser, der uns dazu zwingt, uns mit unseren Ängsten und Hemmungen auseinanderzusetzen. Realität ist nicht immer schön. Die Soldat*innen sind real. Setzen wir uns damit auseinander.