Jeder kennt diese kleine Stimme im Kopf, die mal leiser und mal lauter ist. Oft ist sie uns nur halb bewusst und ebenso oft sagt sie leider nicht nur freundliche Dinge – im Gegenteil. Sie klingt zum Beispiel so:

"Hast du's also wieder nicht geschafft..."

"Hättest du dich mal mehr angestrengt!"

"Verdammtes Vielfraß. So wird das nie was mit dem Abnehmen..."

"Was zur Hölle machst du da eigentlich wieder?"

Wie viel Macht die negative innere Stimme hat und wie so ein innerer Monolog abläuft, verdeutlichen diese beiden Frauen. Sie haben aufgeschrieben, was sie über ihr eigenes Aussehen denken: Mantras voller Abwertung. Und dadurch, dass sie sich die Sätze gegenseitig laut vorlesen, wird die Härte gegen sich selbst richtig deutlich:

"Die Leute hinter dir starren auf das Fett, das über deinen BH hängt."

"Du siehst auf Fotos so hässlich aus, dass ich sie mir nicht mal mehr angucken kann."

So voller Negativität, so degradierend und gnadenlos kritisch würden wir mit Menschen, die wir lieben, niemals im Leben reden. Warum dann mit uns selbst? Und woher kommt überhaupt diese garstige innere Stimme?

"Internalisierte Normen werden oft als innere Stimme erlebt. Diese basieren auf Werten die uns im Laufe der Sozialisation kommuniziert wurden", erklärt die Psychologie-Professorin und Buchautorin Astrid Schütz von der Uni Bamberg. "Dabei können sogenannte ideale Selbstbilder oder normative Selbstbilder eine Rolle spielen – wie wir sein möchten, oder wie wir glauben sein zu müssen."

Das hat bei weitem nicht nur mit dem eigenen Körper zu tun und kann auch heißen: Jemand, dessen innere Stimme ihn oder sie fürs rumliegen rügt, ist sehr wahrscheinlich damit großgeworden, dass fleißig, strebsam und leistungsstark zu sein besonders wichtig ist und ist dann wütend, dass er oder sie diesem Anspruch nicht genügt.

Genau diese Menschen sind es oft auch, die noch einen Zacken härter zu sich selbst sind als der Rest, berichtet die Professorin: "In der Tat fällt es gerade ehrgeizigen und erfolgreichen Menschen oft schwerer, mit sich selbst so großzügig zu sein wie mit anderen."

Dabei ist liebevolle Nachsicht mit sich wichtig für jeden Menschen. Warum, erklärt die Persönlichkeits-Psychologin folgendermaßen: "Positiver Umgang mit sich stärkt das Vertrauen in eigene Kompetenzen und hilft so, schwierige Situationen anzugehen. Nach Misserfolgen oder Enttäuschungen hilft es, handlungsfähig zu bleiben."

Denn niemand macht immer alles richtig, niemand ist immer stark und tapfer, niemand bringt dauerhaft 150 Prozent und niemand erreicht alle seine*ihre Ziele.

Okay. So weit, so logisch. Nur: Wie lässt sich die fiese innere Stimme effektiv abstellen?

Zuhören und hinterfragen

Wie so oft im Leben gibt es auch hierfür keine Standardlösung. Der erste Schritt kann sein, sich dieser negativen inneren Stimme überhaupt voll bewusst zu werden, aktiv zuzuhören und das Gehörte zu realisieren. Dann kann man im zweiten Schritt hinterfragen: Welche Normen habe ich da eigentlich verinnerlicht, woher genau kommen sie und sind das tatsächlich meine ureigenen Vorstellungen davon, wie ich sein sollte und will? Wer sich das klar gemacht hat, kann gezielt dagegen steuern.

"Eine gute Übung, die wir im Training oder Coaching einsetzen besteht darin, die Perspektive zu wechseln", erklärt Expertin Astrid Schütz. Dazu könne man sich eine Situation, in der man sehr kritisch mit sich selbst gewesen sei – beispielsweise nach einem Misserfolg – aus der Perspektive einer guten Freundin betrachten. Was würde sie sagen? Auf welche Ressourcen oder Optionen würde sie hinweisen?

Auf diese Weise baut man nach und nach ein freundlicheres, bewussteres Verhältnis zu sich auf. Das dauer zwar, aber es lohnt sich. Denn wenn du dich selbst nicht hemmungslos unterstützt – wer dann?