Mein erstes Mal war am 6. Dezember. Ich weiß das, weil ich einen Schokonikolaus dabei hatte, als mein Liebeskummer und ich ins Kino gingen. Allein.

Es fühlte sich merkwürdig an, wie ein zu kurzer Pulli.

Als ich mich durch die Sitzreihen zu meinem Platz schlängelte und mich hinsetzte, meinte ich, die Blicke sämtlicher anderer Zuschauer*innen auf mich zu ziehen – nur durch die Tatsache, dass ich ohne Freund*in ins Kino ging. Bis dahin war ich ausschließlich zu zweit oder in Gruppen und Grüppchen unterwegs gewesen. Ich wand mich auf meinem Sitz hin und her und atmete auf, als schließlich das Licht ausging.

Keine Freund*innen?

Und ich wunderte mich, auch über mich selbst: Weshalb werden wir stutzig, wenn Menschen Dinge ohne Begleitung unternehmen? Niemand hat schließlich ein Problem damit, wenn sich Freund*innen tagelang bei Büchern, Netflix und Pizza zu Hause vergraben. Das Alleinsein an sich, das Sich-Aushalten-Können, wird heutzutage als wichtige Fähigkeit betrachtet. Und zwar zu Recht.

Doch sobald jemand allein ins Kino, in ein Restaurant, auf eine Party oder gar eine Reise geht, fragen wir uns: Hat diese Person keine Freund*innen? Ist er*sie sozialunverträglich oder riecht eventuell komisch?

Einzelgänger*innen haftet häufig der Makel der Merkwürdigkeit an. Möglicherweise, weil wir Menschen uns seit jeher in Sozialverbänden organisieren. Jemand, der ohne Begleitung ist, könnte von seiner Bezugsgruppe sozusagen ausgestoßen worden sein – aus Gründen. Das macht unter Umständen misstrauisch. Und ist in unserer Zeit natürlich Quatsch.

Allein auf Reisen

Das latent komische Gefühl beim gelegentlichen Alleinsein änderte sich zumindest bei mir deutlich, als ich nach langer Krankheit allein auf eine Weltreise ging. Es hatte schlicht niemand anders ein halbes Jahr Zeit, um mit mir um den Globus zu fliegen. Und ich für meinen Teil hatte keine Lust auf Kompromisse.

Also war ich allein in New York, New Orleans, Rio de Janeiro und Kapstadt – alles durchaus nicht ungefährliche Städte (meinen ersten Handtaschenraub habe ich übrigens lange danach in der Berliner U-Bahn bezeugt). Die Reaktionen waren damals wie heute fast immer gleich: "Was!? Du reist allein? Als Frau?"

Dabei ist alleine reisen meiner Erfahrung nach – mit entsprechendem Menschenverstand und ein paar Sicherheitsmaßnahmen – ähnlich gefährlich wie an einer großen Kreuzung über die Straße zu gehen und davon abgesehen das Beste, was wir für uns tun können! Wir lernen, in die eigene Stärke zu vertrauen, mit uns selbst umzugehen, mutig zu sein, mit wenig auszukommen und wir treffen interessante Menschen. Ich persönlich habe mich selten freier und zufriedener gefühlt.

Man gewöhnt sich dran

Inzwischen habe ich mich an die Blicke, meine eigenen Restzweifel und die immer gleichen Fragen gewöhnt. Es ist wie mit den meisten neuen Dingen: Wenn man es oft genug tut, fühlt es sich normal an. Neulich war ich ganz allein Salsa tanzen. Es war großartig! Und vielleicht haben die anderen Kino-Zuschauer*innen damals vor allem deshalb so komisch geguckt, weil ich noch im Gehen schon am Nikolaus nagte.

Also, lasst euch durchs bloße Alleinsein von keinem einzigen Abenteuer eures Lebens abhalten. Es wäre schade.