Am Anfang war es eine Rentnerin. Nach dem Ausgang der US-Wahl fragte Teresa Shook auf Facebook: Was wäre, wenn Frauen am Tag des Amtsantritts massenhaft durch Washington marschieren würden? Sie kreierte ein Event. Als sie zu Bett ging, hatten 40 Personen zugesagt, am nächsten Morgen 10.000. Jetzt sind es über 244.000 Menschen, die am 21. Januar in Washington auf die Straße gehen wollen. Damit wäre der Marsch der größte zum Amtsantritt eines Präsidenten in der Geschichte der USA.

Worum geht's?

In Schock nach Trumps "locker room talk" und seinem Wahlsieg ging es der ehemaligen Anwältin Shook darum, an Frauenrechte zu erinnern. Mit der wachsenden Zahl an Teilnehmenden kamen auch Nachrichten von Menschen, die bei der Veranstaltung aushelfen wollten. Schnell professionalisierte sich die Aktion: Mittlerweile wird der Marsch von vier (Frauenrechts-)Aktivistinnen organisiert und 77 Partnerorganisationen, darunter Planned Parenthood und Amnesty International, unterstützt.

Mit der Größe vervielfältigten sich allerdings auch die Interessen: Während die einen Frauenrechte stärken wollen, setzen sich andere mehr für die Belange von People of Colour, LGBTQ-Menschen und Immigrat*innen ein. Auch familienfreundlichere Politik, bezahlter Elternurlaub und höhere Löhne für Frauen stehen auf der Agenda. Viele eint aber der Wunsch, Hassrhetorik etwas entgegenzusetzen: "Wir wollen ein mutiges und klares Zeichen an dieses Land senden, dass wir nicht still sein werden. Wir werden nicht zulassen, dass irgendjemand unsere Rechte zurückschraubt, für die wir gekämpft und gelitten haben, um sie zu bekommen", sagte eine der Organisatorinnen Tamika Mallory gegenüber der Washington Post.

Die Organisatorinnen betonen jedoch, dass der Marsch keine Anti-Trump-Demo sei. Viele Aktivistinnen teilen diese Herangehensweise, wie beispielsweise Autorin Annie Hartnett. "Wir sollten uns nicht so sehr drum kümmern, wer ins Amt kommt oder welche Partei, sondern uns darauf fokussieren, unsere Rechte als Frauen zu bewahren. Wir müssen unsere Menschenrechte mit allen Parteien verbinden", sagte sie gegenüber medium.com. "Trotzdem gab es eine Menge Dinge, die [von Trump, Anm.d.R.] über Frauen gesagt wurden, die mir echt Angst einjagen."

Viele Frauen sagen aber, Trumps Wahlsieg hätte sie mehr motiviert, aktiv zu werden, als die Wahl von Hillary Clinton es je geschafft hätte.

Wer läuft mit?

Auch wenn der Marsch von Frauen organisiert ist, richtet er sich an Interessierte jeden Geschlechts oder Ethnizität. Studierende aus dem ganzen Land sollen mit extra organisierten Bussen und Bahnen anreisen. Bei dem Marsch werden auch prominente Gäste erwartet: Feminismus-Ikone Gloria Steinem unterstützt die Aktion finanziell, Amy Schumer, Samantha Bee and Jessica Chastain marschieren mit.

Zeitgleich zur Aktion in Washington werden zahlreiche Solidaritätsmärsche auf der ganzen Welt stattfinden. Darunter Berlin, Sydney, Paris und London.

Warum gab es im Vorfeld Kritik?

Dass Shooks spontane Aktion so viel Zulauf bekommen würde, habe sie nie geahnt. Dass sie Kritik bekommen würde, sicher auch nicht. Der Name "Million Woman March", den sich die Rentnerin für das Event ursprünglich überlegt hatte, bezeichnet eine Zusammenkunft hunderter schwarzer Frauen in Philadelphia im Jahr 1997. Unter den Frauen brach eine hitzige Debatte aus, besonders Afro-Amerikanerinnen ärgerten sich über die vermeintliche Vereinnahmung des Begriffs.

Auch Aktivistin Annie Hartnett äußerte Bedenken, dass der Marsch zu sehr die Belange weißer Frauen vertrete und die anderer Minderheiten vernachlässige. "Das 'Recht auf Leben' [bezüglich Abtreibung, Anm.d.R.] kann etwas anderes für eine schwarze Frau aus der Arbeiterklasse bedeuten als für eine weiße Privilegierte aus der Mittelklasse", sagte sie bei medium.com. "Lasst uns erstmal auf das Level kommen,  auf dem meine Bürgerrechte geschützt sind, und dann lasst uns über Menschenrechte sprechen, und dann über die Rechte der Frauen."

Überfordert und unter Druck überließ Rentnerin Shook die Organisation des Marschs vier erfahren Frauenrechtsaktivistinnen:  Tamika Mallory, die sich für Waffenkontrolle einsetzt; Linda Sarsour, Leiterin der arabisch-amerikanischen Vereinigung von New York; Carmen Perez, die sich für eine Reform des rassistischen Justizsystems engagiert; und Bob Bland, eine Mode-Unternehmerin. Gemeinsam erarbeiteten sie den neuen Titel, der an die Menschenrechtsdemos von 1963 angelehnt ist.

Unter neuem Namen und mit drei Women of Colour an der Spitze des Marsches gehen hunderttausende Menschen gemeinsam am 21. Januar in Washington auf die Straße, um für Menschenrechte einzustehen.