Laut dem Zukunftsforscher Dr. Ian Pearson werden wir spätestens im Jahr 2050 mit Tieren sprechen können. Unsere Technologie wird bis dahin so fortschrittlich sein, dass wir ihnen mittels Transplantaten eine gewisse Artikulationsfähigkeit in unserer eigenen Sprache geben können.

Wie oft haben wir schon unsere Haustiere angeschaut und uns gefragt, was sie wohl sagen würden, wenn sie sprechen könnten. Würden wir ihnen immer noch seelenruhig beim Koten zugucken oder wäre das plötzlich unangenehm? Würden wir Nutztiere, die uns von ihrem Alltag, ihren Gefühlen, ihren Zukunftsträumen erzählen, weiterhin schlachten und zu Mahlzeiten verarbeiten? Würden wir Mücken und anderes Ungeziefer weiterhin so leichtfertig zerdrücken (Tierfreunde, verzeiht!), wenn sie vorher um Gnade flehen? Wahrscheinlich nicht. Sprechende Tiere würden unser Weltbild ganz schön über den Haufen werfen.

Zugegeben: Die Annahme, Tiere könnten sich fließend mit uns unterhalten, diskutieren oder streiten, ist wohl übertrieben. Tiere hätten wohl nach wie vor kein festes Sprachverständnis und könnten nichts mit Grammatik anfangen. Kein Chip der Welt kann ein paar Evolutionsstufen überspringen und ihnen das Geschick zu schlussfolgern, zu urteilen, Logik anzuwenden beibringen. Zumindest noch nicht. Was eine derartige technologische Entwicklung wahrscheinlich tun würde, ist, das vorhandene tierische Kommunikationsrepertoire mit – in unserem Fall – deutscher Semantik zu überlagern. "Wuff, wuff!" könnte beispielsweise zu "Einbrecher, Einbrecher!"  und "Muuuh!" zu "Hunger!" übersetzt werden.

Tiere mit annähernd nachvollziehbaren verbalen Fähigkeiten: Wäre das für uns Menschen Grund genug, um Tiere endlich besser zu behandeln? Tatsächlich existieren bereits empirische Untersuchungen, die sich mit solchen Fragen beschäftigten. Eine Gruppe von Wissenschaftlern rund um den Experimental- und Sozialpsychologen Brock Bastian führte im Jahr 2011 einen kleinen Versuch zum Thema durch. Während die eine Teilnehmergruppe einen kurzen Beitrag darüber verfassen sollte, inwiefern sich Tiere Menschen ähneln, sollte sich die andere Gruppe Gedanken über die umgekehrte Variante machen: In welchen Punkten ähneln wir Menschen uns den Tieren? Das Ergebnis war, dass vermenschlichte Tiere weit positiver dargestellt wurden als umgekehrt. Dieses Ergebnis würde dafür sprechen, dass wir sprechende Tiere tatsächlich mehr schätzen würden. Oder vielleicht kleben wir ihnen auch einfach das Maul zu und machen weiter wie bisher.

Töte mich nicht!

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Nehmen wir an, Tiere hätten dank der neuen Technologie ein Zukunftsbewusstsein. Eine Vorstellung davon, was sie in ihrem späteren Leben tun und lassen möchten. Das würde bedeuten, dass Tiere nicht mehr bloß im Hier und Jetzt leben und ihre unmittelbaren Bedürfnisse stillen, sondern ihr Leben als Gesamtkonzept schätzen und Pläne machen können. Was ändert das für uns? Wenn ein Lamm kurz vor der Schlachtung "Töte mich nicht!" bääht. Wenn sich kurz vor dem Biss in den Burger das Gewissen einschaltet und ein imaginäres, um Gnade flehendes Rind in unsere Vorstellungen springt? Sind sprechende Tiere schützenswerter als Tiere, die muhen, grunzen oder gackern? Schließlich wären sie uns durch ein künstliches Sprachvermögen unheimlich ähnlich.

Das Konzept des humanen Tötens (sofern es das überhaupt gibt) beruht für viele auf dieser Idee. Dass Tiere kein ausgeprägtes Zukunftsbewusstsein haben. Da sie quasi nur im Moment leben, müsste man ihr Leiden bei der Schlachtung ganz einfach so gering wie möglich halten und alles ist gut. Aber das Schlachten selbst? Nein, das stellen wir nicht infrage. Für Tiere, die nicht mehr nur in der Gegenwart leben, sondern auch an ihr zukünftiges Glück denken, kann das nicht weiterhin zutreffen. Technologie, die Tiere dazu befähigt, ihren Platz in unserer Welt zu begreifen, würde unsere Beziehung zu Fleisch sicher verändern. Mehr Mitgefühl, Bedauern und Trauer in uns auslösen. Ein Tier für sein Fleisch zu töten, das dir gerade noch erzählt hat, dass es später noch ein wenig auf der Weide spielen möchte, wäre plötzlich gar nicht mehr so leicht, oder?

Steve Loughnan von der University of Edinburgh und Jared Piazza von der University of Lancaster führten ein paar Tests über das menschliche Verständnis von tierischer Intelligenz durch. Die Resultate zeigen, dass wir dazu neigen, uns weniger um intelligente Tiere zu sorgen, solange sie in unserer eigenen Kultur bereits als Nahrungsmittel gelten. Wenn wir allerdings an Tiere denken, die keine potenzielle Mahlzeit für uns darstellen, tun sie uns doch wieder leid. Dasselbe gilt für Tiere, die in fremden Kulturen verspeist werden, aber nicht in unserer. Unter diesen Umständen wäre es dann auch möglich, dass wir unser moralisches Verständnis gegenüber einer sprechenden Kuh doch nicht verändern – sie steht ja schließlich schon längst auf unserem Speiseplan.

Was wir bei all dem nicht vergessen dürfen: Tiere sprechen bereits mit ihrer eigenen Sprache mit uns. Es sollte keinen großen Unterschied zwischen einem schreienden Menschenbaby und einem schreienden Lamm geben. Kälber, die ihrer Mama kurz nach der Geburt weggenommen werden, schreien genauso herzzerreißend nach ihr. Vielleicht sollten wir in Zukunft einfach besser hinhören.