Arbeiten im Einzelhandel ist voll toll. Immer als Erste*r die neuesten Trends mit Rabatt abgreifen. Doch die Realität sieht anders aus. Der Job kann ziemlich nerven. Hauptgrund: die Kundschaft. 

Neben ihrem Studium hat Olga viele Jahre für ein größeres Modeunternehmen in Bremen gearbeitet. Aufräumen, kassieren: Sie war das Mädchen für alles. Ihr Kleiderschrank war gut gefüllt mit den schönsten Kleidern. Aber gleichzeitig waren auch ihre Nerven blank, wenn sie an einem weiteren Samstag neun Stunden in der klimatisierten Luft verbrachte. Eine trockene Nase und Halsschmerzen waren ihre regelmäßigen Begleiter. Aber das war nicht das Schlimme. Besonders nervig war die viele –meist weibliche – Kundschaft, die ständig mit nervigen Sätzen um die Ecke kamen.

1. Arbeiten Sie hier?

Hallo erstmal. Nein, das tue ich nicht. Ich stehe hier nur herum – ohne Jacke, aber dafür mit Schildchen. Das ist meine individuelle Form von Freizeitgestaltung. Kein Tageslicht. Trockene Luft aus der Klimaanlage. Das sind doch gute Voraussetzungen, um hier einen Tag zu verbringen.

2. Niemand hilft mir. Ich komme von da ganz hinten. Da ist aber keiner.

Sie sprechen mich gerade an, weil auch Sie erkannt haben, dass ich hier arbeite. Also raus damit. Was darf ich für Sie tun? Natürlich, wenn Sie von da ganz hinten kommen, werde ich Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht helfen können. Das ist eine andere Abteilung. Trotzdem höre ich mir gerne an, was Sie zu mir bringt. Und im Zweifelsfall begleite ich Sie persönlich zu meiner Kollegin. Denn da ist sehr wohl jemand. Nur ist meine Kollegin vertieft im Kundengespräch.

3. An der Kasse: Geht denn das nicht schneller?

Haben Sie im Entferntesten eine Ahnung, wie nervig es ist, den ganzen Tag hinter der Kasse zu stehen und gefühlt tausend Teile zu entsichern und einzutüten? Hauptsache keine blöde Sicherung bleibt dran. Denn das Geschrei ist groß, sollte ich doch eine übersehen. An den Kassen stehen keine Maschinen. Und die Tätigkeit hinter der Kasse ist an Stumpfheit und Monotonie nicht zu überbieten. Konzentration wird hier ganz großgeschrieben. Schließlich geben wir uns Mühe alles schön richtig zu machen. Davon mal ab: Sie haben Zeit zum Shoppen. Dann nehmen Sie sich doch auch die Zeit zum Warten. Dankeschön.

4. Können Sie nicht eine weitere Kasse aufmachen?

Diese Frage richten Sie natürlich vorzugsweise an die Person, die gerade hinter der Kasse steht. Seit Stunden hat diese Person Durst, muss mal Pipi und zum Luft holen fehlt auch die Zeit. Aber nur um Sie zu ärgern, verzichtet sie auf menschliche Bedürfnisse. Nein, im Ernst: Wenn es genug Personal gäbe, würden wir sogar weitere Kassen schnitzen. Aber das geht nicht. Es hat seine Gründe, dass Sie gerade ein paar Minuten länger warten müssen. Haben Sie Geduld. Es tut uns leid. Oder bewerben Sie sich doch einfach und zeigen uns, wie es richtig geht.

5. Oh, sollte ich die Kleidung aus der Kabine mit rausnehmen?

Nein, natürlich nicht. Lassen Sie die Sachen ruhig hängen oder noch besser liegen. Besonders dann, wenn es richtig voll ist und die nächste Person sofort in die Kabine geht, sobald Sie raus sind. Dann kann auch diese ihre Sachen einfach drinnen lassen. Irgendwann gibt es dann die eine Kundin, die wutentbrannt eine Angestellte anbrüllt, weil die Umkleidekabine so unordentlich ist. Und genau dann erkennt auch dieser untätige Mensch, dass fast das komplette Sortiment in nur einer Kabine liegt oder hängt.

6. Haben Sie nur einen Wickelraum?

Ja, und das tut uns aufrichtig leid. Darum ist es kein Problem, wenn Sie Ihr Kleines mitten im Laden wickeln und die Windel einfach in irgendeine Ecke schmeißen.

7. Haben Sie eine Toilette? Mein Kind muss dringend.

Es tut mir leid, damit können wir nicht dienen. Aber die nächste Toilette ist nur vier Minuten entfernt. Wenn Ihnen das zu weit weg ist, können Sie natürlich Ihr Kind sein großes Geschäft hier verrichten lassen. Aber bitte nicht vergessen, das Häufchen mit weißer Kleidung zu verstecken. So ist der Wow-Moment bei der Person, die das Häufchen entdeckt, umso größer – das ist übrigens wirklich passiert. Wir haben es auch gerne, wenn Frauen ihren Tampon in der Umkleidekabine wechseln oder ihren schmutzigen Slip gegen einen sauberen von uns austauschen.

8. Das Telefon klingelt unentwegt. Ich geh gleich selbst ran.

Gönn dir, Schwester! Wobei: Wir lieben das Klingeln des Telefons. Hören Sie doch, wie schön und gleichzeitig penetrant es klingelt. Das Beethovenkonzert des kleinen Mannes. Und nein, wir ignorieren das Telefon nicht, weil wir zu tun haben. Wir stehen einfach auf diesen Klang. Hören Sie mal. Magisch. 

9. Sind Sie nicht zu warm angezogen? Draußen sind über 30 Grad.

Ja, draußen. Drinnen haben wir aber stabile 19 Grad. 365 Tage im Jahr. Das bedeutet, dass ich mir womöglich den Arsch abfrieren würde und mich sogar erkälten würde, wenn ich tatsächlich Sommerkleidung tragen würde.

10. Schon praktisch, wenn die Stadt bis null Uhr aufhat.

Nein.

11. So ein verkaufsoffener Sonntag ist richtig gut für Berufstätige.

Nein.

12. Die Bluse hat einen Fleck. Das können Sie doch unmöglich so verkaufen.

Doch, kann ich. Und wissen Sie auch wieso? Es geht mir am Arsch vorbei, wie diese Bluse aussieht. Die war nämlich in Ordnung. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als irgendwelche Flodderkinder diese wie ihre eigene behandelt haben. Ich habe damit also nichts zu tun. Darum kann ich sie auch so verkaufen. Es ist nur Make-up. Das geht raus. Wir vermerken das auf dem Bon. Und sollten Sie die Bluse nicht mitnehmen, schreibe ich sie einfach ab und spende sie den Armen.

13. Ich habe jetzt so viel gekauft. Da ist doch bestimmt ein Mengenrabatt drin.

Die Antwort wird Ihnen nicht gefallen. Wenn ich in irgendeiner Form Einfluss darauf hätte, Ihnen Rabatt zu geben, würde ich nicht an der Kasse stehen. Also kommen Sie von Ihrem Rausch runter. Wenn Sie aber doch unbedingt verhandeln möchten, verreisen Sie doch einfach in den Süden und verhandeln Sie dort auf einem Basar.

14. Aber die Adventszeit ist doch so wunderschön.

Die Adventszeit ist für Menschen im Einzelhandel ihr persönliches Armageddon. Alle rasten aus. Niemand hat Zeit. Jeder muss irgendwas Sinnloses kaufen, um nicht mit leeren Händen dazustehen.

Und ja, wer einmal zur Adventszeit gearbeitet hat, hat in Abgründe geblickt. Vor allem in der Parfümerie, Wäscheabteilung oder einem Buchhandel.