Ich bin kein großer Fan von RuPaul. Versteht mich nicht falsch, von der Person RuPaul habe ich keinen Schimmer. Sie wird sicherlich ein liebenswerter Mensch sein, mit einem großen Blumenstrauß an Lebens- und Bühnenerfahrung. Wie alle alten Tunten. Aber das Format RuPaul's Drag Race hat mich noch nie wirklich interessiert, obwohl sehr viele aus meinem Umfeld seit Jahren darauf abfahren. Es liegt vielleicht auch daran, dass ich den Großteil der US-amerikanischen Drag-Kultur anstrengend finde. Zu viel, zu hysterisch, zu künstlich – merkwürdig amerikanisch. Beim x-ten "Guuuurrl" muss ich genervt wegschalten.

Umso mehr hat es mich gefreut, RuPaul eine zweite Chance geben zu können. Seine neue Netflix-Serie AJ and the Queen habe ich einen Sonntag lang gebingewatcht. Zugegebenermaßen brauchte ich dafür zwei bis drei Anläufe, weil RuPauls Spielpartnerin ein Kind ist. Ich habe ein schwieriges Verhältnis zu Filmkindern und muss dafür in der richtigen Gemütsverfassung sein. Später mehr dazu.

Wenigstens ist Josh Segarra dabei

AJ and the Queen ist kein Reality-TV, es ist eine Dramedyserie. Robert alias Ruby Rose (RuPaul) wird von seinem Lover Hector (Josh Segarra) um 100.000 US-Dollar betrogen. Daraufhin setzt sich Robert in sein Wohnmobil und macht sich zwecks einer Dragqueen-Tingeltour durch diverse Gay-Clubs auf den Weg von New York City nach Dallas. Mit im Gepäck: das Nachbarsmädchen AJ (Izzy G.), das vor seiner Junkiemutter flüchtet und in Texas seinen Großvater suchen will. Roberts Ex-Lover Hector und seine Gangster-Komplizin Lady Danger (Tia Carrere) verfolgen das Wohnmobil – Robert soll jetzt nämlich auch noch um die Ecke gebracht werden. Warum? Das hat sich mir nicht erschlossen.

Die Verfolgungsjagd ist schrecklich albern und hat was von Road Runner und Coyote. Darüber kann ich nur hinwegsehen, weil Darsteller Josh Segarra einfach ein wahnsinnig hottes Schnittchen ist, das die Stylist*innen überwiegend in enge Jeans und halbtransparente Muskelshirts stecken. Einer der wenigen Lichtblick dieser Serie.

Mit dem Leben einer echten Dragqueen hat das wenig zu tun

Kommen wir zum Kind. Ich habe eine ausgeprägte Filmkindersperre. Meistens sind die nämlich altkluge, nervige Bälger, die wie Erwachsene sprechen und handeln. Das halte ich nicht aus. AJ ist genau so wie befürchtet. Der ganze Plot wird von Rückblenden umrandet, die den Charakteren mehr Tiefe verleihen sollen. Hier ein Schlaganfall, dort eine Überdosis – alles schon mal gesehen. Das geht nicht auf. Das liegt wohl auch an der unterdurchschnittlichen Schauspielleistung.

Der Beruf der Dragqueen wird so unwirklich dargestellt, dass mir oft das Lachen im Halse stecken bleibt.

RuPaul inszeniert sich und seine Rolle als aalglatte, überirdisch gütige Obermutti – meistens trieft die Serie vor Schmalz. Moralische Häppchen werden so leicht verdaulich wie möglich als kleine Lehrstücke in die Handlung gepresst. Das tut manchmal richtig weh. Sowieso wirkt die Serie wie aus der Zeit gefallen. Ein bisschen Too Wong Foo, ein bisschen Curly Sue, ein bisschen Kill Bill für Arme. Ein Retro-Roadmovie aus der bunten Gute-Laune-Zeit der 1990er Jahre. Das Wohnmobil ist eine traurige Kopie des Priscilla-Busses. Die Sets sind so künstlich wie die Story. Man glaubt, alle Kulissen schon in diversen anderen TV-Formaten gesehen zu haben. Und wahrscheinlich ist das auch so.

Der Beruf der Dragqueen wird so unwirklich dargestellt, dass mir oft das Lachen im Halse stecken bleibt. RuPaul stöckelt gut gelaunt von einem glamourösen Backstage in den nächsten – egal, in was für einem abgeranzten Bumsladen sie einen Auftritt hat. Obwohl ihr privater Bankrott ein zentrales Thema ist, scheint Geld trotzdem gar keine Rolle zu spielen. Lieber wird ein fadenscheiniger Grund gesucht, sich endlich mal wieder aufzufummeln und zu zeigen, wie bunt und schrill eine Dragqueen doch sein kann. Gähn.

AJ and the Queen ist nicht mehr als Begleitfernsehen

Das Schlimme ist, dass die Produzent*innen das tatsächlich ernst meinen und gedacht haben, dass sowas gute, zeitgemäße Dramedy ist. Vielleicht hat sich auch niemand getraut, RuPaul die Wahrheit zu sagen. Da helfen auch die zahlreichen Cameo-Auftritte der Ex-Kandidatinnen von RuPaul’s Drag Race nicht weiter.

Eigentlich ist es doch wunderbar, dass endlich mehr queere Inhalte produziert werden. RuPaul’s Drag Race hat dazu sicherlich einen großen Teil beigetragen. Und soweit ich weiß, schafft es RDPG ziemlich gut, die Lebensgeschichten der Teilnehmerinnen realistisch nachzuerzählen und die Zuschauer*innen zu empowern.

AJ and the Queen gelingt das hingegen nicht und taugt höchstens zum Begleitfernsehen. Wenn mal wieder Wäsche zusammengelegt werden muss. Oder wenn man an einem Sonntag hirntot wegen letzter Nacht auf dem Sofa liegt und auf den*die Lieferando-Bot*in und das thailändische Essen wartet.