Der stern hat am Mittwoch ein alten Videobeitrag aus dem Jahr 1997 über den damals 18-jährigen Christian Lindner ausgegraben. Titel des dazugehörigen Artikels: "Der 18-jährige Christian Lindner – bereit, die Welt zu verbessern ...". Wobei "zu verbessern" vermutlich für "zu einem leistungsoptimierten Haargelwerbespot zu transformieren" steht.

Man sieht den igelhaarigen Christian Lindner mit Krawatte und Anzug, wie er dem Jugendmagazin 100 Grad von seinem Jungunternehmertum erzählt. Ob er für seine Krawatte eigenhändig eine Kuh geschlachtet hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls hat sich Klein-Lindner für diesen Dreh extra eine Mercedes-Limousine gemietet und Klassenkamerad*innen in einem gefakten Klassenzimmer drapiert. Ansonsten hat er sich vermutlich ein Lehrbuch mit dem Titel Diese Moves musst du als schmieriger PR-Fuzzi draufhaben oder ähnlich durchgelesen, und posiert abwechselnd telefonierend oder beschäftigt Akten durchblätternd für die Kameras.

Natürlich ist es gemein, einem 38-Jährigen die Aussagen seines 18-jährigen Ichs vorzuhalten. Wobei es schon witzig ist, dass zwanzig Jahre später ausgerechnet mit einem Wahlplakat mit dem Spruch "Schulranzen verändern die Welt. Nicht Aktenkoffer" zusammen mit Christian Lindners Gesicht Werbung gemacht wird. Heute macht man in der FDP hippe schwarz-weiß Fotos und redet besonders gern über die Zukunft und irgendwas mit Internet.

Gerade diejenigen, die nur dieses Bild der FDP kennen, sollten sich das Video anschauen. Es enthält den unter dem Dreitagebart versteckten, gegelten Kern der Partei: Denn was sich nicht verändert hat, ist, dass die FDP eine marktliberale Unternehmerpartei ist. Hört man Christian Lindner bei Wahlkampfauftritten reden, klingt das gar nicht so anders wie Christian Lindner 1997. Nur weniger satirehaft.

Floskeln wie "Vorankommen durch eigene Leistung" und "Potenziale und die Energie jedes Einzelnen" stehen immer noch so im Programm. Der Sozialstaat soll eingeschränkt werden, "übermäßige Umverteilung von Privat zu Staat" beendet werden. Unternehmer*innen sollen geschützt werden, Vermögensteuer und  Verschärfungen der Erbschaftsteuer sollen nicht eingeführt werden. Den gesetzlichen Mindestlohn für Geflüchtete möchte die FDP abschaffen, Einwanderung durch ein Punktesystem, das Qualifikationen auflistet, regeln. Um nur einige Punkte zu nennen.

Davon abgesehen, bleibt zu klären, was das für die Menschheit bedeutet, dass die Kleidung der Moderator*innen heute so ähnlich wieder in Berlin-Neukölln getragen wird. Philosophische Gedanken dazu gerne per Mail.