Ich steuere die Internetseite diskutiermitmir.de an und klicke auf "Diskussion beginnen". Ich werde gefragt, was ich wählen werde, klicke an, ich bin "noch unentschlossen" und bekomme ein neues Auswahlfeld angezeigt: Wie ticke ich politisch? Eher links oder eher rechts? Ich wähle ersteres. Die Seite startet die Suche nach einem Menschen, der etwas Gegenteiliges angegeben hat.

Das ist auch der Clou an der Seite: Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten sollen ins Gespräch kommen. Um es den Gesprächspartner*innen leicht zu machen, werden verschiedene politische Thesen angezeigt. Ich darf dann in fünf Abstufungen wählen, ob ich das für angemessen oder falsch halte.

Das Chatfenster geht auf, mein anonymer Gesprächspartner ist offenbar FDP-Sympathisant. Unsere erste Frage: Soll der gesetzliche Mindestlohn erhöht werden?

Die Diskussion verläuft unerwartet ruhig

Ja, der Mindestlohn solle unbedingt erhöht werden, meine ich. Mein Gesprächspartner ist gegensätzlicher Meinung. Ich frage ihn, warum. Er argumentiert, weil das auch für Kurzzeitpraktika gelten würde und das Unternehmen schaden könne.

Ich muss gestehen: das hatte ich nicht bedacht. Wir einigen uns darauf, dass der Mindestlohn nicht für alle Bereiche gelten sollte, sondern vor allem für die Menschen, die davon leben müssen – aber dann sollte er auch in einer vernünftigen Höhe ausbezahlt werden.

Obwohl wir anfangs völlig unterschiedlicher Meinung waren, fanden wir am Ende doch einen gemeinsamen Nenner. Und zwar auch, was die Privatisierung von Banken, Telekom, Deutsche Bahn, die Bildungspolitik, den Austritt Deutschlands aus der Nato oder die Asylpolitik anbelangt. Innerhalb eines Chats können beliebig oft neue politische Themenfelder diskutiert werden.

Ich dachte zunächst, das Ganze würde etwas schriller ablaufen. Tatsächlich diskutierten wir ruhig und sachlich, auch über vermeintliche Reizthemen.

Ein sinnvolles Konzept

"Seit einiger Zeit beobachten wir, dass politische Diskussionen häufig nur zwischen Menschen, die ohnehin derselben Meinung sind, geführt werden. In unserem Umfeld begegnen uns selten Personen, die so gar nicht in unser politisches Weltbild passen", schreiben die Macher auf der Seite.

Sie wollen aufzeigen, dass es aber durchaus möglich ist, mit Menschen zu diskutieren, die eine andere politische Einstellung vertreten. Oder ganz generell eine andere Art haben, zu argumentieren. Das erschaffe Raum, in dem auch wir unsere oft festgefahrene Haltung neu hinterfragen müssen, erklärte Louis Klamroth im Gespräch mit Markus Lanz.

Die Website erschafft dafür definitiv eine Plattform. Auch das Konzept der Anonymität ist sinnvoll, so geht es tatsächlich nur um Inhalte. Natürlich kommt es immer darauf an, ob Gesprächspartner*innen an einem offenen und sachlichen Austausch interessiert sind, oder eher pöbeln wollen. Ich selbst habe das nicht erlebt.

Das Tool funktioniert gut, auch wenn es ein wenig dauern kann, mit Gesprächspartner*innen verbunden zu werden. In meinem etwa halbstündigen Selbstversuch kam ich dennoch mit insgesamt drei Personen ins Gespräch – und wenn sich das Konzept herumspricht, werden noch mehr Menschen an den Diskussionen beteiligt sein.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung könnte nicht passender sein: Die Macher hoffen, dass die Diskussionen vielleicht dazu helfen könnten, herauszufinden, welcher Partei wir am 24. September unsere Stimme geben wollen.Hier geht's zur Website.