Freitagabend gegen 21 Uhr. Ich sitze in einer Kneipe und warte auf meinen Freund Marc, als ich auf meinem Smartphone eine Nachricht von ihm entdecke. "Wir sind gleich da", schreibt er mir. Wir. Seitdem er in einer Beziehung ist, hat er seine Freundin Vanessa zu fast jedem unserer Treffen mitgebracht. Ich finde Vanessa sehr sympathisch. Aber befreundet sind wir nicht.

Nicht nur für Marc, sondern für die Mehrheit meiner Freund*innen scheint eine Beziehung mit der Aufgabe der eigenen Individualität einherzugehen. Was früher ich war, ist heute ein Wir. Über jedem Kneipenabend, jeder Geburtstagsparty schwebt ein Plus-Eins. Ob angekündigt oder unangekündigt, der*die Partner*in ist immer dabei. Das Leben zu teilen, wird im wahrsten Sinne des Wortes umgesetzt. Deine Freund*innen sind meine Freund*innen und umgekehrt. Ein Irrtum.

Ich bin kein frustrierter Single

Ich schreibe das nicht als frustrierter Single, wie es Menschen in diesem Kontext gerne vorgeworfen wird. Ich habe selbst seit sechs Jahren eine Freundin, mit der ich viel Zeit verbringe. Doch sowohl meiner Freundin als auch mir ist es wichtig, uns gegenseitig Freiräume zu geben. Trotz glücklicher Beziehung ein Individuum zu bleiben und eigene Freundschaften unabhängig von einem Wir zu pflegen. Wir haben schon viele schöne gemeinsame Abende in großer Runde mit den jeweiligen Partner*innen unser Freund*innen verbracht. Aber bei Treffen in vertrauter Runde ist es für uns beide selbstverständlich, sich zurückzuziehen und den*die andere*n mit den Freund*innen alleine zu lassen. "Man darf sich in einer Partnerschaft nicht als Person aufgeben und sollte deshalb auch Dinge ohne den Partner unternehmen", erklärt Beziehungscoachin Carola Sander. Denn es gibt Situationen, in denen Partner*innen stören.

Eine Freundschaft kann ohne exklusive Momente nicht funktionieren."

So auch an dem besagten Abend, an dem ich mich mit Marc in der Kneipe treffen wollte. Mir ging es an dem Tag nicht gut. Mich plagten Sorgen zu meinem Studium und Zukunftsängste, worüber ich mit Marc in Ruhe sprechen wollte. Aber das funktioniert nicht, wenn neben ihm Vanessa an ihrem Cocktail schlürft. Denn die innige Vertrautheit, die ich mit Marc habe, teile ich mit ihr nicht. Mit ihr rede ich über meinen Urlaub in Montenegro oder meinen nervigen Arbeitskollegen. Aber ihr erzähle ich nicht, wenn mir die Decke auf den Kopf zu fallen droht. Und somit auch nicht Marc, wenn sie neben ihm sitzt. Um solche Konstellationen zu vermeiden, rät Beziehungscoachin Carola Sander, sich gegenseitig Freiräume zu gewähren und den*die Partner*in nicht zu jedem Treffen mitzubringen.

Nachteile für alle Beteiligten

Denn diese Situation wirkt sich irgendwann auch auf die gemeinsame Freundschaft aus. Die regelmäßigen Dreiertreffen führen nicht dazu, dass Vanessa und ich zu besten Freund*innen werden. Stattdessen wird meine Freundschaft zu Marc dadurch zunehmend oberflächlicher. Früher wusste er Bescheid, wenn ich Kummer habe. Jetzt weiß er nur noch, wohin ich dieses Jahr in den Urlaub fahren werde. Persönliches bespreche ich jetzt mit anderen Freund*innen.

Dieses Thema anzusprechen ist schwierig. Bisherige Versuche hinterließen mitunter viel verbrannte Erde. Denn schnell steht der Verdacht im Raum, ich wolle Freundschaft und Beziehung gegeneinander ausspielen oder könne den*die jeweilige*n Partner*in nicht leiden. Doch laut Carola Sander führt an einem Gespräch kein Weg vorbei: "Gute Freunde sollten offen über diese Probleme reden können", erklärt sie, "dabei sollte man als Freund deutlich machen, dass man nichts gegen den Partner hat, sich aber auch Zeit mit der Person alleine wünscht." Denn letztendlich geht es nicht um ein Konkurrenzdenken zwischen Partner*in und Freundschaft.

Natürlich gehören die Partner*innen meiner Freund*innen auch zu meinem Leben. Selbstverständlich sollen sie nicht wie ein Haustier bei jedem Treffen zu Hause bleiben, damit ich Marc und meine anderen Freund*innen für mich alleine habe. Es geht darum, dass eine enge Freundschaft ohne exklusive Momente nicht funktionieren kann. "Andersherum wollen Paare den besten Freund ja auch nicht immer dabei haben", sagt Carola Sander.

Das ist am Ende vor allem eine Frage von persönlichen Prioritäten und der Selbsterkenntnis, dass auch die innigste Beziehung Raum für innige Freundschaften lassen muss. Partner*innen sind wichtig, Freund*innen aber auch. Und eine gute Beziehung hält das ohne Neid und Unbehagen aus. Eine Erkenntnis, die viele leider erst nach dem Ende einer Beziehung realisieren. Doch dann ist es vielleicht schon zu spät.

Außerdem auf ze.tt: Diese Bilder zeigen, wie schön es ist, alleine zu wohnen