"Waaas, du hast noch nie Quinoa-Salat gegessen???" Meine vegetarische Kollegin kippt vom Bürostuhl. Und ich denk mir nur: "Oh. Mein. Gott. Ich bin sowas von out!" Ich habe ein Problem: Ich wohne in Berlin und esse Fleisch. Ich könnte mir ein Leben ohne Salami, Räucherschinken und einem guten Rindersteak nicht vorstellen. Sabber: Rindersteak, nomnomnom.

Das Ding ist nur: viele andere können das schon und tragen das als eine Art moderne Lebensphilosophie vor sich her. Sie sind die Buddhas der Bierschinken-Liebhaber*innen, sie wollen sie immer und immer wieder zur Abkehr von der Wurst überreden.

Aber nicht mit mir! Ich möchte mir mein Teewurst-Brötchen nicht vermiesen lassen, nur weil ich mich "scheinbar nicht mit den Folgen meiner fleischhaltigen Ernährung für meinen Körper auseinandergesetzt habe" – O-Ton der Freundin einer Freundin auf einer Neuköllner WG-Party vor einigen Monaten. Doch, habe ich, und dabei herausgefunden: Fleisch essen ist menschlich. Als hätte ich's geahnt.

Was ist aus der Hausmannskost geworden?

Ohne Fleisch zu essen, hätten wir uns nicht vom Affen zum Menschen entwickelt, unser Gehirn hätte nie die Größe erreicht, die es jetzt hat. Wir brauchen die Eiweiße, Proteine und die flüchtigen Fettsäuren im Fleisch, um uns zu entwickeln. Das sagen die einen. "Alles Quatsch!", rufen die anderen. Man müsse eben nur schauen, was man genau zu sich nehme. Ausreichend Nährstoffe bekomme man auch, wenn man sich nur von nicht-tierhaltigen Produkten ernähre.

Tierschutz, Nachhaltigkeit – finde ich wichtig. Abholzung, Überweidung und Massenzuchtanlagen – finde ich doof. Trotzdem möchte ich mein gutes – und durchaus wohlüberlegt gekauftes – Bio-Rinder-Hack mit Paprika in der Pfanne schmoren. Ohne, dass jemand die Nase rümpft und ich mich dafür rechtfertigen muss.

Versteht mich nicht falsch, ich bin keine Beef-Bitch, die jeden Tag nichts anderes isst als tierische Fette frisch aus der Tiefkühltruhe. Ich mische meine Nahrung gut durch: Mal ein dunkles Brot, viel Käse, Milch, Obst, Gemüse – und eben Wurstiges. Letzteres wird mir madig gemacht, weil es vermeintlich aus dem gesunden Gesamtkonzept fällt. Alles, was mal geblutet hat, ist scheinbar nicht mehr hip. Wo ist sie hin, die gute alte Hausmannskost? Das, worauf sich viele heimlich freuen, wenn Weihnachten ist: Muttis Braten. Und die Bratensoße erst! Das, woran sich viele dann plötzlich überfressen und mit Bauchschmerzen unterm Tannenbaum rumkugeln.

Ich bin mit uriger Kost groß geworden: ein Bratwürtstchen hier, ein Gulasch-Eintopf da. Essen ist für mich Erinnerung, Erfahrung und Lust zugleich. Nicht umsonst sagt man, Liebe geht durch den Magen. Das klingt platt, is(s)t aber so:

Essen ist wie Liebe

Wenn ich etwas esse, mit dem ich schöne Erinnerungen verbinde, werden positive Reaktionen in meinem Körper ausgelöst. Das Belohnungszentrum springt an und Glücksgefühle sprudeln los. Das passiert auch, wenn ich verliebt bin. Was also erst geschieht, wenn ich mit meiner Traumfrau zusammen Steak esse, ich mag es mir gar nicht ausmalen.

Manches essen wir gerne, weil wir damit unbewusst schöne Momente verbinden. Genauso verhält es sich mit Lebensmitteln, die wir meiden, weil wir damit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Der Klassiker: "Ich habe mich nach xyz mal total übergeben, deshalb esse ich es jetzt nicht mehr." Würde ich auch nicht machen, um der Gefahr zu entgehen, dass dasselbe nochmal passiert.

Essen ist manchmal einfach nur purer Sex. Mir tropft bei einigen Gerichten der Zahn. Das tut er wirklich: Ich freue mich unbewusst so sehr auf den Gaumenschmaus, dass mein Körper in freudiger Erwartung gleich schonmal mehr Speichel produziert. Das tut eurer auch, ich bin nicht allein.

Wenn ich jetzt also darauf verzichten würde, ein- bis zweimal die Woche genüsslich Wurst und/oder Fleisch zu essen, würde ich mir selbst die Freude an der Nahrungsaufnahme nehmen. Und womöglich traurig werden. Liebe Veganer*innen, liebe Vegetarier*innen, liebe Flexi-Veggies, die ihr nicht einfach nur esst, sondern euch auf einer Mission befindet: Das könnt ihr doch nicht wirklich wollen. Also hört bitte auf, von mir zu verlangen, mich für den Verzehr von Hack und Co. zu rechtfertigen und lasst uns einfach alle zusammen in Ruhe essen. Guten Appetit!