In Nürnberg versuchten 300 solidarische Menschen die Abschiebung eines 20-jährigen Afghanen zu verhindern. Spoiler: Die Polizei hatte mehr Pfefferspray.

Was, Proteste im beschaulichen Bayern?

An einer Berufsschule in Nürnberg gerieten am Mittwoch Schüler*innen mit der Polizei zusammen. Die Polizei wollte einen 20-jährigen Mitschüler aus Afghanistan aus dem Unterricht abholen und in Gewahrsam nehmen. Der Grund: Seinem Asylantrag wurde nicht stattgegeben, nun stand seine Abschiebung an. Statt dem Geschehen einfach tatenlos zuzusehen, stellten sich die Mitschüler*innen des 20-Jährigen der Polizei in den Weg. Sie setzten sich um den Streifenwagen und blockierten dessen Abfahrt. Gleichzeitig riefen sie auf Facebook und Twitter solidarische Menschen dazu auf, sich dem Protest anzuschließen.

Die protestierende Menge wuchs in den nächsten Stunden auf etwa 300 Menschen an. Die nicht gerade als zimperlich geltende bayerische Polizei beschloss schließlich, den Abtransport des 20-Jährigen durchzusetzen – mit einem massiven Polizeiaufgebot, Pfefferspray und Schlagstöcken. Nach Angaben der Nürnberger Polizei wurden neun Polizist*innen verletzt. Sie sollen mit Flaschen und einem Fahrrad beworfen worden sein. Fünf Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Auf Videos die in den sozialen Medien kursieren, sieht man die tumultartigen Szenen:

Afghanistan, wo war das gleich noch mal?

Die Abschiebung des 20-Jährigen wird nun abermals geprüft. Die Zentrale Ausländerbehörde hat bei der Regierung von Mittelfranken einen Antrag darüber gestellt, dass ein Richter darüber entscheiden soll, ob der Schüler in Abschiebehaft kommt. Sollte die Abschiebung für rechtmäßig erklärt werden, sitzt er vermutlich früher oder später in einem Sammelabschiebeflug in Richtung Kabul.

Abschiebungen in die afghanische Hauptstadt wurden erst am Mittwoch vorübergehend eingestellt. Grund war ein Anschlag im diplomatischen Viertel Kabuls, bei dem 90 Menschen starben und mehr als 450 verletzt wurden (ze.tt berichtete). Bei der Explosion wurde auch die deutsche Botschaft schwer beschädigt – weshalb das deutsche Botschaftspersonal derzeit mit wichtigeren Dingen beschäftigt ist, als sich um die Überführung von Geflüchteten in ihre sogenannten sicheren Herkunftsländer zu kümmern. Sobald die Botschaft ihre Arbeit wieder ordnungsgemäß aufnehmen kann, werden die Abschiebungen nach Afghanistan allerdings weitergehen.

Was sagen die Menschen, die Afghanistan als sicher einstufen?

CDU und CSU halten an Abschiebungen nach Afghanistan fest. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Abschiebungen nach Afghanistan seien immer noch zumutbar. Der Anschlag in Kabul sei zwar schrecklich gewesen, "aber man muss nicht deswegen die Abschiebungen stoppen". Bundesminister des Innern Thomas de Maizière (CDU) hat bereits angekündigt, den abgesagten Abschiebeflug möglichst bald nachzuholen.

Die SPD sitzt zwar momentan mit in der Regierung und trägt demnach eine Mitverantwortung dafür, dass Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Partei ist jedoch zerstritten. Führende Politiker*innen wie die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer fordern einen bundesweiten Abschiebestopp und setzten keine Abschiebungen in ihren Bundesländern durch.

Infolge der Proteste in Nürnberg äußerten sich einige Politiker*innen auch zu den Abschiebepraktiken. So sagte etwa der mittelfränkische SPD-Abgeordnete Horst Arnold dem Bayerischen Rundfunk, dass er nicht verstehe, warum die Festnahme eines 20-jährigen Afghanen, der abgeschoben werden soll, während der Schulzeit durchgeführt wurde. Maßnahmen wie Abschiebungen dürften nicht in die Schulen hineingetragen werden. Ob es dem Abgeordneten besser gefiele, wenn sie still und heimlich nachts aus ihren Wohnungen abgeholt werden, geht nicht aus dem Interview hervor.