Eine Bluse und ein Kleid: Diese zwei Teile liegen fein säuberlich zusammengefaltet in dem Paket, das heute Morgen für mich angekommen ist. Werde ich diese Kleidungsstücke tragen? Mal schauen. Werde ich sie wieder zurückschicken? Ganz sicher. Denn sowohl Oberteil als auch Kleid sind nur geliehen.

Mieten statt kaufen, so kennt man das mittlerweile vom Carsharing oder von Elektronik und Handwerksgeräten. Doch in Sachen Mode hat sich das noch nicht wirklich etabliert. Im Gegenteil: Jede*r Deutsche gönnt sich laut Greenpeace im Jahr etwa 60 neue Kleidungsstücke. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Textilproduktion weltweit verdoppelt. Das belastet nicht nur die Textilarbeiter*innen, sondern auch die Umwelt. Unser Konsumverhalten sorgt für enorme Müllberge, nur geringe Textilmengen lassen sich tatsächlich recyclen.

Das Hamburger Start-up Unown möchte diesem Fast-Fashion-Trend am liebsten ein Ende, vor allem aber erst einmal etwas entgegensetzen. Sie verleihen seit vergangenem Jahr Mode nachhaltiger Marken. "In den Bereichen Ernährung und Mobilität bekommen wir das Thema Nachhaltigkeit doch schon ganz gut hin. Warum fällt uns das bei Mode und Bekleidung noch immer so schwer?",

war die Fragestellung, die Linda Ahrens und ihre Mitgründerin Tina Spießmacher zu der Idee des Leasingservices inspirierte, erzählt Linda. Die beiden kennen sich bereits seit sechs Jahren und haben vorher als Strateginnen in der Digital- und Technologiebranche gearbeitet.

Wir glauben eher an Statement-Teile als an saisonale Trends.
Linda von Unown

Alles soll sich wie ein normaler Onlineeinkauf anfühlen

Die Website von Unown ähnelt auf den ersten Blick einem normalen Onlineshop. Das war den beiden wichtig, damit sich das Shopping-Erlebnis nicht so sehr von einem normalen Onlineeinkauf unterscheidet. Aktuell stehen etwa hundert Kleidungsstücke zum Mieten zur Auswahl, alle von Linda und Tina sorgfältig kuratiert, modern, aber doch relativ zeitlos. "Wir glauben eher an Statementteile als an saisonale Trends. Was du bei uns findest, wird auch in einem halben Jahr noch aktuell sein", erklärt Linda. Die Kund*innen können sich entweder einzelne Kleidungsstücke oder im Abo vier Teile pro Monat ausleihen und so lange behalten, wie sie mögen.

Ein bisschen erinnert das Konzept an das der Kleiderei, bei der man von 2012 bis 2018 online Kleider leihen konnte, und die immer noch einen Laden in Köln hat (Anmerkung: Kleiderei-Mitgründerin Thekla Wilkening hat im vergangenen Jahr mit Stay Awhile ein eigenes Online-Kleider-Mietmodell gestartet, bei dem es neben nachhaltiger Mode auch Teile von kommerziellen Marken wie adidas oder Closed sowie Vintageprodukte gibt.) "Im Unterschied zur Kleiderei haben wir gerade keine Vintage-Sachen. Dafür können wir ein Produkt in mehreren Größen anbieten. Anders wäre das Ausleihen aber auch eher ein Secondhand-Kleiderkreisel-Erlebnis und würde sich nicht anfühlen wie ein Einkauf wie bei Zalando oder About you."

Die Realität ist, dass wir ständig Neues kaufen.
Linda von Unown

Um 75 Prozent soll sich der Fashion-Footprint einer Person laut Unown mit den gemieteten Kleidern reduzieren lassen: "Wenn du least, teilst du ja ein Kleidungsstück mit mindestens drei anderen Leuten. Und jedes Mal, wenn du etwas ausleihst, muss kein neues Kleidungsstück produziert werden." So nachhaltig das klingt, wirkt der Preis für ein Abo mit 70 Euro recht hoch angesetzt. Wer hat so viel Geld im Monat übrig, um sich Kleidung schicken zu lassen, die einem am Ende nicht einmal gehört? Und wer braucht wirklich vier neue Teile im Monat? "Die Realität ist, dass wir ständig Neues kaufen", so Linda. Und: "Nachhaltige Kleidung hat einen bestimmten Preispunkt. Wir können nicht und wir wollen nicht mit Fast-Fashion-Anbietern konkurrieren , die T-Shirts für 4,99 Euro oder 7,99 Euro anbieten." Im Shop kommunizieren sie deshalb auch immer die Originalpreise: 350 Euro für eine Jacke von Embassy of Bricks and Logs mit veganer Daunenfüllung, 180 Euro für einen Cardigan von Maska Emery aus schottischer Lammwolle, in Litauen gestrickt.

Nachhaltigen Modemarken näher kommen

Auch meine beiden Kleidungsstücke würden im Laden um die 150 Euro kosten, so haben sie einen Leasingwert von jeweils etwa 17 Euro. Beide Teile sind aus hundert Prozent Cupro, "gewonnen aus übrig gebliebenen Stoffen der Fast-Fashion-Industrie". Das Kleid probiere ich als erstes an. Leider sehe ich darin absolut nicht elegant aus, sondern eher wie jemand, die auf einen Mittelaltermarkt gehen möchte – schade. Die Bluse sitzt dafür gut und lässt sich schön mit einer weißen Hose kombinieren, die ich bereits besitze. Mit dem Stoff, der doch stark an Viskose erinnert, kann ich mich allerdings nicht hundertprozentig anfreunden. Das klassische Problem, wenn man etwas online bestellt, das man vorher nicht live gesehen hat.

Immerhin muss ich mir keine Gedanken darüber machen, was passiert, wenn ein Knopf abfällt oder eine Naht aufgeht. Das ist mitversichert und gereinigt werden die Klamotten hinterher auch. Aber wie lang überlebt so ein Kleidungsstück? "Wir sind mit der sehr konservativen Annahme gestartet, dass ein Kleidungsstück nur sechs Monate hält. Wir sehen jetzt, dass die Leute sehr achtsam mit den Kleidungsstücken umgehen und wir die Kleidung viel länger am Leben erhalten können", meint Linda. Um genau sagen zu können, wie viel länger, müssten sie aber noch über längere Zeit am Markt sein. Aufgetragene Kleidungsstücke wollen sie später als Secondhand-Teile verkaufen oder – wenn das aufgrund des Zustandes nicht mehr möglich ist – mit Recyclingpartner*innen zu neuen Textilien aufarbeiten.

Der Leasingservice ermöglicht es natürlich auch, neue Dinge auszuprobieren und zu testen und zu schauen, ob man sie wirklich, wirklich haben möchte.
Linda von Unown

Hätte mir eins der zugeschickten Teile richtig gut gefallen, hätte ich es auch behalten und Unown abkaufen könnten. Für mich ist das fast der schönere Gedanken hinter dem Leasingservice: dass nachhaltige Kleidung zugänglicher und uns vertrauter wird. Laut einem aktuellen Report der Unternehmensberatung McKinsey haben sich Online-Suchanfragen nach den Schlagworten "nachhaltige Mode" zwischen 2017 und 2019 verdreifacht. Das zeigt: Das Interesse ist da, doch es fehlt noch an Wissen darüber, wo man sie bekommt. Je besser wir uns in dem Bereich auskennen, desto weniger Fast Fashion kaufen wir bestenfalls und desto mehr verändert sich unser Konsumverhalten generell. Das sieht Linda ähnlich: "Der Leasingservice ermöglicht es natürlich auch, neue Dinge auszuprobieren und zu testen und zu schauen, ob man sie wirklich, wirklich haben möchte."

Tauscht euch direkt unter dem Text mit unserer Autorin Milena über nachhaltige Mode und Sharing Economy aus!