WhatsApp und iMessage machen uns anscheinend alle zu Soziopathen. Das war mein erster Gedanke, als mich ein Artikel des "New York Magazine" über "Benching" aufklärte, das angeblich das neue Ghosting sein soll. Der britische Telegraph spricht vom "Dating-Trend, der Ihr Liebesleben ruinieren könnte" und Teen Vogue warnt: Du bist vielleicht ein Opfer, ohne es zu wissen. Beim Benching gibt es also Opfer und Täter. Das hat mich hellhörig werden lassen.

Benching bedeutet, einem Date mit sporadischen Textnachrichten Hoffnungen zu machen – auf ein weiteres Treffen, näheres Kennenlernen, die große Liebe – ohne die ernsthafte Absicht, die Person je wieder zu sehen. Der- oder diejenige sitzt also auf der Reservebank, ohne jemals zum Einsatz zu kommen. Daher stammt der Begriff.

Warum benchen wir?

Ohne Zweifel ist Benching nicht die feine Art, mit anderen umzugehen. Respekt geht anders. Doch: Haben wir das nicht alle schon mal gemacht? Empirische Studien in meinem Bekanntenkreis belegen: Ja, haben wir. Ich frage, meine Freunde, warum sie ein Date anschließend hinhalten, ohne sie ernsthaft wiedertreffen zu wollen.

Eine Freundin erzählt mir, weshalb sie neulich diesen Typen gebencht hat, mit dem sie ein Bier trinken war. Ihren ersten Grund kann ich ehrlich gesagt nachvollziehen. Er hat mit ihrem Ego zu tun. Von jemandem begehrt zu werden, von dem man nicht ganz abgeneigt ist, gibt einen gewissen Kick. Sie hat sich den Mann also warm gehalten, weil sie immer mal wieder mäßiges Interesse an ihm hatte. Was vor allem an der Aufmerksamkeit lag, die er ihr schenkte die Balsam für ihr Selbstbewusstsein war.

Der zweite Grund meiner Freundin war, dass sie es nicht übers Herz brachte, ihn vollends abzuweisen. Damit ist sie nach meinen Erfahrungen nicht allein. Viele Frauen benchen Männer, weil sie sich schwer damit tun, jemandem ihr immenses Desinteresse zu beichten. Auch wenn ihnen der Mann mittlerweile mächtig auf die Nerven fällt und seine Avancen schon lange nicht mehr schmeichelhaft, sondern anstrengend sind.

Benching ist einfacher als ein Korb

"Ich kann nicht Nein sagen und will nicht unhöflich sein", gibt meine Freundin zu. Das erinnert mich an eine Szene aus der TV-Serie "The Unbreakable Kimmy Schmidt". Kimmy Schmidt war jahrelang mit ein paar anderen Frauen von einem Verrückten in einem Bunker festgehalten worden. Nach ihrer Befreiung erscheinen sie in Matt Lauers "Today"-Show. Eine von ihnen erzählt, wie ihr Peiniger sie gefangen hat, indem er ihr aus seinem Auto heraus anbot, seine Baby-Kaninchen anzusehen. Die Frau erklärt, sie habe nicht unhöflich sein wollen und sei eingestiegen, woraufhin Lauer sagt: "Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was Frauen tun, weil sie Angst haben, unhöflich zu sein." Das sehe ich genauso.

Obwohl sie sich dazu hat hinreißen lassen, dem Typen Hoffnungen zu machen, findet meine Freundin Benching definitiv schlimmer als Ghosting. Dieses "Dating-Phänomen" hat vor einiger Zeit so hohe Wellen im Netz geschlagen, dass sich auch die "New York Times" mehrfach damit befasste. Ghosting bedeutet, sich regelmäßig mit jemandem zu treffen und intensiven Kontakt zu haben, nur um dann plötzlich sang- und klanglos aus dem Leben der Person zu verschwinden. Das verlangt schon eine gewisse Gefühlskälte.

Immerhin ist einem als Betroffene*r des Ghostings schnell klar, was Sache ist. Keine Antwort ist schließlich (irgendwann) auch eine Antwort. Ich denke jedoch, dass das Zermürbende am Ghosting vor allem die vielen Fragen sind, die für immer unbeantwortet bleiben: Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht? Warum dieser Mangel an Respekt? Ghosting ist demütigend und man kann nichts dagegen tun.

Benching, obwohl auch unverschämt, ist allemal nicht so schlimm wie jemanden einfach zu ignorieren. Denn wer gebencht wird, kann reagieren. Nach wiederholten Absagen und wenig Bemühungen seitens der begehrten Person ist irgendwan klar, dass die Kiste nirgends hinfährt. Wenn auf jede Verabredung eine Absage folgt oder Treffen für irgendwann in der Zukunft angekündigt werden, bedeutet das aller Wahrscheinlichkeit nach eines: nämlich den dauerhaften Sitz auf der Reservebank. Es liegt an einem selbst, wie lange man sich so hinhalten lässt.

Eine andere Freundin von mir ist übrigens ein großer Fan des Ghostings, sagt sie. "Ich ghoste Leute, die mich benchen."