Ach, ich erinnere mich noch lebhaft an dieses eine Gespräch. Ich versuchte einem Bekannten zu erklären, warum Frauen leider oft nicht die gleichen Chancen wie Männer hätten. "Stimmt nicht, ihr habt bloß andere. Ich würde mich zum Beispiel freuen, wenn ich meine Ziele im Job mal mit einem Lächeln und einem Augenaufschlag erreichen könnte", sagte er und wollte nicht begreifen, dass das Teil des Problems ist.

Ich kenne nämlich genug Geschichten von Frauen, die sich zum Beispiel freuen würden, wenn man ihnen im Job mal wirklich zuhören würde. Ohne Lächeln und Augenaufschlag. Einfach so, basierend auf ihrer Erfahrung und Kompetenz. Von gleicher Bezahlung für die gleiche Arbeit mal abgesehen.

Und das ist ein globales Problem. Plan International hat für den Taking the Lead-Report 10.000 Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren auf der ganzen Welt zum Thema Führungsrollen und -perspektiven befragt. 94 Prozent denken, dass Leaderinnen im Vergleich zu ihren männlichen Gegenparts unfair behandelt werden und 93 Prozent gehen sogar davon aus, als Frau in einer Führungsposition körperlich belästigt zu werden. Zahlen, die betroffen machen.

Es liegt nicht an den Mädchen

Dabei wollen junge Frauen durchaus Verantwortung übernehmen – egal, ob im Job, in ihren unmittelbaren sozialen Umfeldern oder in der Politik.

"Fast zwei Drittel der interviewten Mädchen und Frauen haben uns gesagt, dass sie Vertrauen in ihre Führungsfähigkeiten haben; drei Viertel wollen auch aktiv Führungsrollen in ihren Karrieren, Communitys oder Ländern anstreben", sagt Anne Brigitte Albrectsen von Plan International laut Pressemitteilung zum Taking the Lead-Report. "Sie sind sich dabei aber nur allzu bewusst, was ihnen im Weg steht. 'Der herausragende Nagel wird herunter gehämmert' war die trostlose Einschätzung eines Mädchens aus Japan."

Mädchen sind weniger wert?

Diese Annahmen sind das Ergebnis von Erfahrungen, die Frauen in vielen Ländern der Welt in ihrem Alltag machen. So dürfen Mädchen laut eines früheren Reports von Plan International vielerorts zum Beispiel nicht mal über ihr eigenes Leben mitentscheiden. Unter anderem darüber, wann sie die Schule verlassen oder heiraten. Sie seien demnach auch im öffentlichen Raum so gut wie unsichtbar, werden weder gehört noch beachtet.

Die Wurzel dessen liege in den Familien und unmittelbaren sozialen Umfeldern. "Dort wird Macht fast ausschließlich von Männern ausgeübt, was die Geschlechterstereotype am Leben erhält", heißt es in dem Bericht von 2017. Und weiter: "Es ist ziemlich eindeutig, dass Mädchen noch immer weniger wert sind als Jungs und sich größtenteils auch selbst so einschätzen."

Diese Verinnerlichung hat Folgen. "Wenn sie älter werden, fangen Mädchen an, sich zurückzunehmen – sie wissen, dass Leaderinnen es schwer haben, weil es ihnen an weiblichen Vorbildern mangelt und wegen eines tief verwurzelten Sexismus", so Anne Brigitte Albrectsen.

Von motiviert zu resigniert – wie viel unglaubliches Potenzial geht der Menschheit verloren, wenn  junge Mädchen ignoriert, kontrolliert, ausgenutzt und ausgegrenzt werden und das im Laufe ihres Lebens immer als gegeben hinnehmen?

Vollversagen bei Gleichberechtigung

Von jetzt auf gleich wird sich daran aber leider nichts ändern: Kein einziges Land der Welt wird laut des UN Sustainable Development Goals Gender Index bis 2030 die angestrebte Geschlechtergerechtigkeit erreichen.

Demnach leben über 1,4 Milliarden Mädchen und Frauen in Ländern, die in Sachen Gleichberechtigung komplett versagen; und noch mal so viele in Ländern, die das Thema nicht wirklich verstanden haben. Dabei hatten sich 2015 immerhin 193 Staaten unter anderem genau darauf geeinigt.

Doch bisher kommt nur Dänemark ansatzweise in die Nähe der gesteckten Ziele; Deutschland gehört zusammen mit Finnland, Schweden, Norwegen, Kanada, Irland, Australien, Slowenien und den Niederlanden zu den Top 10.

Auch Männer profitieren

Dabei täte mehr Gleichberechtigung allen Menschen gut, Männern und Frauen gleichermaßen. "Länder, die von Frauen geführt werden und die eine größere Gleichberechtigung aufweisen, sind wirtschaftlich erfolgreicher, die Regierungen weniger korrupt und die Gesellschaften genießen eine höhere Lebensqualität", so Anne Brigitte Albrectsen.

Ähnliches geht auch aus einem McKinsey-Bericht von 2015 hervor: Die Welt verzichtet auf 12 bis 28 Billionen Dollar Wirtschaftswachstum, weil Frauen nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen können.

Was können wir tun?

Es gibt laut Plan International ein paar Lösungsansätze, um die Situation von Mädchen und jungen Frauen weltweit zu verbessern, für mehr Gleichberechtigung und mehr Frauen in Führungsrollen zu sorgen.

Zum einen seien Regierungen gefragt, zum Beispiel mit stärkerem Engagement gegen Gewalt gegen Frauen. Zum anderen sei es entscheidend, dass Frauen in der Öffentlichkeit in einflussreichen Rollen sichtbar würden; ohne starke Vorbilder und Verbündete gehe es nicht.

Nicht zuletzt sei die Zivilgesellschaft jeden Tag gefordert – Vorgesetzte, Kolleg*innen, Eltern, Entscheider*innen in den Communitys sowie Jungs und Mädchen selbst sollten sich kritisch mit Geschlechterdiskriminierung auseinandersetzen.

Denn es ist schließlich mitnichten so, dass Menschen etwas verlieren, wenn Frauen mehr Unterstützung, Führungspositionen und Rechte gewinnen und mehr Mädchen an die Macht kommen. Im Gegenteil.