Manchmal merken wir es nicht sofort. Da rasseln wir auf einer Party oder beim Gassigehen ineinander, und denken: Geil! Will ich! Dann gehen wir ein paarmal miteinander essen oder einmal in die Kiste, um schließlich festzustellen: Dieser Mensch, der ist es doch irgendwie nicht. Riecht nicht so besonders, wählt die falsche Partei oder die falschen Unterhosen. Die Erkenntnis ist an sich kein Drama, es kann ja nicht jede*r zu jeder*m passen. Was hingegen ein Drama ist, ist das, was in vielen Fällen auf diese Erkenntnis folgt. Nämlich nichts.

Eine Abfuhr erteilen ist nämlich fast so unangenehm, wie eine zu kassieren. Und weil wir das ganz genau wissen, drücken wir uns darum. Wer tut schon freiwillig so etwas Gemeines, wie jemandem zu sagen, dass man ihn*sie doch nicht so toll findet, wie man anfangs dachte? Also lassen wir das Ganze am Liebsten unauffällig auslaufen – melden uns weniger und mit unverbindlicheren Aussagen, haben plötzlich irre viel auf der Arbeit oder in der Uni zu tun oder gar einen Todesfall in der Familie. Und die besonders Verdrängungsfreudigen unter uns schreiben einfach nicht mehr zurück und hoffen, dass sich das alles schon irgendwie von allein erledigen wird. Was es ja auch tut, früher oder später. Denn irgendwann wird auch dem*r tumbesten Verliebten klar, dass hier nichts mehr zu holen ist, und der*diejenige stellt seine*ihre Kontaktversuche ein.

Wenn's nicht läuft, hilft nur Ehrlichkeit

Für viele von uns funktioniert dieses System. An der Oberfläche jedenfalls. Darunter mäandert eine klebrige Brühe aus uneingelösten Versprechen, aus Ausflüchten und Lügen, und diese Brühe macht uns unfrei. Denn sie verschwindet nicht so einfach mit den aussortierten Flirts, sondern bleibt uns als unangenehmer Nachgeschmack erhalten, und sei es nur im Untergrund. Wenn wir frei von ihm sein wollen, dann müssen wir damit aufhören, uns in Halbwahrheiten zu flüchten oder in die große Stille. Dann hilft nur Ehrlichkeit.

Die meisten von uns sind es nicht gewöhnt, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Dabei wäre damit tatsächlich beiden Seiten geholfen – auch wenn es auf den ersten Blick nach dem Gegenteil aussehen mag. Klar, wenn uns jemand eine offene Abfuhr erteilt, dann trifft uns das oft bis ins Mark. Wir fühlen uns infrage gestellt, wollen weinen oder ein Auto anzünden (je nach Temperament). Das auszuhalten ist schon für uns selbst schwer, für unser Gegenüber ist es das erst recht. Schließlich lernt kaum jemand von uns, Emotionen zu artikulieren oder offen mit Konflikten umzugehen. Lieber drücken wir sie schnell weg.

Ein ehrlicher Korb hilft uns, endlich weiterzuziehen

Dabei ist Ehrlichkeit das größtmögliche Geschenk, das wir uns gegenseitig machen können. Jede*r von uns hat verdient zu wissen, woran er*sie ist. Klar, wenn jemand zu uns geradeaus sagt: "Tut mir leid, aus uns beiden wird nichts", dann mag das im ersten Moment weh tun. Im zweiten, aber maximal im dritten können wir ein paar Steine der Erleichterung darauf lassen. Denn wir werden nicht wochenlang unseren Schädel darüber zermatern, ob er*sie nach unserem letzten Date ausgeraubt und erschlagen worden ist. Ob die Story über den*die Ex doch eine Nummer zu intim war. Oder ob er*sie schlicht ein unzuverlässiger Sack ist, dem*r man zu allem Überfluss nicht mal ein paar aufrichtige Wort wert ist.

Notfalls geht das natürlich auch über Messenger."

Wie auch immer die Gedankenkette aussieht, sie geht nicht gut aus für den*die Flüchtige*n: Auch hier bleibt im Normalfall nur klebrige Suppe zurück. Bekommen wir hingegen die Wahrheit vorgesetzt, können wir einfach weiterziehen. Denn früher oder später müssen wir das ja sowieso. Und je eher der Reality-Check gemacht ist, desto mehr Lebenszeit bleibt uns für lohnendere Abenteuer.

Und das Beste daran: Wenn wir der zurückweisende Part sind, werden wir nicht mal in schlechter Erinnerung bleiben. Vorausgesetzt, wir schaffen es, den*die andere in seinem*ihrem Schmerz-Moment nicht alleine zu lassen. Nicht auf Nimmerwiedersehen abzuhauen, nachdem das Geschäftliche geregelt ist, sondern dazubleiben und zuzuhören. Vielleicht sogar, sich ein paar Beschimpfungen à la "du berechnendes Stück" oder "Arschloch" zu geben oder nach Taschentüchern zu kramen. Zu signalisieren, dass unser Gegenüber trotzdem eine wertvolle Begegnung für uns war. Notfalls geht das alles natürlich auch über Messenger. Wenn der*die Abgeschossene aber nicht gerade in der übernächsten Kreisstadt beheimatet und ohne Moped unerreichbar ist, sollten wir die nötigen Worte schon Face-to-Face finden. So viel Wertschätzung können uns unsere Flirts schon wert sein. Und wir ihnen.

Und am Ende trinken wir vielleicht noch zusammen ein Bier auf eine lichtere Zukunft.