Ich kann euch nicht sagen, warum ihr noch Single seid oder wie eure Beziehung endlich funktionieren kann. Aber ich habe mich auf die Suche nach Paaren gemacht, die es hinkriegen – oder zumindest versuchen. Auslöser meiner Recherche waren kritische Leser*innenkommentare unter unseren Texten über offene Beziehungen, Liebe zu dritt oder das Singledasein. Manche wünschten sich Texte über funktionierende (und traditionelle Mann-Frau-)Beziehungen.

Also habe ich einen Aufruf gestartet, an junge Menschen, die von ihrer Beziehung erzählen wollen. Es haben sich ausschließlich Frauen zurückgemeldet, die meisten per Mail. Henrike und Elisa haben mir übers Telefon einen Einblick in ihre Beziehungen gegeben. Sie wollen beweisen, dass "beziehungsfähig" ein Modewort für unsere Generation ist – und dass es geht. Henrike und ihr Freund wollen bald heiraten; Elisa und ihr Freund wollen eher den "Traum der hippen Stadtwohnung ausleben".

Ich habe sie befragt, wie sie ihre Partner kennengelernt haben und warum sie seit Jahren mit ihnen zusammen und glücklich sind. Trotz Zweifel und Krisen. Das haben ihre Geschichten gemein:

Erkenntnis 1: Ohne Kommunikation geht nix

Ausnahmslos jede Frau nannte Kommunikation als den Schlüssel, warum ihre Beziehungen funktionieren. Henrike, 26, ist seit acht Jahren mit ihrem Freund zusammen. In ihrem Freundeskreis gebe es fast ausschließlich Langzeitpärchen. Beide sind in behüteten Familien aufgewachsen, die Eltern seit Jahren verheiratet. Von ihnen haben sie gelernt, dass Liebe neben viel Arbeit vor allem ein respektvolles und offenes Miteinander braucht. "Der Partner ist kein Hellseher und kann einem die Wünsche nicht von den Augen ablesen", sagt sie.

Mit ihrem Freund könne sie über alles reden und auch diskutieren – doch das musste sie lernen. "Wenn ich mich mit meinem Ex gestritten hab, hab ich mich immer entschuldigt. Weil ich Harmonie wollte. Aber das war nicht die Lösung", sagt sie. Die Fähigkeit, sich mitzuteilen, habe sie auch durch ihren jetzigen Freund bekommen, der Erzieher ist. Henrike sei sehr mitteilungsbedürftig, ihr Freund eher ruhig und emphatisch. "Wenn wir uns streiten, ist es mehr eine Diskussion. Wir bleiben im Raum, setzen uns hin und reden miteinander. Wir unterbrechen uns nicht, machen keine Vorwürfe."

"Der Partner ist kein Hellseher und kann einem die Wünsche nicht von den Augen ablesen."

Damit es aber überhaupt funktioniert, muss Interesse und Offenheit da sein. "Man muss den Anderen nicht immer vollends verstehen, manchmal ist das nicht möglich. Man sollte es aber versuchen", sagt sie.

Auch für Elisa, 26, erzeugt Kommunikation Nähe zu ihrem Freund. Seit zwei Jahren ist sie glücklich mit ihm zusammen. "Unsere Gespräche waren immer sehr tief und wir haben eine Art zu reden, die unmissverständlich ist", sagt sie. Das liege aber auch daran, dass beide sehr gerade aus seien. "Wenn es ein Problem gibt, sprechen wir sofort drüber. Es kann nichts Großes draus werden, weil wir alles gleich ansprechen", sagt sie. Keine Zeit für (falsche) Annahmen oder Unsicherheiten.

Erkenntnis 2: Sich selbst und die eigenen Muster kennen

Um die Gefühle und Gedanken kommunizieren zu können, muss man sie aber erstmal kennen. Elisa hat dies durch eine Therapie gelernt. Ihre Eltern seien Kinder der Nachkriegsgeneration, sagt sie. Der Vater sei rational. Ihre Mutter sei unter einer depressiven Mutter aufgewachsen und selbst depressiv geworden. Um ihre Eltern nicht zu belasten, wurde sie zum artigen Kind, das es allen recht machte. Durch die Beziehung zu ihren Eltern habe sie ein falsches Bild von Liebe erlernt, sagt sie. "Ich habe suggeriert bekommen, dass ich Dinge erfüllen muss, damit ich geliebt werde. Und: Wenn ich meine Aufgaben nicht mache, bekomme ich Liebesentzug."

Lange habe sie sich Männer gesucht, die dieses Muster bestätigten. Bei ihrem Ex-Freund merkt Elisa irgendwann: Das ist die Steigerung der Beziehung zu ihrer Mutter. Ihren Ex bezeichnet sie als verlorenen, selbstzerstörerischen Mann, den sie zu retten versuchte. Leidenschaft war da, aber auch viel Leid. Durch die Therapie nach der Trennung erkannte sie ihre Muster – und lernte, Liebe neu zu definieren. 

Sie reflektiert nun ihre Gefühle regelmäßig. Das hilft ihr, sie in ihrer neuen Beziehung zu formulieren. "Ich versuche jetzt klare Aussagen zu treffen. Zu sagen, was mich stört – und dazu zu stehen." Auch ihr Freund bringe natürlich Erfahrungen und Verletzungen aus der alten Beziehung mit. Aber er habe für sich selbst "einen Weg gefunden, mit seinem Päckchen umzugehen", sagt Elisa.

Erkenntnis 3: Die Unzulänglichkeiten des Gegenüber ausgleichen

Nicht jeder Mensch schafft es, ohne Hilfe die eigenen Muster zu erkennen. Manche haben unproblematische; andere erkunden ihre erst, wenn der Leidensdruck zu groß wird. Nicht jede*r muss gleich eine Therapie beginnen und in manchen Fällen schaffen es emphatische Partner*innen, die eigenen Unzulänglichkeiten – die jeder Mensch mitbringt – auszugleichen.

Nach der Trennung von ihrem Freund fühlte sich Elisa ausgesaugt. Sie "tobte" sich einen Sommer lang aus. Daniel, ihr jetziger Freund, erzählte einer Freundin, dass er Interesse an Elisa hat. Diese verriet ihr davon. "Wir kannten uns lange und haben uns gut verstanden, aber mir kam nie der Gedanke, dass das Beziehungspotential hat", sagt sie. Sie brauchte Zeit, um Vertrauen zu fassen – und Daniel glich ihre Zurückhaltung aus, indem er präsent, aber unaufdringlich blieb. "Er hat sich bei Freundinnen informiert, wo ich bin und ist dann zufällig auch da aufgetaucht." Dadurch hatte Elisa Zeit, Vertrauen wachsen zu lassen.

Es dauerte allerdings, bis die Zweifel verschwanden: "Lange habe ich versucht, Dinge zu manipulieren, weil ich mich bestätigt fühlen wollte, dass ich mich nicht auf ihn verlassen kann – wie bei den anderen." Das alte Muster, andere retten zu müssen, kommt immer noch durch, sagt sie, aber ihr Freund "merkt das sofort und sagt dann: 'Du brauchst das nicht machen'".

Auch die anderen Frauen erzählten, wie ihre Partner ausglichen, was sie mitbrachten. Christina, seit 12 Jahren mit ihrem Freund zusammen, schrieb per Mail: "Wir sind durchaus unterschiedlich. Ich bin die Laute und Impulsive, er ist der Ruhige und Souveräne. Er ist mein Ruhepol, ich sein Antrieb." Bei Henrike und ihrem Freund ist es ähnlich: "Er ist ruhig, ich rede viel. Ich helfe ihm organisatorisch, erinnere ihn an Dinge. Er ist auch gern für mich da, aber eher auf der kommunikativen Ebene."

Erkenntnis 4: Weg mit den romantischen Illusionen

Die eigenen Unzulänglichkeiten – und die des Partners – zu akzeptieren, hilft auch, romantische Erwartungen an eine Beziehung zu verabschieden. "Ich bin total verliebt, habe aber keine rosa Brille auf. Das heißt: Ich rede mir nichts schön. Ich kenne seine Macken, aber es ist okay", sagt Henrike. Ihren Freund hat sie in der elften Klasse kennengelernt. Zwei Jahre waren sie beste Freunde, dann habe er sie "auf Händen getragen und Komplimente gemacht" – aber sie habe auch einfach Glück gehabt, einen Partner zu treffen, der zu ihr passt, sagt sie.

"Ich hab mich entschieden. Das macht es mir leichter, mit dem zu arbeiten, was ich habe."

Dass es nicht nur den Einen gibt, sei dabei total klar. Es habe durchaus Phasen gegeben, in denen sich eine*r in eine andere Person "verguckt" hätte. "Aber Urvertrauen und insbesondere Ehrlichkeit hilft uns immer, wieder zueinander zu finden." Sie habe sich einfach für ihn entschieden.

Ähnlich geht es Elisa. Sie könne sogar verstehen, dass sich Viele nicht festlegen könnten, weil "wir den totalen Überfluss haben". Aber sie habe das Gefühl, dass "Liebe zu einem Konsumgut geworden ist, das man wegwirft, wenn man etwas Besseres findet". Die vielen alternativen Beziehungsmodelle sind für sie nur der Versuch, diesem Entscheidungszwang zu entkommen. "Mir ist klar, dass ich jemanden kennenlernen kann, der mehr zu mir passt, aber ich hab mich entschieden. Das macht es mir leichter, mit dem zu arbeiten, was ich habe."

Erkenntnis 5: Lachen hilft

Bei allem Reflektieren, Mitteilen und Aufeinanderzugehen: Menschen sind so voller Fehler und Unzulänglichkeiten, dass wahrscheinlich nur Humor davor bewahrt, nicht in den Wahnsinn getrieben zu werden. "Wenn ich im Zickenmodus bin, lässt mein Freund das gar nicht an sich ran. Er wird dann oft zum Komiker und bringt mich zu lachen", sagt Henrike. Generell haben sie viel Spaß miteinander, sagt sie.

Auch Elisa liebt es, mit ihrem Freund für einen Moment den Alltag zu vergessen: "Zu Hause haben wir unsere kleine Welt, in der wir albern und spielerisch sein können, wie kleine Kinder. Ich muss mich nicht schämen, wenn ich eine teeny-verliebte Phase habe. Ich muss keine Rolle einnehmen oder Regeln beachten."

Habt ihr etwas (konstruktives) zu diesem Text beizutragen? Schreibt mir gern per Mail.