Body Positivity ist längst mehr als ein Trend oder eine Modeerscheinung: Die Bewegung rüttelt wach, hinterfragt gesellschaftliche Normen und möchte für ein besseres, ein positiveres Bild vom und Verhältnis zum eigenen Körper sorgen. Und das finde ich grundsätzlich sehr gut, längst überfällig und begrüßenswert. Denn kein Mensch auf dieser Welt sollte für sein Aussehen in irgendeiner Weise ausgelacht, beleidigt, herabgesetzt, diskriminiert oder (tätlich) angegriffen werden. Das ist für mich common sense, aber ich lebe nun mal auch in meiner kleinen Berliner Bubble.

In Werbespots erklären mir muskulöse Typen, dass auch ich es schaffen kann, endlich meinen Traumkörper zu bekommen. Meinen Traumkörper? Meint er nicht eher den Traumkörper, den die Gesellschaft zum Ideal gemacht hat? Den Traumkörper, den Werbung und Medien wieder und wieder reproduzieren und somit in unsere Köpfe einstanzen? Wir bewerten zuerst die Oberfläche. Was sich darunter befindet, spielt beim ersten Eindruck nun mal oft keine Rolle – da kann auch ich mich nicht von frei machen. Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir über Body Positivity sprechen, dass wir Körperbilder thematisieren, dass wir uns für Vielfalt und Diversität stark machen. Trotzdem muss ich zugeben, dass mich das alles irgendwie überfordert.

Mehr Selbstliebe – aber wie?

Auf Instagram, auf Facebook, in Gesprächen, die in meiner kleinen Bubble stattfinden, heißt es immer wieder: "Jeder Körper ist schön!", "Liebe dich so wie du bist!", "Steh zu dir und deinem Körper!", "So wie du bist, bist du genau richtig!" oder "Mehr Selbstliebe!" und ich weiß, dass es empowernd, aufmunternd, bestärkend gemeint ist und Mut machen soll. Ich finde es toll, dass auf Instagram immer mehr Accounts existieren, die sich explizit mit diversen Körperbildern auseinandersetzen und diese sichtbar machen. Ich finde es sogar toll, dass Body Positivity mittlerweile sogar von der Werbeindustrie entdeckt wurde. Denn auch wenn das eine andere Form des Green Washings ist, sorgt es dennoch dafür, dass unterschiedliche Körper in TV-Spots, auf Plakaten und in Anzeigen stattfinden. Doch ich weiß dadurch leider immer noch nicht, wie das eigentlich geht. Ich verstehe dadurch nicht, wie ich mich selbst jetzt so mir nichts dir nichts mehr lieben soll, wie ich meinen eigenen Körper mit vermeintlichen Makeln plötzlich abfeiern soll.

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Schließlich legen wir uns meist selbst die größten Steine in den Weg, sind selbst unsere härtesten Kritiker*innen und konzentrieren uns häufig stärker auf die Dinge, die wir nicht an uns mögen, anstatt auf die Eigenschaften und Merkmale, die uns ganz gut gefallen, die wir an uns schätzen. Doch plötzlich soll ich mich vor den Spiegel stellen und sagen können, dass ich das, was mir da entgegen blickt, auf einmal genau so annehmen kann, wie es ist? Ich soll all die Selbstzweifel, die ich ohne Frage Tag für Tag mit mir herumschleppe, über Bord werfen? Versteht mich nicht falsch: Das wäre wunderbar. Ich würde liebendgern im Freibad sitzen und mir keine Gedanken über meinen Körper machen. Ich würde liebendgern durch meinen Instagram-Feed scrollen und mich dabei nicht immer wieder ertappen, wie ich mich mit anderen Menschen vergleiche – wohlwissend, dass das, was mir dort gezeigt wird, auch nur einen kleinen, punktuellen Einblick in das Leben anderer Menschen gibt. Ich würde mich liebendgern nur noch von Manner-Waffeln und Eiscreme ernähren, ohne mich danach irgendwie schlecht zu fühlen – und ich spreche hier nicht von Lebensmittelunverträglichkeiten. Dabei weiß ich genau, wie schwachsinnig und unangebracht es ist, ein schlechtes Gewissen wegen so was zu haben.

Das schlechte Gewissen

Und schon fühle ich mich schlecht, habe ein schlechtes Gewissen, weil es mir irgendwie nicht so richtig gelingen will, all diese positiven Sprüche nicht nur zu hören, sondern sie auch in die Tat umzusetzen: Ich fühle mich unter Druck gesetzt, jetzt doch bitte endlich meinen eigenen Körper so zu mögen, wie er ist. Schließlich bin ich ja absolut für Body Positivity und würde zum Beispiel jedem Menschen, der Freund*innen einen blöden Spruch bezüglich ihrer Körper reindrückt, sofort links und rechts eine klatschen. Bei anderen fällt mir das überhaupt nicht schwer! Wie oft habe ich Freund*innen schon gesagt, wie schön, wie stark ich sie finde und dass sie genauso sind, wie sie sein sollten. Und das meinte ich jedes Mal wirklich aufrichtig.

Nur bei mir selbst, da klappt das nicht so richtig gut. Und aus zahlreichen Gesprächen und Diskussionen mit eben diesen Freund*innen und Bekannten weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Auch sie sind überfordert, zweifeln an und hadern mit sich, mit ihrem Aussehen, ihren Körpern. Denn wir alle wissen nicht so recht, wie wir unseren Körper denn jetzt eigentlich genauso lieben sollen, wie er ist. Was wir tun müssen, um vermeintliche Makel nicht mehr als solche zu sehen, sondern vielmehr als etwas, das uns besonders, einzigartig macht – oder zumindest als etwas, das egal ist. Rational wissen wir zwar, dass alle Körper schön sind - und "schön" ist in diesem Zusammenhang sowieso ein schwieriger Begriff, denn was genau ist denn eigentlich schön? –, doch emotional hilft das Wissen meist nicht wirklich weiter. Mittlerweile machen schon Begriffe wie Body Neutrality die Runde, es wird darüber gesprochen, dass wir unsere Körper gar nicht unbedingt abfeiern müssen, sondern es schon reicht, sie okay zu finden.

Eine Bedienungsanleitung wäre super

Wie funktioniert Body Positivity also? Was kann ich, was können wir tun, um nicht nur "Selbstliebe!" zu rufen, sondern auch tatsächlich zu leben? Gibt es da Übungen, bei denen ich mir nicht lächerlich vorkomme? Kann jemand vielleichte eine Bedienungsanleitung schreiben – "Selbstliebe for Dummies" oder so? Ich bin für Tipps und Anregungen offen.

Wie macht ihr das? Wie lebt ihr Body Positivity? Habt ihr Tipps, Tricks, Ratschläge? Dann schreibt sie unserem Autor an ole.siebrecht@ze.tt