Spätestens seit Juni 2016 schwirrt der Begriff Brexit wie ein böser Geist umher. Damals hatten die Brit*innen bei einem Referendum mit einer knappen Mehrheit (51,89 Prozent) für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) gestimmt. Seitdem wird zwischen Großbritannien unter Führung der Premierministerin Theresa May und der EU verhandelt. Denn die britische Regierung verkündete, dass der Brexit (Brexit= British Exit)  bereits am 29. März 2019 um 23 Uhr rechtskräftig werden soll. Spätestens seit Dienstag sieht es jedoch nicht so aus, als würde es für alle Beteiligten ein Happy End geben.

Was ist passiert?

Das britische Unterhaus hat den aktuellen Brexit-Deal, den Premierministerin Theresa May seit dem Referendum mit der EU ausgehandelt hat, abgelehnt. 432 Abgeordnete stimmten gegen den Austrittsvertrag, 202 dafür. Der Vertrag in seiner jetzigen Form sieht unter anderem vor, dass es zwischen Irland als Teil der Europäischen Union und Nordirland, das gemeinsam mit Großbritannien aus der EU austreten würde, keine Grenzkontrollen geben soll. Die Kritiker*innen befürchten, dass Nordirland so zu einer Art Sonderwirtschaftszone werden, und Großbritannien weiterhin von EU-Regelungen abhängig bleiben könnte.

Misstrauensvotum gegen Theresa May

Die Niederlage ist besonders bitter für Premierministerin Theresa May, die seit Juli 2016 nicht nur die Conservative Party, sondern auch die Regierung leitet. An einen Rücktritt

denke sie nicht, ließ sie am Dienstag nach der Abstimmung zunächst verkünden. Doch nun muss sie sich einem Misstrauensvotum im Unterhaus stellen, das die oppositionelle Labour-Partei angestoßen hat. Wann, ist noch nicht klar. Ihr Vorgänger und Parteikollege David Cameron war aufgrund des Ergebnisses des Brexit-Votums, das er ablehnte, zurückgetreten. Dabei hatte er das Votum erst initiiert, um gegen EU-Gegner*innen mit einem erhofften positiven Ergebnis seine Machtstellung in der Partei zu stärken. Nach seinem Rücktritt wurde die Hoffnung auf May gesetzt, die das Land mit größtmöglichen Vorteilen aus der EU führen sollte. Das Misstrauensvotum könnte sie nun das Amt kosten.

Parteiintern und -extern wird May für den Austrittsvertrag, der für Großbritannien ihrer Auffassung nach nicht genügend Vorteile bringt, kritisiert. Brexit-Gegner*innen bemängeln aber auch die fehlende Transparenz Mays bei den Verhandlungen. Und, dass sie den Brit*innen nicht deutlich genug gemacht habe, dass Sonderregelungen im Bereich Zoll, Wirtschaft und Sicherheit auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU wichtig für beide Seiten seien. Die Journalistin Bettina Schulz schreibt dazu etwa auf ZEIT ONLINE: "Eine Aufklärungskampagne, warum die EU für Großbritannien wichtig ist, fand aus Angst vor den Europa-Gegnerinnen und -Gegnern nicht statt."

Wie geht es weiter?

Sollte Theresa May die kommende Abstimmung, bei der eine Mehrheit der Unterhaus-Abgeordneten ihr als Premierministerin das Vertrauen aussprechen muss, nicht überstehen, könnte es am Ende in Großbritannien Neuwahlen geben. Davor hätte May die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen eine neue Regierungsmehrheit zu finden, was aber schwierig werden dürfte: Bereits im Dezember 2018 hatte ein erstes Misstrauensvotum gezeigt, dass May auch innerhalb ihrer eigenen Partei viele Gegner*innen hat.

Übersteht May die Vertrauensfrage in dieser Woche, muss sie mit den EU-Ländern neu verhandeln. Bereits am Montag will sie dem Unterhaus dann einen Plan B für den Brexit vorstellen. Die EU hat jedoch mehrmals signalisiert, dass sie nur ungern zu neuen Verhandlungen bereits ist.

No-Deal? Zweites Referendum?

Auch einer Verschiebung des Brexits, wodurch May Zeit für weitere Verhandlungen gewinnen würde, müssten die anderen EU-Länder zustimmen – einstimmig. Sollte es keine weitere Übereinkunft zwischen Großbritannien und der EU geben, wäre auch ein No-Deal, ein sogenannter harter Brexit ohne Abkommen, möglich. Diese Option ist jedoch unbeliebt, da sie nicht absehbare Folgen für die Wirtschaft aber auch für Bürger*innen Großbritanniens und der EU hätte, etwa bei Reisen.

And last but not least: Großbritannien könnte den Brexit einseitig aufkündigen. Dazu wäre ein erneutes Referendum nötig. Bei einer repräsentativen Umfrage im September 2018 hatten 56 Prozent der Brit*innen angegeben, dass der Austritt aus der EU für sie und ihr Land schlimmere Folgen haben könnte, als sie bei dem Referendum vor zwei Jahren annahmen. Theresa May hat im Dezember jedoch erst die Idee eines zweites Referendum abgelehnt. Es bleibt also spannend.