In Episode 8 unserer Serie Bundestag geht es darum, wie wir uns am besten vor Gefahren für die innere Sicherheit schützen. Sollen wir uns alle im Wald einbuddeln oder rufen wir den bundesweiten YOLO-Zustand aus?

Willkommen in meiner kleinen Oase für Menschen, die sich im WWW für mehr als nur Erika Steinbachs satirischen Twitteraccount interessieren (Es ist Satire, oder? Steckt da nicht Jan B. dahinter? Nein? Oh.). Die wissen wollen, was in der deutschen Bundespolitik so abgeht, um zwischen Postillon-News, Compact-News und tatsächlichen News unterscheiden zu können. In jeder Sitzungswoche fasse ich für euch einen wichtigen Punkt auf der Tagesordnung zusammen. 

Teaser

Am 22. Dezember 2016 fuhr der Tunesier Anis Amri mit einem LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt und riss zwölf Menschen in den Tod. Dieses schreckliche Ereignis nahmen die Bundestags-Abgeordneten als Anlass, um in einer Aktuellen Stunde darüber zu reden, wie wir uns als Gesellschaft besser vor solchen Attacken schützen können.

In Aktuelle Stunden werden, wie der Name ja irgendwie schon sagt, aktuelle Themen besprochen – jedoch ohne, dass dazu ein konkretes Gesetz zur Debatte vorliegt. Die jeweiligen Minister*innen, in deren Ressort das Thema fällt, kündigen dort an, welche Maßnahmen sie zu ergreifen und Gesetze zu verabschieden sie demnächst planen. Am Mittwoch auf der Speisekarte: Thomas de Maizière und das Ressort für Innere Sicherheit – die federführend sind, wenn es um den Schutz vor terroristischen Anschlägen geht.

Was bisher geschah

Seit dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz stehen die Bundesbehörden in der Kritik. Denn Anis Amri war kein Unbekannter. Sowohl dem Bundesamt für Verfassungsschutz als auch dem Bundesnachrichtendienst war er als möglicher Gefährder bekannt. Auf die Frage, was ein*e Gefährder*in ist, gibt es keine eindeutige Antwort. Jedes Bundesland nimmt die Einstufung für sich vor. Grob kann man sagen, dass ein*e Gefährder*in eine Person ist, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Dabei geht es übrigens nicht nur um islamistischen, sondern auch um rechtsextremistischen Terror. Ein Fakt, der auch bei vielen Abgeordneten schnell mal in Vergessenheit gerät.

Die Fragen, die im Zusammenhang mit Anis Amri nun in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags geklärt werden sollen, lauten: Wie kann es sein, dass der Tunesier das Attentat verüben konnte, obwohl er den Behörden als Gefährder bekannt war? Warum wurden keine Maßnahmen ergriffen, um ihn zu stoppen? Und was müssen wir tun, um solche Fehler künftig zu vermeiden und ähnliche Attentate zu verhindern?

Der Plot dieser Folge

Der Regierung kann es dabei nicht schnell genug gehen. Noch bevor die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses vorliegen – was länger dauern kann, möchten Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas neue "Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit" verabschieden. Angesichts der Gefährdungslage hätte man keine Zeit zu verlieren, so de Maizière. Wenn man "von den Maßnahmen, die jetzt erforderlich sind, jetzt überzeugt" wäre, dann solle man diese eben auch "jetzt umsetzen und nicht abwarten". Thomas de Maizière ist scheinbar kein Mann des Abwartens und Teetrinkens.

Auf folgende Gesetzesänderungen hat sich de Maizière mit Maas geeinigt hat:

  • Die Möglichkeit, Gefährder*innen in Abschiebehaft nehmen zu können, soll verschärft werden: Eine "erhebliche Gefahr für die Sicherheit" zu sein, soll künftig ausreichen, um Menschen in Abschiebehaft nehmen zu können. Das soll nicht nur für Terror sondern auch für schwere Kriminalität gelten.
  • Gefährder*innen sollen in Untersuchungshaft genommen werden können, wenn absehbar ist, dass die Abschiebung nicht in den folgenden drei Monaten stattfindet.
  • Schärfere Überwachungsmöglichkeiten für ausreisepflichtige Ausländer*innen, "die die öffentliche Sicherheit gefährden" sollen eingeführt werden – "dazu gehört auch die Fußfessel".
  • Asylbewerber*innen, die über ihre Identität täuschen, sollen sich zukünftig nicht mehr frei im Land bewegen können, sondern sich nur noch in dem Bezirk der Ausländerbehörde aufhalten dürfen, die den Fall bearbeitet.
  • Der Druck auf die Herkunftsländer, abgeschobene Gefährder*innen wieder aufzunehmen, soll erhöht werden.

Das sagten die Hauptdarsteller

Wie es weitergeht

All die Brainstorming-Ergebnisse, die Thomas de Maizière vorgeschlagen hat, könnten demnächst in Gesetzentwürfe gegossen und in den nächsten Wochen im Bundestag debattiert werden.

Mein Fazit

Eine Faustregel, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert hat, lautet: Je konservativer ein*e Politiker*in, desto lauter der Ruf nach Innerer Sicherheit. Um diese zu schaffen, werden von Konservativen meistens mehr Polizist*innen, mehr Überwachung oder härtere Strafmaßnahmen gefordert. Dabei ist es ein Mythos, dass allein diese Dinge mehr Sicherheit schaffen würden. Die Frage muss doch lauten: Wie wird eine Person zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit? Und wie können wir das als Gesellschaft verhindern?

Ich glaube, dass nicht in erster Linie Haftstrafen und Überwachungsmaßnahmen Sicherheit schaffen, sondern die Art und Weise, wie eine Gesellschaft funktioniert. Solidarität und Wertschätzung schaffen Sicherheit. Eine Gesellschaft, in der ein faires Verhältnis zwischen Arm und Reich besteht, in der Herkunft nicht über Zukunft bestimmt – all diese sozialpolitischen Aspekte schaffen Sicherheit.

Darüber hinaus ist meiner Meinung nach Innere Sicherheit nicht das höchste Gut, das unsere Politiker*innen verteidigen müssen. Es sind die obersten Werte, die in unserem Grundgesetz verankert sind, die sie zu schützen haben: Freiheit, Gleichheit, die Beachtung der Menschenwürde. Wer auf deren Kosten den Schein Innerer Sicherheit erreichen möchte, landet bei Guantanamo und Drohnen-Krieg.

Der Soundtrack zur Aktuellen Stunde

Die Aktuelle Stunde in einem Tweet

Die ganze Aktuelle Stunde zum nachschauen

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