In Köln hängen zurzeit Plakate mit Slogans wie "Multiplayer at its best" und "Mehr Open World geht nicht" an Bushaltestellen. Das verwundert erst mal nicht, immerhin findet gerade die Spielemesse Gamescom statt. Was aber wie die Werbung für ein neues Call of Duty wirkt, soll in Wirklichkeit neue Rekrut*innen an die Waffe locken: Die Plakate stammen von der Bundeswehr. Sie sollen laut einer Sprecherin "die Werte der Bundeswehr" transportieren, "Kameradschaft und der Einsatz für eine freie Welt".

Laut einer Sprecherin der Gamescom wurde der Stand, auf den die Plakate hinweisen, vom Personalmanagement der Bundeswehr angemietet, um eine "technisch affine Zielgruppe" anzusprechen. Die Messe habe aber keine Kenntnis von den Plakaten gehabt, sie seien über externe Werbevermarkter*innen gebucht worden.

Das Problem ist: Die Plakate verharmlosen reale Konflikte und Kriege, in welche die Bundeswehr involviert war und ist. Und die Bundeswehr instrumentalisiert mit den Slogans gängige Begriffe aus der Gamingwelt, um ein Publikum zu gewinnen, das den Zynismus der Plakate möglicherweise nicht versteht. Auf der weltweit größten Spielemesse werden auch in diesem Jahr wieder Tausende von Kindern und Jugendlichen erwartet.

Spiele mögen Krieg abbilden, dienen aber nicht als Trainingssimulator

Die aktuellen Werbemaßnahmen der Bundeswehr zeugen von einem höchst fragwürdigen Selbstverständnis. Als handele es sich beim Einsatz in Afghanistan, in dem sich die Lage derzeit wieder zuspitzt, um eine immersive Open-World-Erfahrung. Als sei der der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) in Syrien und Irak nichts als ein lockeres Multiplayer-Spiel, nur eben mit echten Waffen.

Videospiele sind – wie Filme oder Bücher – Kunst, die sich an politischen, gesellschaftlichen oder persönlichen Themen abhandeln. Einige der erfolgreichsten Spielereihen behandeln auch das Thema Krieg. Und Spieler*innen nehmen anders als bei anderen Medien selbst teil am Geschehen. Im bald erscheinenden Battlefield 5  – das ab 18 Jahren freigegeben wird – werden etwa die Schlachten des Zweiten Weltkrieges nachgespielt. Das mag man kritisieren. Und doch: Was dort passiert, ist kein Trainingssimulator für realen Krieg.

Die Spieler*innen bilden online Teams, mit dem sie das jeweils andere bezwingen wollen, während sie zu Hause auf dem Sofa sitzen, Eistee trinken und danach womöglich für ihr Studium büffeln oder sich mit Freund*innen treffen. Am ehesten ist das noch mit einer ausgedehnten Runde Risiko zu vergleichen, wie früher mit der Familie am Esstisch. Es geht vor allem um Spaß.

Werbung durch Zynismus und Provokation?

Bundeswehreinsätze sind jedoch kein Spaß. Sie sind bittere Realität. Seit 1992 starben 109 Menschen im Ausland. Etwa drei Prozent der Soldat*innen, die nach Afghanistan gehen, kommen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zurück, unter der sie womöglich ihr restliches Leben leiden werden. Die Bundeswehr trägt dadurch eine enorme Verantwortung. Dazu gehört auch, jungen Menschen ein reales Bild ihrer Tätigkeiten zu vermitteln – nicht, sie durch Videospiele anzulocken.

Die Bundeswehr ist in der jüngsten Vergangenheit mehrfach mit fragwürdiger PR aufgefallen. So inszenierte sie den Armeealltag mit der YouTube-Serie Die Rekruten als Daily Soap. Bei der diesjährigen Internetkonferenz re:publica wurde ihr ein Rekrutierungsstand auf der Konferenz verweigert, sie fuhr aber trotzdem mit einem Wagen vor das Gelände, auf dem "Zu bunt gehört auch grün" stand. Beides wurde scharf kritisiert, die Bundeswehr bekam eine Menge Aufmerksamkeit. Doch sollte eine Armee wirklich durch Anbiederung und Provokation für sich werben?

Die Veranstalter*innen planen, nach der Messe mit der Bundeswehr ins Gespräch zu gehen, wie eine Sprecherin gegenüber ze.tt bestätigt. Es soll vor allem darum gehen, wie solche Plakate künftig gestaltet werden sollten, wenn die Armee im kommenden Jahr wieder an der Messe beteiligt sein möchte. Es bleibt zu hoffen, dass die Gamescom klare Konsequenzen aus dem Fall zieht. Krieg ist kein Spiel. Und er sollte auch nicht als solches beworben werden.

Anmerkung: Wir erhielten kurz nach der Veröffentlichung Antwort vom Personalmanagement der Bundeswehr und haben diese im ersten Absatz ergänzt.