Mit 17 trat Diana Kinnert in die CDU ein. Zu dem Zeitpunkt befand sich Angela Merkel in der zweiten Hälfte ihrer ersten Amtsperiode als Bundeskanzlerin. Merkel war nicht der Grund für Kinnerts CDU-Beitritt. "Aber in einer sehr männerdominierten und alten Organisation von Partei war es schon bestärkend, dass eine Frau an der Spitze stand", sagt sie. Auch heute ist sie der Meinung, dass Merkels Liberalisierung der Partei eine große Leistung gewesen sei.Auf Kinnerts CDU-Beitritt folgte zwar bislang keine Karriere als Politikerin. Jedoch wirkt sie als Streiterin für einen modernen Konservatismus immer wieder mit neuen Ideen auf ihre Partei ein. Was sind nach dem Rückzug von Merkel ihre Ideen für die Zukunft der CDU? 

ze.tt: Diana, wer soll auf Angela Merkel an die Parteispitze der CDU folgen?

Diana Kinnert: Ich weiß noch nicht genau, welche Kandidat*innen letztendlich im Rennen sein werden, deshalb ist eine Empfehlung grundsätzlich schwierig. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer würde ich allerdings gut fahren. Sie nimmt den Auftrag als Volkspartei ernst und könnte eine ganzheitliche inhaltliche Erneuerung einleiten.

Wie sollte diese Erneuerung idealerweise aussehen?

Die Christdemokratie hat seit der Entwicklung ihres Grundsatzprogramms drei Wurzeln: die christlich-soziale, die bürgerlich-liberale und die wertkonservative Wurzel. In einem Hochtechnologiezeitalter sollten wir uns überlegen, ob es nicht weitere Werte im Grundsatzprogramm geben müsste. Da geht es weniger darum, die alten Werte zu ersetzen, sondern sie auf das Hier und Heute anzupassen: Was bedeutet soziale Marktwirtschaft für uns als CDU mit unseren drei Wurzeln heute? Wie müssen die Algorithmen eingestellt sein beim Beispiel Pflegeroboter? Wie geht man mit Weiterbildungen um, wenn die Automatisierung ganze Berufszweige wegbrechen lässt? Welche Bildungsarchitektur ist zwischen Achtsamkeit und Programmieren in einer globalisierten Welt von Nöten?

Werden die Antworten auf diese Fragen die CDU eher nach rechts oder links rücken?

Angela Merkel hat die CDU in den vergangenen Jahren wesentlich in die Mitte gerückt und konservative Werte modern übersetzt. Das finde ich richtig und zeitgemäß. Und trotzdem könnte ein konservativer Kurswechsel gerade jetzt wirksam sein. Konservativ hat nichts damit zu tun, ob die CDU mehr nach links oder rechts rückt. Wir müssen unter Berücksichtigung der Wurzeln der CDU Kerndebatten darüber führen, mit welchen Methoden wir aktuellen Herausforderungen begegnen wollen. Wir müssen die politische Architektur neu denken. Annegret Kramp-Karrenbauer hat als Generalsekretärin bereits ganz gute Debatten angestoßen.

Unsere Ministerien, das Beamtenwesen, die Recruitment-Prozesse, die in den Staatsdienst führen, haben wir uns vor 60 Jahren ausgedacht. An vielen Stellen müssen wir modernisieren.
Diana Kinnert

Wie könnte eine moderne politische Architektur auf Basis der CDU-Werte aussehen?

Zuerst müssen wir die aktuellen Strukturen hinterfragen. Unsere Ministerien, das Beamtenwesen, die Recruitment-Prozesse, die in den Staatsdienst führen, haben wir uns vor 60 Jahren ausgedacht. An vielen Stellen müssen wir modernisieren. Wir haben kein Technologieministerium, kein Nachhaltigkeitsministerium und kein Toleranzministerium. In Großbritannien hingegen haben sie die erste Staatsministerin für Anti-Einsamkeit benannt, weil es kein Sinnkonzept für Senior*innen über 60 gibt und die sich isoliert fühlen. Mit der Blockchain-Technologie ließen sich Staatsstrukturen effizienter gestalten. Auf diese Entwicklungen müssen wir reagieren.

Kevin Kühnert will die SPD aus der Jugendorganisation heraus erneuern. Hilft Merkels Rückzug den Mitgliedern der Jungen Union jetzt ebenfalls bei der Neuerfindung der Partei mitzumischen?

Ja! Im Dezember wird nicht nur über den Parteivorsitz entschieden, es werden weitere Plätze im Bundesvorstand frei. Die können die jüngeren Leute in der CDU oder auch aus der Jungen Union besetzen. Eine Mitgliedschaft in der Jungen Union könnte einen ganz neuen Wert gewinnen, weil man das Parteiprogramm mitbestimmen und ein Zukunftsnarrativ mitentwickeln kann. Die Junge Union kann sich mehr denn je als Zukunftsmotor einsetzen.

Welcher Bestandteil dieses Motors wirst du sein?

Ich nehme mich als Basismitglied der Jungen Union sowie der CDU ernst. Ich bleibe hauptberuflich Unternehmerin im Bereich nachhaltige Technologien und möchte den Kurswandel in der CDU eher publizistisch begleiten.