Lieber Herr Andreas Hartnigk,

ich weiß nicht, welches Auto Sie fahren. Dass Sie eines besitzen, ist anzunehmen. Warum würden Sie sonst meinen, es sei nicht hinnehmbar, dass Autofahrer*innen bei der Verkehrswende verteufelt und Radfahrer*innen mit Samthandschuhen angefasst würden. Sie sagen, es sei ein "Gebot der Gleichbehandlung", Parkgebühren auch für Fahrräder einzuführen. Sie sagen, alle Abstellplätze, ob ausgewiesen oder öffentlich, sollen kostenpflichtig werden.

Herr Hartnigk, Sie haben nichts verstanden

Fahrradfahren ist vor allem in der Stadt gesünder, leiser, billiger als Autofahren. Sie können Ihr Fahrrad leicht irgendwo abstellen, anheben, umdrehen und hinlegen, ohne jemanden damit zu belästigen. Ob Sie diese Vorteile nutzen, bleibt natürlich Ihnen überlassen – weil es eben nur Sie selbst betrifft. Was Ihnen aber nicht allein überlassen bleibt, ist der gesamtgesellschaftliche Schaden, den Sie durchs Autofahren anrichten.

Das Autofahren wird nicht aus einer willkürlichen Laune heraus, wie Sie es nennen, "verteufelt". Es gibt etliche kluge Gründe, warum Radfahrer*innen und Autofahrer*innen finanziell unterschiedlich stark belastet werden. Und warum Fahrradfahrer*innen eine immer bessere Infrastruktur, neue Radwege, Abstellplätze und Servicestationen geboten werden, ohne dass ihnen die Mehrkosten aufgeladen werden. Fällt Ihnen einer ein? Stichwort: Klimawandel und Luftverschmutzung. Davon haben Sie schon gehört, oder?

Autofahren soll unattraktiv und teuer sein.

Jedes Mal, wenn Sie mit einem Auto, Lastwagen, Bus oder Moped fahren, spuckt es Kohlenstoffdioxid, vermischt mit einem Haufen Stickoxide, in die Luft. Das gilt für alle herkömmlichen Verbrennungsmotoren, also für Benzin, Diesel und in geringerem Maße auch für Erdgas-betriebene Autos. Solange Verkehr immer noch hauptsächlich durch Energie aus fossilen Brennstoffen angetrieben wird, bleibt er ein Hauptverursacher für Treibhausgasemissionen und damit ein Klimaerwärmer. Und als wäre das nicht schon genug, ist er obendrauf gesundheitsschädlich. Wussten Sie, dass hohe Konzentrationen von Stickoxiden in der Luft Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen können? Wussten Sie, dass das Umweltbundesamt Stickstoffdioxid für etwa 6.000 Todesfälle allein in Deutschland verantwortlich macht? Als verantwortungsbewusster stellvertretender Vorsitzender im Ordnungs- und Verkehrsausschuss wussten Sie das bestimmt.

Wie erklären Sie das Ihren Kindern?

Sie können sich vorstellen, worauf ich hinausmöchte. Dass wir alles daran setzen müssen, Alternativen zum Autoverkehr attraktiv zu machen. Im Umkehrschluss bedeutet das, Autofahren möglichst unattraktiv zu machen. Es stimmt, wenn Sie sagen, dass Radfahrer*innen und Autofahrer*innen finanziell unterschiedlich stark belastet sind. Was Sie nicht verstehen, ist, dass diese Unfairness klug ist. Fahrradfahren muss billig bleiben. Ich gehe einen Schritt weiter: Autofahren soll unattraktiv und teuer sein. Damit es sich potenzielle Autokäufer*innen zwei- und dreimal überlegen (und sich am Ende dagegen entscheiden), sich noch so einen Klimakiller zu beschaffen. Welche Wirkung hat es, glauben Sie, wenn Fahrradfahren teurer wird? Eben.

Fahrradfahren ist kein universelles Lösungsmittel. Trotzdem ist die Formel einfach: Ist der Zugang zum Fahrradfahren niedrigschwellig, ist das gut fürs Klima und die Luft, freut sich die zukünftige Bevölkerung unseres Planeten. Jede Fahrt mit dem Fahrrad mehr ist eine Autofahrt weniger. Ihre vorgeschlagenen Klebeplaketten oder Fahrrad-Parkautomaten mit datierten Klebetickets bewirken das Gegenteil. Alle, die wegen Ihren Fahrrad-Parkgebühren auf eine Fahrradfahrt verzichten, haben das Klima einmal mehr belastet.

Aber ich kann mir vorstellen, was Sie sich nun denken. "Ich bin ein Mensch mit viel gelebter Erfahrung und politischer Karriere. Warum sollte ich mich von irgendeinem Dahergelaufenen belehren lassen?" Verstehe ich gut, wirklich. Meine Antwort ist: genau deswegen. Während Sie bereits ein halbes Jahrhundert Lebenszeit hinter sich haben, habe ich noch ein gutes Stück vor mir. Genau so wie Ihre Kinder, Enkel, deren Kinder und viele weitere Generationen danach. Möchten Sie nicht, dass es denen gut geht? Sie sollen ein Leben umgeben von gesunder Frischluft führen können, ohne Atemmaske oder Lungenerkrankung.

In diesem Sinne bitte ich Sie, Ihren Antrag nicht beim Verkehrsausschuss einzureichen.

Gruß