Vergangene Woche guckte die Welt geschockt auf Großbritannien: Die Briten haben es tatsächlich getan. Sie haben sich für einen Austritt aus der EU entschieden. Damit haben nur wenige gerechnet – auch an der Börse. Der Brexit bestrafte die gutgläubigen Anleger und ließ die Aktienkurse abschmieren. Bleibt noch eine Frage: Wen juckt's?

Freitag, halb Acht, Frankfurter Börsensaal. Noch starrt niemand auf die schwarze Kurstafel an der Wand. Noch steht kein Fernsehreporter mit Mikrofon und ernster Miene auf dem "Parkett", wie der berühmt-berüchtigte Boden des Handelssaals genannt wird. Noch nicht. Es ist der Freitag nach dem britischen Referendum. Wenn heute um neun der Handel beginnt, wissen bereits alle: Die Kurse werden stark einbrechen.

Na und, wen interessiert's?

Gute Frage. Wer sein Geld nicht in Aktien steckt, dem graut es an diesem Morgen bestimmt nicht davor, dass das wichtigste deutsche Börsenbarometer DAX am Ende des Tages um 700 Punkte abstürzen wird. Sollte es aber.

Zumindest sollten wir uns fragen, was überhaupt hinter dieser schwarzen Wandtafel mit dem weißen Zick-Zack-Kurs steht: ein Stimmungsbarometer. Der DAX stellt dar, was Investoren für die Zukunft erwarten – und zwar von den 30 größten, börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Sprich: Schmiert der Index ab, erwarten die Investoren nichts Gutes.

Allerdings hat nicht nur der deutsche Leitindex an Optimismus eingebüßt, sondern auch die Stimmungsbarometer in vielen anderen europäischen Ländern. Die Leute legen also zukünftig ihr Geld lieber woanders an, als im Euroraum – weil sie zweifeln.

Woran zweifeln die Leute? Sie stellen sich Fragen wie: Wenn die Briten schon raus wollen, wann folgt dann das nächste Land, das die Biege macht? Und was passiert mit der EU? Und was mit dem Austrittsland? Wie geht es mit der britischen Wirtschaft weiter, wenn es dort so viele politische Unsicherheiten gibt?

Unsicherheit – ein Stichwort, das die Börse gar nicht mag

Sind Investoren verunsichert, haben sie ihr Geld nicht mehr allzu locker sitzen. Sie warten lieber ab, sind vorsichtig. Und das ist ein Problem, denn es lähmt die Unternehmen. Sie gehen an die Börse, um an Geld zu kommen. Zum Beispiel, weil sie neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen wollen. Das Geld, was die Unternehmen selbst besitzen, reicht meistens nicht aus. Sie brauchen Kapital von anderen – und da sind wir wieder bei den Investoren.

Also: Schlecht gelaunte Investoren heißt keine Kohle und keine neuen Produkte. Und damit auch kein Wachstum. Kein Wachstum bedeutet allerdings nicht nur weniger Innovationen, sondern auch: weniger Arbeitsplätze. Und das betrifft uns auch, selbst wenn uns da neue iPhone egal ist und wir nicht bei einem DAX-Konzern arbeiten oder irgendwann mal arbeiten wollen. Denn an den großen Unternehmen hängt noch eine ganze Reihe weiterer Firmen: Die Autozulieferer sind abhängig von großen Konzernen wie VW und Co. Für Landwirte spielen wiederum Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie eine Rolle.

Wenn es die Großen trifft, kann es auch den Kleinen an den Kragen gehen. Unterm Strich lässt sich sagen: Die abstürzenden Kurse sind ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft zukünftig erlahmen könnte. Das kann niemandem ernsthaft egal sein, außer vielleicht irgendwelchen Öko-Aussteiger*innen mit Tipi im Wald. 

Börsencrash – und jetzt?

Klar, jetzt werden einige ihre Köpfe schütteln und sagen: Aber an der Börse wird doch so viel Kohle verzockt! Scheiß Kapitalismus! Es stimmt ja auch: In mancher Hinsicht würden uns etwas mehr ideelle und etwas weniger finanzielle Werte mit Sicherheit gut tun. Und es gibt immer wieder schwarze Schafe, die uns um unser Geld betrügen wollen, indem sie verantwortungslos damit umgehen oder es in Wirklichkeit gar nicht für ihre Kunden anlegen, sondern sich davon ein schönes Leben machen. Solche Betrüger wird es immer geben. Auch das führt zu Unsicherheit.

Dagegen scheint das Sparbuch eine ziemlich sichere Sache. Das Problem: Da liegt unser Geld momentan nur rum und bringt und kaum Zinsen. Es arbeitet nicht für uns, wie es so schön heißt. So wird es schwieriger, uns irgendwann unsere Träume zu erfüllen: die Weltreise, das Eigenheim mit der Familie, der Luxusschlitten. Und mit der Sparstrumpf- oder Kopfkissenstrategie bekommen wir das Geld dafür erst recht nicht zusammen.

Klar, es macht überhaupt keinen Sinn, blindlings loszurennen und seine Ersparnisse in irgendwelche Börsenwerte zu investieren, von denen man keinen Plan hat. Oder im schlimmsten Fall nur in ein einziges Unternehmen, damit wir direkt alles verlieren, wenn dessen Kurs einbricht.

Wir müssen uns gut überlegen, was wir mit unserem Geld anfangen. Und wenn wir uns dazu entscheiden, unser Erspartes zu investieren, dann müssen wir es in Finanzprodukte stecken, die wir selbst durchschauen können. Oder uns erklären lassen, was dahinter steckt. Wir müssen mitdenken. Das zahlt sich am Ende aus. Denn ganz egal, wie wichtig uns Freunde, Familie und alle anderen Werte neben dem Geld sind. Wir haben trotzdem ein Problem: Ohne Moos nix los.