Am vergangenen Samstag zogen drei Großdemonstrationen durch Chemnitz: Die Polizei war mit mehr als 2.000 Beamt*innen im Einsatz, um dafür zu sorgen, dass es zwischen den Demonstrationsgruppen mit insgesamt 11.000 Teilnehmer*innen nicht zu Ausschreitungen kommt. Es demonstrierte die rechtspopulistische Bewegung Pro Chemnitz, die AfD veranstaltete einen Schweigemarsch. Gleichzeitig fand eine Anti-Rechts-Demo von circa 25 verschiedenen Vereinen statt.

Motto: Herz statt Hetze

Diese Gegendemo stand unter dem Motto Herz statt Hetze und startete als erste um 15 Uhr. In der Facebook-Veranstaltung heißt es, man müsse den "Hetzjagten [sic!] und der Lynchjustiz" eine "Solidarität mit den Opfern rechter Gewalt und eine klare humanistische Position entgegensetzen". Oberbürgermeisterin und SPD-Mitglied Barbara Ludwig richtet laut tag24 klare Worte an die Teilnehmer*innen der anderen beiden Veranstaltungen: "Wer sich rechten Hetzern anschließt, macht sich mit denen gemein, die den Hitlergruß zeigen", sagte die Politikerin.

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Kurze Zeit später, ab 16 Uhr, begann die Demonstration des Vereins Pro Chemnitz, welcher zuvor auf Facebook erklärte, er wolle "durch Migranten importierte Kriminalität keinen Tag länger totschweigen" und daher zum Demonstrieren aufrief. Pro Chemnitz-Verantwortlicher Martin Kohlmann richtet sich laut tag24 an die Teilnehmer*innen der Demo: "Wir müssen uns selber schützen, wenn der Staat seine Hausaufgaben nicht mehr wahrnimmt."

Höcke und Bachmann liefen mit

Diese Demonstration wurde jedoch nach Polizeiangaben bereits gegen 16:40 Uhr durch die Versammlungsleitung beendet. Viele der Teilnehmer*innen schlossen sich anschließend der Versammlung des AfD-Landesverbandes an, der zu einem Schweigemarsch aufgerufen hatte. Der Aufzug startete gegen 18:15 Uhr und wurde knapp eine Stunde später bereits wieder für beendet erklärt. AfD-Politiker und Landtagsabgeordneter Björn Höcke sowie Pegida-Gründer Lutz Bachmann liefen in vorderster Reihe gemeinsam mit.

Die Polizei Sachsen berichtete Sonntagvormittag von 37 Strafanzeigen, darunter Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen und das Verwenden von "Kennzeichen verfassungswidriger Organisation". 18 Menschen wurden verletzt. Die Beamt*innen waren vor allem damit beschäftigt, Eskalationen zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu unterbinden. Die Polizeipräsidentin von Chemnitz, Sonja Penzel, bedankte sich bei den Kolleg*innen und erklärte, es sei weitestgehend friedlich geblieben.

Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Der SPD-Politiker und Vizepräsident des deutschen Bundestages Thomas Oppermann fordert nach den Ereignissen der vergangenen Tage nun Konsequenzen. Wie Zeit Online berichtet, will Oppermann potenzielle Kooperationen zwischen der AfD und Rechten vom Verfassungsschutz beobachten lassen. "Die Flüchtlingsfrage spaltet die Gesellschaft, und die AfD reitet immer radikaler auf dieser Welle", so Oppermann in der Tageszeitung Welt. "Deshalb muss der Verfassungsschutz das arbeitsteilige Zusammenwirken von AfD und Neonazis sehr genau beobachten."

Auch FDP-Vorsitzender Christian Lindner scheint die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu befürworten, gleichzeitig warnt er in der Tageszeitung Rheinische Post: "Es darf nicht der Eindruck entstehen, die demokratischen Parteien wollten sich mit Hilfe des Verfassungsschutzes lästiger Konkurrenz entledigen."

Der Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht derzeit noch keinen Grund, den Verfassungsschutz einzuschalten: "Natürlich muss man immer genau hinschauen, und das tut der Verfassungsschutz, ob es sich bei Aussagen von Parteimitgliedern oder Zusammenarbeit mit bestimmten Gruppen um Einzelmeinungen oder parteipolitische Linie handelt", gibt er gegenüber der Funke Mediengruppe zu verstehen.

Reaktionen auf Twitter

Auf die Forderung, den Verfassungsschutz einzuschalten und die AfD genauer zu beobachten, reagierten bereits einige Nutzer*innen auf Twitter.

Anhänger*innen der AfD können die Forderung von Oppermann nicht nachvollziehen. Comedian und Autor Micky Beisenherz twitterte: "Ich mein, der Chef der Behörde ist ja sowieso häufiger zur Beratung bei denen – da kann er sich dann auch gleich ein bisschen umschauen." Damit spielt er auf die AfD-Kontakte des Verfassungsschutz-Chefs Maaßen an. Eine weitere Userin zeigt sich verblüfft, warum die AfD bisher noch gar nicht verfassungsschutzrechtlich beobachtet wurde. Der Satiriker Tim Wolff meint, dass es ausreichen würde, sich die Aussagen der AfD in Talkshows anzuhören, um zu verstehen, was bei der Partei gerade los ist.