Seit mehreren Wochen beherrscht uns das Coronavirus. Um seine Verbreitung einzudämmen, ist das öffentliche Leben auf ein Minimum heruntergefahren. Geschäfte und Bars sind geschlossen, Kultur- und Bildungsstätten in Zwangspause und die eigene Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Es gilt weiterhin das bundesweite Kontaktverbot und an den Landesgrenzen finden wieder Kontrollen statt, Reisende "ohne triftige Gründe" werden zurückgewiesen.

Das Virus SARS-CoV-2 hat die Bundesregierung dazu veranlasst, eine weltweite Reisewarnung auszusprechen. Sie warnt vor "nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland". Was genau damit gemeint ist, wird nicht näher definiert. Tatsache ist aber, dass manche Leute nicht gänzlich auf eine Reise verzichten können. Sei es um kranke Verwandte zu pflegen oder weil sie im Ausland festsitzen und endlich nach Hause wollen.

Verkehrsknotenpunkte wie Bahnhöfe und Flughäfen, an denen sich unter normalen Umständen jeden Tag Tausende Reisende tummeln, haben sich in Zeiten Coronas in einsame Orte verwandelt. Das Angebot der Flughäfen und Fluglinien ist wegen der fehlenden Nachfrage drastisch eingeschränkt. Die fünf Terminals des Berliner Flughafens Tegel (TXL) nutzten im Jahr 2018 noch mehr als 22 Millionen Menschen, momentan sind vier davon komplett geschlossen. Seit April konnte der Flughafen an keinem Tag mehr als 1.000 Passagiere verzeichnen. Lufthansa hat 90 Prozent der Fernflüge und etwa 80 Prozent der Nah- und Mittelstrecken gestrichen, die Kölner Unternehmenstochter Germanwings musste den Betrieb einstellen.

Seit April dieses Jahres konnte der Flughafen an keinem Tag mehr als 1.000 Passagiere verzeichnen.

Die Flughafengäste waren an einer Hand abzählbar

Ein leerer Flughafen ist ein ungewöhnlicher Anblick. Fotograf Thomas Kierok hat versucht, Anfang April die herrschende Einsamkeit im Flughafen Tegel mit seiner Kamera einzufangen. Das Erlebnis beschreibt er als surreal. "Eigentlich bin ich nach Tegel gefahren, weil ich für ein anderes Projekt auf der Suche nach Menschen war", sagt er. Doch was er dort vorfand, war Leere: geschlossene Läden, keine Autos auf den Parkplätzen, kaum Passagiere. "Ich kann mich noch an jede einzelne Person erinnern, der ich begegnet bin", sagt er. Also begann er, zu fotografieren und spontan ein neues Fotoprojekt zu realisieren: TXL Flughafen Berlin Tegel in Silence.

Der Flughafen wirkte sauberer als mein Wohnzimmer.
Thomas Kierok, Fotograf

Der Flughafen war so verlassen, dass Kierok sich manchmal gruselte. Denn wo keine Menschen sind, herrscht weniger Lärm. Im TXL war es so still, dass Kierok beim Gehen seine eigenen Schritte hören konnte: "Gespenstisch wie eine Filmkulisse", sagt der Fotograf aus Berlin und ergänzt: "Der Flughafen wirkte sauberer als mein Wohnzimmer." Bei seinem etwa dreistündigen Aufenthalt war Kierok schließlich so angenehm tief in der Leere und Ruhe versunken, dass er am Ende sogar seine Menschenportäts vergaß, für die er eigentlich nach Tegel gekommen war.

Vorgeschmack auf den Start des BER

Mit seinen Fotos gibt uns Kierok einen Ausblick darauf, wie es im Flughafen Tegel im Oktober 2020 aussehen könnte. Denn 13 Jahre nach dem ersten Spatenstich soll der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) nun endgültig dieses Jahr eröffnet werden. Am 31. Oktober soll die Inbetriebnahme mit ersten Landungen auf dem BER planmäßig beginnen.

Diesbezüglich ließe sich dann doch noch etwas Positives aus den Folgen der Corona-Krise ableiten: Durch den Rückgang der Passagier*innenzahlen sei die Inbetriebnahme des neuen Flughafens erleichtert, wenn der Andrang zu Beginn nicht so groß sei, sagte Engelbert Lütke Daldrup, Leiter der Flughafengesellschaft FBB, der Berliner Zeitung.

Wegen der geringen Auslastung Tegels – sie liegt gerade mal bei fünf Prozent – könnte für den Flughafen sogar der Betrieb völlig ausgesetzt werden, schreibt das Magazin Business Insider. Das wiederum würde gegebenenfalls sogar eine frühere Öffnung des BER bedeuten.

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