Die Kitas sind zu, die Schulen geschlossen, die Spielplätze abgesperrt und das schon seit Wochen. Eltern müssen gerade Lehrer*innen, Erzieher*innen und Arbeitende in einem und am besten alles gleichzeitig sein. Schuld ist Corona. Während in diesen Tagen Lockerungen stattfinden, die es erlauben, einige Geschäfte, Autohäuser und Sportplätze wieder zu öffnen, entspannt sich die Lage für Familien kaum.

Zwar öffnen Schulen gerade wieder schrittweise – das betrifft bisher aber nur Schüler*innen, die dieses Jahr ihren Abschluss machen. Alle anderen Klassenstufen müssen sich bis Anfang Mai gedulden. Kitas sollen allerdings nach jetzigem Stand bis August geschlossen bleiben. Die Notbetreuung ist bisher nur für Kinder vorgesehen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sind.Das Arbeiten im Homeoffice und die gleichzeitige Betreuung von Kindern überfordert Eltern zunehmend. Dass sie dabei von den politischen Entscheidungsträger*innen übersehen werden, macht viele wütend und enttäuscht. Unter den Hashtags

#CoronaEltern, den

Edition F-Chefredakteurin Mareice Kaiser ins Leben gerufen hat, und 

#elterninderkrise tauschen sich Erziehende auf sozialen Plattformen deshalb aktuell über ihre Umstände aus, teilen ihren Frust, ihre Sorgen und ihr Unverständnis. Wir haben das zum Anlass genommen, euch zu fragen, was genau euch an der aktuellen politischen Lage am meisten ärgert.

Kein Herz für Kinder

"Mein Kind ist anderthalb und lernt gerade von mir, wie welche Tiere machen, was im Garten wächst und blüht, wie man Löffel und Tasse benutzt und dass das Töpfchen irgendwie zur Toilette gehört. Alles wichtig. Aber nur mit seinem gleichaltrigen Freund lernt er teilen, streiten und vertragen. Dass die Mutter des Freundes und ich bei jedem Treffen ein dreistelliges Bußgeld riskieren, macht mich wütend und lässt mich an der Menschlichkeit der aktuellen Regelungen zweifeln."

Dass Kindergesundheit weniger wert ist als die Gesundheit von Ü60-Bürgern. Kinder sind eben keine Wähler.

"Die völlige soziale Isolation der Kinder. Die fehlende Lobby für Kinderrechte. Was ist mit all den Einzelkindern? Es ist erschreckend, was mit den Kindern gemacht wird. Die Langzeitfolgen sind gar nicht absehbar."

"Mich macht ausgesprochen wütend, dass es für Kinder mit Behinderungen in der Corona-Krise in Sachen Schulbesuch keinen Nachteilsausgleich mehr gibt. Mein Sohn ist Autist, soll am Montag in die Schule und eine Woche später bereits die mündliche Abschlussprüfung in Englisch ablegen. Einen Autisten organisieren wir nicht eben mal so um. Deshalb hat er auch eine Diagnose. Das scheint aber zurzeit egal zu sein. Prüfungen müssen nach fünf Wochen ohne Unterricht gemacht werden."

Mein Kind ist völlig alleine und wird immer stiller. Ich habe Angst um seine psychische Gesundheit.

"Eltern und Kinder werden im Stich gelassen. Meine Tochter, drei Jahre, ist ein Einzelkind und braucht nach fünf Wochen endlich wieder ein anderes Kind zum Spielen. Es macht mich sehr traurig, wenn ich ihr jeden Tag erklären muss, dass es nicht erlaubt ist, andere Kinder zu treffen. Ich habe das Gefühl, meinem Kind wird etwas genommen, was ich ihr nie wieder zurückgeben kann. Das lässt mich verzweifeln."

"Die fehlende öffentliche Diskussion über die Bedürfnisse der Kinder. Wenn darüber gesprochen wird, geht es darum, dass Eltern gerade nicht ausreichend als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die sozialen Bedürfnisse von Kleinkindern in einer so sensiblen Phase der Entwicklung finden dagegen keine Berücksichtigung. Läden auf, Fußballspiele – aber keine Überlegung, wie man Räume für die Kleinsten schaffen kann."

Ich finde, die Spielplätze müssen wieder geöffnet werden. Kinder haben ein Recht darauf, sich körperlich zu bewegen und ganz kleine Kinder können nicht Fahrrad fahren oder joggen gehen. Wenn Läden wieder geöffnet werden, dann sollten auch Spielplätze offen sein. Aber klar, die bringen natürlich kein Geld.

"Es wird kein Gedanke an die Psyche von Kindern vergeudet. Mein Kind kann seinen besten Freund nicht mal mit Abstand draußen treffen. Da mindestens ein Elternteil dabei sein muss, verstößt es gegen die Regeln. Gleichzeitig diskutieren wir über Geisterspiele im Fußball?!"

Fehlende Betreuungspläne

"Ich konnte meinen neuen Job nicht starten, da ich keine 30 Stunden die Woche Einarbeitung leisten kann, wenn hier drei Kinder (1, 4, 7) rumflitzen, davon eins beschult werden muss und mein Mann im Homeoffice seiner Arbeit nachgehen muss. Es ist also einerseits ein nicht unerheblicher finanzieller Verlust und psychisch eine starke Belastung, weil ich über Monate in der Arbeitslosigkeit ausharren muss, obwohl ich eigentlich einen Job hätte."

"Mein Sohn (elf Monate) sollte eigentlich Mitte Mai in die Krippe eingewöhnt werden und meine Frau wollte ab Mitte Juni wieder arbeiten. Nun wissen wir nur, dass die Eingewöhnung auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben wird. Meine Frau muss nun schauen, ob sie später zu arbeiten anfangen kann. Wenn ja, haben wir Verdienstausfall – wenn nicht, fehlt uns eine Betreuung, da aus der Familie niemand in der Nähe wohnt."

"Das absolut kein Wort über die Kita-Öffnung, weitere Aussetzung der Kosten usw. gesagt wird. Man lässt uns im Dunkeln, obwohl das nun schon so lange geht. Einfach mal ein kleines Licht der Hoffnung. Aber nein, stattdessen heißt es bis Sommer. Absolut unverständlich."

Kein Engagement beim Homeschooling

"Dass sich die Lehrer mit Ausnahme von ein paar Engagierten komplett wegducken. Alles wird den Eltern aufgelastet, selbst nach fünf Wochen gibt es noch keine Ideen, mit den Kindern einen Austausch herzustellen. Die Eltern bekommen einmal die Woche einen Stapel Aufgaben und sind dann komplett verantwortlich, den Kindern alles zu erklären, zu kontrollieren und letztlich auch zu motivieren, während die Lehrer bei vollem Gehalt zu Hause sitzen und sich digital dumm stellen."

"Wir haben nach über fünf Wochen Funkstille jetzt Arbeitsanweisungen der Grundschule für unsere Tochter erhalten, die die erste Klasse besucht. Der Arbeitsplan war nicht lesbar, weil falsch formatiert und als Word-Dokument verschickt. In der Kommunikation kam das Wort "Bitte" nicht einmal vor. Die Homeschooling-Strategie sieht vor, dass die Kinder stur in ihren Arbeitsheften in Eigenregie Seiten abarbeiten. Die Eltern müssen diese Hefte dann wöchentlich in eine Box an der Schule bringen. Ich bin schwer enttäuscht und getroffen von so wenig Empathie und Engagement."

Keine Hilfe für Alleinerziehende

"Ich bin alleinerziehend, muss zwei Kinder beschulen und eins vormittags praktisch ständig wegschicken, weil die Großen arbeiten müssen. Meinen Job habe ich verloren und bekomme auch keinen Lohnausgleich, da ich nur Pauschalkraft war. Dass gerade die das Geld besonders nötig hätten, sollte selbsterklärend sein. Ich fühle mich allein gelassen und mich stresst die gesamte Situation sehr."

Dass schon wieder die alleinerziehenden Elternteile vergessen werden und nicht unterstützt werden! Kontaktverbot, Einkaufen, Homeschooling, Homeoffice – alles alleine! Ohne finanzielle oder menschliche Hilfe!

"Dass Homeoffice, Homeschooling und Home-Kindergarten plus Haushalt, Einkaufen mit Maske und zwei Kindern und Kontaktverbot einen als Alleinerziehende in den psychischen und sozialen Ausnahmezustand bringen."

"Alleinerziehend im Homeoffice. Existenzangst und Erwartungsdruck auf der einen Seite und Fürsorgepflicht und Wunsch auf der anderen Seite. Social Distancing: Wir können uns keine Betreuung organisieren wie sonst. Es wird noch eine sehr lange Zeit dauern, bis die Schulen für kleine Kinder und die Kitas wieder aufmachen. Es wird auch mit August nicht getan sein. Wir brauchen Lösungen und zwar nicht erst nach Corona. Diese Situation darf für Familien nicht existenzbedrohend sein, weder wirtschaftlich noch psychisch."

Verstärktes Ungleichgewicht

"Mich macht wütend, dass es scheinbar egal ist, wie Eltern die laufenden Kosten decken, wenn sie nicht arbeiten gehen können, weil sie Kinder haben. Es braucht bezahlte Care-Arbeit zumindest für den Zeitraum in dem ein Elternteil wegen fehlender Kinderbetreuung zu Hause bleiben muss. Ein Übergangsgeld für diese Zeit wäre sinnvoller als ein Hartz-IV-Antrag."

"Ich finde es unzumutbar, dass die Kinder jetzt weitere drei Monate zu Hause bleiben sollen. Es wird, wie so oft, alles auf den Schultern des Elternteils ausgetragen, der so oder so die meiste Zeit mit den Kindern verbringt und das ganze Drumherum organisieren muss."

"Mir macht Angst, dass die Geschlechterrollen wieder wie vor Jahrzehnten interpretiert werden. Väter müssen bei mir im Bundesland den Kreißsaal zwei Stunden nach der Geburt verlassen und dürfen Mutter und Kind erst Tage später zu Hause wiedersehen. Frauen treten beruflich kürzer und nehmen unbezahlt frei, um irgendwie die Kinderbetreuung zu stemmen. Und in ein, zwei Jahren wird jede Personalabteilung verinnerlicht haben, wer in der großen Krise 'vor Ort' war und wer gezeigt hat, dass sie 'entbehrlich' sind."

Verfrühte Lockerungen

"Es ist viel zu früh, die Schulen wieder zu öffnen. Mir wäre eine klare Kommunikation viel lieber, die uns nicht mit Exitstrategien lockt, sondern ganz deutlich sagt, ja, es wird noch lange dauern. Und deshalb müssen wir jetzt auch noch lange sehr vernünftig sein. Es ist ja nicht so, dass Kinder keine Eltern haben, die sie anstecken könnten."

Der Schulstart. Auch Kinder haben ein Recht auf ihre Gesundheit – ohne Bildung überlebt man durchaus ein paar Wochen.

"Die Lockerungen, die ich für falsch und definitiv für viel zu verfrüht halte. Und dann noch gekoppelt mit der Schulpflicht. Leben aufs Spiel setzen als Pflicht. Und Masken in der Schule?! Wie soll geredet und gegessen werden?!"