Leere Straßen und Plätze, geschlossene Geschäfte – Italien ist wegen des Coronavirus zur Sperrzone erklärt worden. Schon am Montag wurden landesweit Unis, Schulen und Kindergärten geschlossen und Großveranstaltungen abgesagt. Restaurants und Geschäfte durften nur mehr bis 18 Uhr geöffnet haben. Gestern dann gab Ministerpräsident Giuseppe Conte bekannt, dass nun bis auf Weiteres alle Läden geschlossen werden – einzig Supermärkte, Apotheken und Drogerien sind noch zugänglich.

Grund dafür ist der rasante Anstieg derer, die an COVID-19 erkrankt sind. Laut dem aktuellen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 11. März liegt die Anzahl der Fälle in Italien aktuell bei 10.149 (in Deutschland sind es derweil 1.296 bestätigte Fälle). Mit der Abriegelung des Landes hofft man, die Verbreitung eindämmen zu können. Wie sieht der Alltag in dieser besonderen Situation aus? Das haben wir junge Italiener*innen gefragt.

Luca, 21, Praktikant im Ministerratspräsidium in der Abteilung für EU-Politik in Rom

"Ich komme aus Rom und lebe hier im Stadtteil Trieste. Seit dem gestrigen Erlass des Premierministers hat sich der Aktionsradius der Menschen deutlich verringert. Man sieht es schon: Die Straßen sind leerer als zuvor, die Geschäfte und Restaurants sind geschlossen – Tourismus ist kaum noch vorhanden. Wir können diese Maßnahmen aber noch nicht als strenge Quarantäne bezeichnen, denn die Menschen dürfen nach wie vor mit einer schriftlichen Genehmigung (die im Internet heruntergeladen werden kann) das Haus verlassen, um zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt zu gehen. Auch Spaziergänge und das Trainieren im Park werden hier in Rom noch toleriert, was meiner Meinung nach die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen beeinträchtigt. In den nächsten Tagen wird sich die Situation vermutlich weiter ändern, da die Regierung noch strengere Maßnahmen ergreifen will. Außerdem sollen Polizeikontrollen immer häufiger durchgeführt werden.

Natürlich ist niemand von den Maßnahmen begeistert, mich eingeschlossen, aber ich halte es für einen notwendigen Schritt, um die Verbreitung des Virus so weit wie möglich einzudämmen.
Luca

Da es für meine Arbeit nicht absolut nötig ist, werde ich bis auf Weiteres nicht ins Büro fahren und von zu Hause aus arbeiten. Natürlich ist niemand von den Maßnahmen begeistert, aber ich halte es für einen notwendigen Schritt, um die Verbreitung des Virus so weit wie möglich einzudämmen. Niemand ist glücklich, wenn seine Grundfreiheiten eingeschränkt werden, aber jetzt müssen wir uns alle solidarisch zeigen, insbesondere im Hinblick auf ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen, für die eine Infizierung am gefährlichsten ist."

Francesca, 23, studiert Wirtschaftswissenschaften in Mailand

"Ich sollte eigentlich jetzt ein Praktikum anfangen, das musste aufgrund des Coronavirus aber verschoben werden. Die Universitäten und Schulen hier sind seit dem 26. Februar geschlossen, haben aber sofort daran gearbeitet, Onlinekurse anzubieten. Das ist großartig, weil wir so wenigstens weiter lernen und arbeiten können.

Auch die meisten Unternehmen arbeiten bereits seit Ende Februar von zu Hause aus. Sportstudios sind bis auf Weiteres geschlossen und auch für Sport draußen im Park gibt es bereits Einschränkungen: Gruppentrainings sind nicht erlaubt; wenn man zu zweit unterwegs ist, soll man mindestens einen Meter Abstand halten. Die Polizei ist angehalten, Gruppen aufzufordern sich voneinander fernzuhalten. Die Regierung empfiehlt dringend, zu Hause zu bleiben, weshalb ich mich jetzt mit meinen Freund*innen über Skype verabredet habe. Viele junge Leute verstehen den Ernst der Situation aber immer noch nicht und widersetzen sich nach wie vor den Empfehlungen.

Die Regierung empfiehlt dringend, zu Hause zu bleiben, weshalb ich mich jetzt mit meinen Freund*innen über Skype verabredet habe.
Francesca

Geschäfte und Restaurants sind bereits geschlossen, öffnen dürfen nur noch Supermärkte, Drogerien und Apotheken. Dort muss man anstehen – es werden immer nur wenige Menschen hereingelassen, um zu verhindern, dass man sich zu nah kommt. Ich weiß zwar, dass das alles starke Auswirkungen auf die Wirtschaft hat – denke aber auch, es ist gerade die einzige Lösung. Gleichzeitig bin ich besorgt, dass die anderen europäischen Ländern nicht so viel tun, wie sie sollten, um eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Die Anzahl der Infizierten, die sie jetzt haben, sind die Zahlen, die wir vor drei Wochen hatten. Man sollte das nicht unterschätzen."

Flavia, 20, unterrichtet Ballett für Kinder in Rom

"Freunde zu treffen ist zwar nicht streng verboten, aber wir müssen aufpassen und mindestens einen Meter Abstand voneinander halten – Küsse, Umarmungen und Händeschütteln sollen vermieden werden. Ich denke, all die Einschränkungen sind notwendig, um diejenigen zu schützen, die am ehesten von den gesundheitlichen Folgen des Coronavirus betroffen sind und so den Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Meine einzige Sorge ist, dass die Menschen diese Situation nicht so ernst nehmen, wie sie sollten. Wir dürfen jetzt nicht egoistisch sein und müssen zusammenarbeiten, um uns alle zu schützen."

Wir dürfen jetzt nicht egoistisch sein und müssen zusammenarbeiten, um uns alle zu schützen.
Flavia

Cinzia, 23, Masterstudentin in Mailand

"Natürlich ist das keine ideale Situation gerade – es fühlt sich irgendwie an wie ein sehr seltsamer Urlaub. Es wird früher oder später sicher langweilig werden, zu Hause bleiben zu müssen, aber ich denke, wir müssen in dieser Situation einfach akzeptieren, was man uns sagt. Sonst verschlimmert sich die Situation ja immer weiter. Meine Hauptsorge gilt den körperlich schwächeren Menschen: Die Situation in den Krankenhäusern ist aktuell sehr kritisch – es fehlt an Betten und Personal. Wenn weitere immunschwache Menschen das Virus bekommen, wird es immer schwieriger, sie angemessen zu behandeln."

Luigi, 22, studiert Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen in Rom

"Ich komme aus Rom, wo ich momentan mit meinen Eltern und meinem Bruder zusammenlebe. Es ist zwar leerer auf den Straßen geworden – aber alles Notwendige ist nach wie vor möglich. Vor den Supermärkten stehen die Menschen Schlange, da nur eine begrenzte Anzahl im Inneren erlaubt ist. Meine Mutter meinte aber, es gehe recht schnell – sie habe nur fünf Minuten gewartet. Drinnen wurde sie angehalten, etwa eine Einkaufswagenlänge Abstand zu anderen zu halten und Plastikhandschuhe anzuziehen, um unverpackte Lebensmittel zu berühren.

Ich denke, die aktuellen Maßnahmen sind mehr als gerechtfertigt. Expert*innenmeinungen zufolge ist die Situation sehr kritisch: Die Anzahl der derzeit infizierten Menschen wird auf weit mehr geschätzt, als aus den vorliegenden Daten hervorgeht. Das liegt unter anderem daran, dass Richtlinien zufolge nur mehr diejenigen getestet werden sollen, die eindeutige Symptome zeigen – was nicht bei allen Infizierten der Fall ist. Da jede*r Erkrankte das Virus aber potentiell weitergeben kann, ist es – denke ich – wichtig, sich an die verordneten Schutzmaßnahmen zu halten.

Da jede*r Erkrankte das Virus aber potentiell weitergeben kann, ist es – denke ich – wichtig, sich an die verordneten Schutzmaßnahmen zu halten.
Luigi

Gerade in Zeiten wie diesen muss das Gerede von Einheit und Zusammenhalt – wie sich Sprecher*innen der EU so gern äußern – in konkrete und praktische Hilfe umgesetzt werden. Das ist eine Herausforderung, die alle Länder betrifft oder betreffen wird. Wir sollten jetzt nicht individuell und ungeordnet handeln, viel kann von der richtigen Koordination und Solidarität abhängen. Alles, was dazu beitragen kann, die Verbreitung des Virus zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, muss ohne weiteres Nachdenken gewährt werden."