"Je langsamer sich Corona ausbreitet, desto besser kann unser Gesundheitssystem damit umgehen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einer Pressekonferenz vor wenigen Tagen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO klassifiziert die Ausbreitung des Coronavirus inzwischen als Pandemie – also als globalen Ausbruch einer neuen Krankheit. Mehr dazu lest ihr bei unseren Kolleg*innen von ZEIT ONLINE oder auf der Seite des Robert Koch-Instituts.

Wichtig sei momentan vor allem, dass sich möglichst wenig Menschen anstecken. Und da das Coronavirus nach derzeitigem Wissensstand vor allem über Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen) übertragen wird, ist es logischerweise schlau, wenn sich möglichst wenig Menschen begegnen. Dazu gehören nicht nur Großveranstaltungen, sondern auch der öffentliche Personennahverkehr und Büros.

Dennoch tun sich hierzulande einige Arbeitgeber*innen erstaunlich schwer, ihre Angestellten von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Das ist, milde formuliert, ziemlich unverantwortlich – wie ein Blick auf die Situation in Italien verdeutlicht. Deshalb: Lasst die Leute im Homeoffice arbeiten.

Wer kann im Homeoffice arbeiten?

Vorab: Es ist natürlich sonnenklar, dass das längst nicht bei allen Berufsgruppen machbar ist. Doch für viele gibt es theoretisch durchaus die Möglichkeit. "Im Homeoffice können alle arbeiten, die keine physische Präsenz zeigen müssen – zum Beispiel an Maschinen oder bei Menschen, also Produktionsarbeiter oder medizinisches Personal. Alles andere geht per Telefon, Zoom oder mit ähnlichen Tools", sagt Petra Barsch, Karriereberaterin und Expertin für zukünftige Arbeitswelten.

Während einige Unternehmen ihren Angestellten jetzt schon freistellen, im Homeoffice zu arbeiten, sträuben sich andere noch dagegen.

Woran das liegen kann, erklärt Petra Barsch so: "Meistens scheitert es an den Unternehmen und Führungskräften aus Angst vor Kontrollverlust." Das hänge mit dem Bild von Führung im klassischen Management zusammen – es geht um Kontrolle; Vorgesetzte fühlen sich sicherer, wenn sie ihre Angestellten sehen können.

Meistens scheitert Homeoffice an den Unternehmen und Führungskräften aus Angst vor Kontrollverlust.
Petra Barsch, Arbeits-Expertin

Diese Präsenzkultur habe ihre Wurzeln in einem Menschenbild aus dem vorletzten Jahrhundert: "Damals galten Arbeiter als faul und unwillig. Leider hat sich das, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt, bis heute gehalten", sagt Petra Barsch. "Virtuelle Führung ist viel schwerer und braucht andere Kompetenzen, als sie die meisten Führungskräfte mitbringen."

Ums Homeoffice ranken sich entsprechende Vorurteile. Es würde nicht richtig gearbeitet und hauptsächlich im Internet rumgegammelt. Wie jedoch jede*r weiß, wird auch in Büros nicht permanent hochleistungsmäßig performt, sondern auch mal ein Paar Schuhe geshoppt, ein Wochenendtrip gebucht oder mit Kolleg*innen geklönt. Das gehört dazu, Menschen sind keine Roboter. Und es gibt Studien, die belegen, dass Menschen im Homeoffice tatsächlich produktiver sind.

Voraussetzungen und Technik für erfolgreiche Homeoffice-Arbeit

Bei der Entscheidung, ob und wie Angestellte im Homeoffice arbeiten können, spielen auch die technischen Möglichkeiten eine Rolle. Voraussetzung ist natürlich eine gute Netzabdeckung. Daran, so Petra Barsch, scheitere es allerdings noch in manchen Gegenden. Ja, im Jahr 2020, in Deutschland.

Was Mitarbeiter*innen neben einem stabilen WLAN noch brauchen? "Laptop oder Computer, eine interne Kommunikationsplattform, unter Umständen einen VPN-Zugang", sagt die Expertin für zukünftige Arbeitswelten. Datensicherheit muss gewährleistet sein. Dazu gehört auch, dass Dritte – zum Beispiel Mitbewohner*innen, Kinder, Partner*innen – keinen Zugriff haben.

Doch es muss alles gar nicht unglaublich aufwändig sein. "Es geht auch ganz oldschool per Telefon, E-Mail oder per Videokonferenz", meint Petra Barsch. In Sachen Infrastruktur sind Unternehmen, die ihre Angestellten schon länger im Homeoffice arbeiten lassen, logischerweise im Vorteil.

Manche Firmen stellen sich immerhin schon mal darauf ein.

Gibt es ein Recht auf Homeoffice?

Einfach so im Homeoffice zu bleiben, geht übrigens selbst in Zeiten einer globalen Virenkrise nicht: "Es gibt kein Recht auf Homeoffice. Der Arbeitgeber darf Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen. Auch eine Pandemie ändert an dem fehlenden Rechtsanspruch grundsätzlich nichts", erläutert der Arbeitsrechtsexperte Michael Felser. "Wenn man eigenmächtig zu Hause bleibt, kann man eine Abmahnung kassieren – selbst, wenn man alle Arbeit von zu Hause erledigt hat. Einseitig darf man das also nicht entscheiden." Und wer trotz Abmahnung in den eigenen vier Wänden bleibt, muss mit einer Kündigung rechnen.

Es gibt kein Recht auf Homeoffice. Der Arbeitgeber darf Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen.
Michael Felser, Arbeitsrechtsexperte

Anders sieht es allerdings aus, wenn es einen Lockdown wie in Italien aktuell aufgrund des Coronavirus gibt: "Dann ist man aufgrund höherer Gewalt daran gehindert, im Betrieb zu erscheinen", sagt Michael Felser.

Damit es gar nicht erst soweit kommt, wäre es also durchaus sinnvoll, jetzt schon Angestellte zum Arbeiten ins Homeoffice zu schicken. Genau das tun einige Unternehmen.

Es hängen Leben daran, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Und wenn Heimarbeit auch nur ein Schräubchen ist, mit dem sich das bewerkstelligen lässt, dann vergesst Präsenzkultur, Vorurteile, Führungsschwäche und Kontrollwahn – und lasst die Leute im Homeoffice arbeiten.