Die asiatischen Traditionen gelten als prüde – alle sind höflich, hilfsbereit und vernünftig. Aber flirty? Eher nicht. Das sollen nun Kurse an der Universität in Tianjin im Osten Chinas ändern.

Der Professor Xie Shu ist Professor für Marxismus-Leninismus. Dieses Semester übernimmt er auch den Kurs "Theorie und Praxis romantischer Beziehungen". Die Inhalte sollen den Studierenden beibringen, auf Menschen zuzugehen und ins Gespräch zu kommen. Eine Fähigkeit, die die junge Generation anscheinend verlernt hat.

Als einen bedeutenden Indikator betrachten die chinesischen Behörden den Fakt, dass junge Chinesen durchschnittlich erst mit 22 Jahren zum ersten Mal Sex haben.

Soziale Inkompatibilität

Die chinesischen Millenials gelten als sozial inkompatible Einzelkinder. Das Online-Magazin Tribune führt das auf die chinesische Ein-Kind-Politik zurück, welche die chinesische Regierung 1979 einführte und erst letztes Jahr für beendet erklärte.

"Die letzten Generationen sind mit einem Mangel an Gesellschaft von gleichaltrigen Kindern aufgewachsen. Ein Junge, der mit einer Schwester aufwächst, gewinnt leichter ein besseres Verständnis für das weibliche Geschlecht und weiß, wie man mit Frauen umgeht", sagte der Sexologe Chinas Li Yinhe der Nachrichtenagentur AFP.

Die Studierenden haben zwar Lust auf die Liebe, bringen allerdings kaum Erfahrung mit. "Die Chinesen sind sehr reserviert. Deswegen sind Studierende erst sehr enthusiastisch, wenn es um Beziehungen geht. Aber eigentlich sind sie dabei ziemlich ahnungslos", sagt Cang Jingnuan, ein chinesischer Liebes-Autor.

Die chinesische Jugend sei zudem sehr von Leistungsgedanken geprägt. Bevor die Studierenden nicht ihren Universitätsabschluss bekommen haben, wäre Dating ein Tabu. Die meisten Eltern möchten, dass sich ihre Kinder ausschließlich auf die Lehre konzentrieren. Es bleibe schlicht keine Zeit für Liebschaften und Schwärmereien.

Liebe in der Leistungsgesellschaft

Doch sobald sie die Universität verlassen, gerät die junge Generation unter gesellschaftlichen Druck: Chinesinnen sollten spätestens mit 27 und Chinesen mit spätestens 30 Jahren einen Ehering am Finger tragen. Das gehört sich so.

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Doch wie sollen die universitären Kurse dagegen angehen?

Um Sex-Nachhilfe handelt es sich auf jeden Fall nicht. Vielmehr sollen die Teilnehmer*innen lernen, wie man am besten Menschen kennenlernt und ein lockeres Gespräch beginnt. Auch psychologische Inhalte zum Thema Selbstwert und Liebe gehören zum Curriculum. Die Teilnehmenden sollen unter anderem lernen, mit einer Zurückweisung umzugehen.

Professor Xie gibt Männern beispielsweise den Rat, Mädchen beim Daten nicht mit Fragen zu löchern. Frauen rät er zu mehr Selbstbewusstsein: "Schaut den Jungs in die Augen, auch wenn ihr euch unsicher fühlt!"

Wie sich Xie als Lehrbeauftragter für den Dating-Kurs qualifizierte, bleibt offen. Aus guter Erfahrung kann er nämlich nicht sprechen. "Ja, ich bin Single. Ich habe weder eine Ehefrau noch eine Freundin, das ist ziemlich peinlich."