Neulich im Stellenanzeigenteil: "Wir suchen dich! Wir sind ein innovatives, dynamisches Start-up, in dem du viel Raum für Deine Ideen, einen schönen Bürotisch, Getränke, Naschereien und einen wöchentlichen Obstkorb for free erhältst", stand dort geschrieben. "Arbeite mit tollen Menschen, die mit dir auf einer Wellenlänge sind und ganz bestimmt feiern wir auch die eine oder andere Büro-Party zusammen. Bewirb dich jetzt!"

Wenn ich mal eben übersetzen darf: "Wir sind ein aufstrebendes Unternehmen, von dem niemand so ganz genau weiß, ob es uns nächstes Jahr noch geben wird, deshalb zahlen wir schlecht, bieten dir aber Ersatzleistungen wie Obst (yeah!) und Kinderriegel (zweimal yeah!). Von den drei Euro, die du so wöchentlich einsparst, kauf dir was Schönes, zum Beispiel den obligatorischen Coffee to go – und frag bloß nicht nach einer Gehaltserhöhung."

Mehr Obst statt mehr Gehalt

Solche oder ähnliche Angebote sind leider keine Seltenheit. Wer sich bei einem Start-up bewirbt, bekommt in der Regel direkt beim Vorstellungsgespräch all die Vorzüge des aufstrebenden Unternehmens aufgezählt: Büro in einem coolen Loft, flache Hierarchien, Tischkicker für die gute Stimmung, immer volle Bierkisten, ein großzügiger Obstkorb in der Firmenküche. Die Gehaltsvorstellungen werden mit Hinweisen wie "Wir sind halt ein Start-up. Aber du bekommst hier immer frisches Obst" erst einmal nach unten gedrückt. "Bananen gegen Urlaub, Deal?"

Deal, wenn man gerade erst ins Berufsleben einsteigt, möglichst viele Erfahrungen sammeln will und einem die 1.200 Euro netto noch gigantisch viel erscheinen, nachdem man sich sein gesamtes Studium über mit 450-Euro-Jobs von Klausur zu Klausur hangeln musste. Für die meisten Berufsanfänger*innen ist es okay, erst mal mit verhältnismäßig wenig Geld zu starten. Vielen ist auch gar nicht klar, was ihnen eigentlich zusteht. Noch besteht zudem die Hoffnung, irgendwann einen Sprung auf der Gehaltsleiter zu machen – wenn man sich nur gut genug anstellt.

Auch ich kann ein Lied von den kollidierenden Gehaltsvorstellungen von Start-ups und Bewerber*innen singen. Zu Beginn meiner Karriere bin ich auf so manche junge Firma gestoßen, in der der Tenor lautete: Spaß gegen Arbeitskraft. Das hieß konkret: Nach Abzug der Steuern blieb mir trotz 45-Stunden-Woche und Gratisäpfeln gerade einmal genug Geld für ein WG-Zimmer übrig. Von Urlaub hätte ich ohne temporären Untermieter nur träumen können.

Geld sitzt bei Start-ups knapper

Laut der Studie Der große Berliner Start-up-Gehaltsreport, für die rund 3.400 Arbeitnehmer*innen befragt wurden, zahlen Berliner Start-ups durchschnittlich ein monatliches Einstiegsgehalt von 2.337 Euro brutto. Wobei auch das natürlich von der Branche abhängig ist. Im gefragten IT-Bereich wird meist mehr gezahlt als in den ohnehin überlaufenen Medien und Agenturen. Designer*innen und Leute in Sales-Positionen kratzen in den ersten zwei Jahren an der 2.000-Euro-brutto-Grenze.

Grundsätzlich ist es natürlich einleuchtend, dass Start-ups ihren Angestellten weniger als etablierte Großunternehmen zahlen. Wenn ein Unternehmen erst seit sehr kurzer Zeit besteht, möglicherweise noch in der Finanzierungsphase steckt, fehlt schlichtweg das Geld für ordentliche Gehälter. Diese müssen immer so kalkuliert werden, dass sie das Unternehmen nicht ruinieren. Und es stimmt sicher, als Angestellte*r eines Start-ups bekommt man viel Verantwortung und Aufgaben. Das ist natürlich prima, um Erfahrungen zu sammeln. Andererseits heißt das aber auch, dass man so gut wie immer über die vertraglich festgelegten 40 Stunden die Woche kommt – und das bei Verträgen, die in der Regel befristet sind und bei denen der Kündigungsschutz locker sitzt.

Ich hatte in meiner Zeit im Start-up eine zweiwöchige Kündigungsfrist und einen Vertrag, der auf nur acht Monate befristet war. Damit konnte ich zum Berufseinstieg, wo ich mich sowieso erst mal orientieren wollte, gut leben. Anders sieht es dagegen bei einer ehemaligen Kollegin aus, die schon zum zweiten Mal einen befristeten Vertrag unterschrieben hat: Sie steckt all ihre Zeit und Kraft in den Job und wird mit jeder neuen Vertragsverlängerung ruhig gestellt, aber ist vertraglich nicht abgesichert.

Zusatzleistungen wie wöchentliche Obstkörbe sollen über all diese Defizite hinwegtäuschen. Aber wenn Start-ups schon nicht mit dem Gehalt punkten können, sollten sie sich doch zumindest mehr einfallen als ein paar kleine Snacks – Fortbildungen zum Beispiel. Diese würden die Mitarbeiter*innen weiterbringen und auch dem Start-up nützen, das so qualifizierteres Personal erhielte. Doch dafür ist meistens zu wenig Zeit.

Einerseits wollen junge, kreative Unternehmen Angestellte, die mindestens genauso tatendurstig und dynamisch sind wie sie selbst. Andererseits lässt sich das schwer umsetzen, wenn das niedrige Gehalt größtenteils von finanzierungswilligen Eltern oder mit einem Nebenjob aufgestockt wird. Das macht auf Dauer nicht unbedingt leistungsfähiger. Mal abgesehen davon, ist Geld nicht nur eine materialistische Währung sondern, gerade im Berufsleben, auch ein Zeichen der Wertschätzung. Wer seine Arbeit gut macht, sollte dies auch am Gehalt sehen.

Von Obst können wir nicht leben

Eine Zeit lang rechnet es sich vielleicht, in einem Start-up zu arbeiten. Man bekommt mehr Verantwortung als in einem Großunternehmen und lernt bestenfalls viel. Wenn man jedoch sieht, dass man persönlich nicht weiterkommt, sei es in finanzieller Sicht, sei es in Bezug auf die beruflichen Herausforderungen, dann sollte man sich umorientieren. Wirklich leben kann man von der glücklichen Hipster-Atmosphäre und den neuen Kolleg*innen, mit denen man zu Anfang des Monats fancy vegane Bowls lunchen geht, auf Dauer nicht. Am Ende zählt, wie viel Geld auf dem Konto ist. Man kann schließlich nicht überall mit Äpfeln und Bananen bezahlen.