An mehr als 500 Orten der Welt treffen sich am Samstag Menschen zum March of Science. Auch die Nordseeinsel Helgoland ist dabei. 50 Menschen haben sich dort für den weltweit kleinsten Protest für die Freiheit von Wissenschaft angemeldet, schreiben die Organisator*innen auf ihrer Facebookseite.

In 21 weiteren Orten in Deutschland werden geschätzte 30.000 Menschen auf die Straße gehen, um für den "Wert von Wissenschaft, Fakten und Evidenzbasiertheit in Zeiten von 'alternativen Fakten' (= Lügen) einzutreten", schreiben die Organisator*innen auf der Website vom March for Science. Darunter sind Städte wie München, Berlin, Hamburg, aber eben auch kleinere Orte wie Helgoland oder Espelkamp. Einige deutsche Wissenschaftsorganisationen und Nobelpreisträger*innen unterstützen die Proteste. Die Organistor*innen hoffen, dass nicht nur Wissenschaftler*innen auf die Straße gehen werden. "Es handelt sich um einen Marsch für die Wissenschaft, nicht für Wissenschaftler", sagte Organisator Claus Martin der Süddeutschen Zeitung.

Seine Lebensgefährtin Tanja Gabriele Baudson ist eine der Initiator*innen des March of Science in Deutschland. ze.tt hat mit der Professorin für Methoden der empirischen Bildungsforschung über die Demonstrationen gesprochen.

ze.tt: Frau Baudson, warum gehen Sie morgen auf die Straße?

Tanja Gabriele Baudson: Freie Wissenschaft ist eminent wichtig für eine Demokratie. Wir haben es in Deutschland noch relativ gut, aber in Ungarn ist eine Universität von der Schließung bedroht, in der Türkei werden Wissenschaftler*innen verhaftet und in den USA argumentiert Trumps Beraterin auf Basis von alternativen Fakten, die schlicht Lügen sind. Aber wissenschaftliche Erkenntnisse sind die zentrale Grundlage des gesellschaftlichen Diskurses. Das wollen wir zeigen.

Ursprünglich war der March of Science in den USA als Anti-Trump-Demo gedacht. Warum protestieren Sie in Deutschland?

Wir wollen ein Signal senden, dass Populist*innen in Deutschland nicht noch stärker werden. Auch bei uns gibt es Tendenzen, vermehrt auf Basis von Emotionen und nicht von Fakten zu argumentieren. Dem hat die Wissenschaft etwas entgegenzusetzen: Sie liefert empirische Befunde, die verlässlicher und somit eine gute Grundlage für informierte Entscheidungen sind – im Privaten wie in der Politik.

Auch Populist*innen zitieren Studien und wollen damit ihre Argumente belegen, zum Beispiel beim Thema Klimawandel.

Sie picken sich oft selektiv die Dinge heraus, die ihre Meinung stützen. Aber das ist nicht Wissenschaft. Wissenschaftlich wäre es, den Stand der Forschung vollständig abzubilden. Dass zwei Forscher bei einem Thema zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, kommt vor. Dann heißt es oft, die Wissenschaft würde ja selbst nicht wissen, was sie macht. Dabei ist das völlig normaler Schritt im Erkenntnisprozess.

Da würde es helfen, wenn Wissenschaftler*innen besser erklärten, wie sie eigentlich arbeiten.

Ja, ich denke das Verständnis dafür, wie Wissenschaft funktioniert, ist noch nicht groß genug. Da müssen auch wir besser kommunizieren. Es bräuchte auch eine engere Verzahnung zwischen Schule und Wissenschaftsbetrieb. Was ist eine selektive Stichprobe, welche methodischen Ansätze gibt es, wie kommt man eigentlich zu Ergebnissen? Das Wissen darüber würde die Akzeptanz von Wissenschaft vermutlich erhöhen und dazu beitragen, dass Menschen wissenschaftliche Befunde kritischer lesen und besser einordnen können.

Wie geht es nach dem Protest weiter?

Wir wollen auf jeden Fall das Momentum der Bewegung nutzen, um konkrete Herausforderungen anzugehen. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist ein sehr wichtiges Thema. Auf unserer Internetseite haben wir einen Aufruf gestartet, um Ideen zu sammeln. Welche konkreten politischen Forderungen ergeben sich und wie lässt sich diese Arbeit fortsetzen? Unterstützung ist herzlich willkommen. Im Bochumer Kernteam des Science March Germany arbeiten wir aktuell zu zweit.