Er steht da, mit einer Kiste im Arm. Draußen im Auto wartet sein Bruder. Sie würde ihn gern umarmen, ein letztes Mal noch, aber da ist ja die Kiste und vielleicht ist es besser so. Er grinst unbeholfen, deplatziert. "Das war’s jetzt, oder?" Sie versucht, zurückzugrinsen. "Ja, ich glaube, das war’s." Als sie die Tür hinter ihm schließt, kann sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Wohnung, in der sie so viele Momente miteinander geteilt haben, die kleinen und auch die großen, ist jetzt halbleer.

So ähnlich läuft es in vielen Fällen ab, wenn Paare auseinanderziehen. Oft verlässt nach einer Trennung eine*r von beiden die gemeinsame Wohnung und der*die andere bleibt zurück. "Wenn ein Paar sich trennt, das nicht zusammen gelebt hat, behält jeder seinen Schutzraum", erklärt die Trennungsexpertin Elena Sohn. "Beim gemeinsamen Zuhause jedoch verliert ihn mindestens einer. Und das in einer Phase, in der man ihn so dringend braucht."

Aber auch der*diejenige, der*die zurückbleibt, hat keinen unversehrten Schutzraum mehr. Die eine Hälfte im Kleiderschrank ist plötzlich leer, im Bücherregal klaffende Löcher. Ein gemeinsames Zuhause aufzulösen, all die groben und feinen Fäden aufzutrennen, die sich in den Jahren miteinander verwoben haben, das ist unglaublich hart und schmerzhaft.

Der Plan ist gescheitert, wenn Paare auseinanderziehen

Dabei geht es nicht nur um Gegenstände und Gerechtigkeit. Es geht um den Verlust eines Lebensplans, eines Stückchens Identität und des Zuhauses. Wer ist man ohne den*die andere*n? Wie soll man allein in diesem großen Bett schlafen? Wo soll das Leben jetzt hinführen?

"Hat man als Paar zusammen gewohnt, dann bedeutet das in den meisten Fällen, dass man eine gemeinsame Zukunftsperspektive hatte – es ernst miteinander meinte. Die gemeinsame Wohnung oder das gemeinsame Haus waren für beide das Zuhause. Nach einer Trennung auseinanderzuziehen, ist der knallharte Beweis dafür, dass ein Lebensabschnitt endet. Und das häufig zu einem Zeitpunkt, an dem man emotional noch gar nicht so weit ist", sagt Elena Sohn.

Sich ganz grundlegend neu orientieren zu müssen, wenn doch alles, was das traurige Herz braucht, Stabilität, Schutz und Sicherheit wäre – das kann überwältigend sein und an den Grundfesten rütteln.

Ausziehen tut weh

Also ganz gleich, was der Grund für die Trennung war: Eine*r geht. Nur – wie regelt man den Auszug vernünftig, möglichst schmerzarm und ohne fliegende Vasen und Teller, wenn Paare auseinanderziehen? Hilfreich ist es natürlich, wenn man sich einigermaßen im Guten getrennt hat und beim Anblick des*der Partner*in nicht reflexhaft anfängt, Gift und Galle zu spucken. Ansonsten vorsichtshalber sicherstellen, dass man selbst nicht anwesend ist; gegebenenfalls eine Vertrauensperson als Stellvertretung hinschicken.

Sollte sich eine Begegnung anbahnen: sachlich bleiben, Abstand halten. "Die Übergabe der Sachen sollte besser nicht genutzt werden, um Krisengespräche zu führen. Der Druck ist in diesem Moment so hoch, dass das schnell nach hinten losgeht", berichtet die Trennungsexpertin aus Erfahrung.

Auch gut, wenn man sich vorher geeinigt hat, wer welche Dinge mitnimmt oder behält. "Für die Gegenstände gibt es keine feste Regel", sagt Elena Sohn. "Man sollte respektvoll und sachlich darüber reden. Streit sind sie in den meisten Fällen nicht wert." Also lieber den Fernseher rausrücken und dafür den Kühlschrank behalten oder umgekehrt. Hauptsache, es hängen nicht zu viele Erinnerungen daran.

Nur die Zeit trennt, der Raum bleibt der gleiche

Denn die Umgebung und Umstände in der Wohnung beschwören Bilder, wenn Paare auseinanderziehen. Da taucht plötzlich nach Monaten noch ein abrasierter Bartstoppel am Waschbecken auf, das Kissen, das nach ihm*ihr riecht, seine*ihre Tasse mit dem abgebrochenen Henkel … Der Raum ist ja noch immer der gleiche, nur der dünne Schleier der Zeit trennt die gemeinsam erlebten Momente.

Zumindest im Hinblick auf quälende Erinnerungen hat es der*diejenige, der*die aus- und in eine neue Wohnung zieht, tatsächlich ein bisschen leichter – obwohl so ein kompletter Anfang bei Null auch anstrengend sein kann. Aber ständig erinnert zu werden, das tut weh und verlängert den Trennungsschmerz. Was da ein bisschen helfen kann: neu machen.

"Es ergibt durchaus Sinn, das ehemals gemeinsame Zuhause umzugestalten, wenn einem danach ist. Möbel neu arrangieren, eventuell etwas Neues anschaffen oder sich von anderen Teilen trennen", rät Elena Sohn. Das Allerwichtigste sei demnach, es sich heimelig, muckelig, gemütlich zu machen. "Also einen Ort zu finden oder zu schaffen, der wirklich so ist, dass man sagt: Ja, hier fühle ich mich zu Hause. Das betrifft sowohl Ausziehende als auch Bleibende", sagt die Expertin.

Streichen, umbauen, dekorieren – und vor allem ausmisten. Dabei laut Elena Sohn aber nicht alle Erinnerungsstücke radikal in die Tonne kloppen: "Beiseite tun, aber bitte nicht wegwerfen. Irgendwann bereut man es möglicherweise." Lieber eine Herz-Kiste machen und ganz hinten in Kammer oder Kleiderschrank verbergen.

Im Zweifel selbst umziehen

Wenn jedoch keine Gewöhnung eintritt und die einstmals gemeinsame Wohnung zum dauerhaften Unwohlsein beiträgt, wenn in jeder Nische schmerzhafte Erinnerungen an die Zeit zusammen lauern und das Herz kneifen, oder wenn die Wohnung sich einfach nicht mehr gut anfühlt, dann kann es auch für den*die Bleibende*n Zeit für einen Umzug werden. Elena Sohn: "Wenn man sich im gemeinsamen Zuhause zum Beispiel nie wohl gefühlt hat, weil es gar nicht den eigenen Vorstellungen von Gemütlichkeit entspricht. Dann ist jetzt ein guter Moment, neue Wege zu gehen."

Denn so belastend und anstrengend es auch sein mag, wenn Paare auseinanderziehen und ihr Leben aufribbeln – es entsteht auch wieder Raum und Stoff für eine neue, eigene Geschichte. Und vielleicht sogar ein großes Abenteuer.