Jeden Nachmittag gegen 15:30 Uhr gehen bei mir die Lampen aus und die Konzentration macht ein Nickerchen – egal wie viel Kaffee ich trinke. Im Gespräch mit Freund*innen höre ich: Das geht nicht nur mir so. Durch Corona und Arbeit im Homeoffice sind Menschen in Bürojobs aus dem Alltagstrott ausgestiegen und haben entdeckt, wann und wie sie am besten arbeiten. Das ist nicht nur bei allen unterschiedlich, sondern auch abhängig vom Umfeld. Etliche Untersuchungen befassen sich derzeit damit, wie wir aktuell und in Zukunft arbeiten. Und obwohl sich abzeichnet, dass Corona das Arbeitsleben nachhaltig verändert, ist eins dabei auch klar: Flexibles Arbeiten läuft auf Dauer nicht ohne mehr Gleichberechtigung.

Was flexibles Arbeiten bedeutet

Flexibles Arbeiten – also den Job an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten auszuüben – ist in gar nicht so wenigen Berufen möglich. Das hat eine Untersuchung der britischen Uni Oxford ergeben. Demnach kann zum Beispiel in den USA knapp ein Viertel aller Tätigkeiten fernab des Arbeitsortes ausgeübt werden, was mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte betrifft.

Doch die Umstellung von 9-to-5 im Büro klappt nicht durch bloßes Wünschen. Flexibles Arbeiten erfordert neue Strukturen – über VPN, Laptops und Tools wie Slack oder Trello hinaus. Und zwar in den Haushalten, Unternehmen und der Gesellschaft.

Dazu gehören Regelungen für die Arbeitszeit, da es durch die nicht oder kaum vorhandene räumliche Trennung von Arbeitsplatz und Lebensraum leichter zu zeitlichen Entgrenzungen kommt. Außerdem sind Regeln für Kommunikation nötig; unter anderem, weil die Zahl der Mails und Slack- oder anderer Nachrichten zu allen Uhrzeiten zunimmt. Und flexibles Arbeiten kommt auch nicht ohne einen angepassten Führungsstil aus, der auf Vertrauen basiert.

Vor allem ist Gleichberechtigung ein entscheidender Aspekt von flexibler Arbeit, der nicht außer Acht gelassen werden darf.

Warum kann flexible Arbeit Ungleichheit fördern?

In Folge der Corona-Einschränkungen hat Arbeit im Homeoffice deutlich zugenommen – jedenfalls in Berufen, in denen das grundsätzlich möglich ist, wie beispielsweise IT, Verwaltung, Banken, Medien, Versicherungen. Die damit einhergehende zusätzliche Belastung, wie Beschulung und Betreuung der Kinder, ist in Familien allerdings meistens den Müttern zugefallen.

"Es ist im Alltag, ,wenn doch die Frau zu Hause ist', leichter gesagt als getan, dass auf ihre beruflichen Aufgaben genauso Rücksicht genommen wird wie auf die des Mannes", sagt Marianne Weg, Expertin für Arbeits- und Genderpolitik, ehemalige Abteilungsleiterin im Hessischen Sozialministerium und Autorin von Agenda Gute Arbeit: geschlechtergerecht!.

Dass das so ist, liegt vor allem an den noch immer existierenden Rollenvorstellungen. Frauen haben angeblich natürlicherweise ein Händchen für Haushalt und Kinder, während Männer selbst an Aufgaben wie Abwaschen scheitern, weil sie … nun ja, eben Männer sind. Wenn beide von zu Hause aus arbeiten, ergibt sich demzufolge quasi von allein, wer zwischen Meetings und Deadlines die Wäsche oder Hausaufgabenbetreuung macht. Dadurch steigt logischerweise die Belastung für Frauen.

"Das Kunststück der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Homeoffice darf nicht vollbracht werden durch mehr Multitasking und noch mehr Beweisdruck, wie viel Frau am Arbeitsplatz leistet", sagt Marianne Weg.

Was ist für flexibles Arbeiten wichtig ?

In Familien und Haushalten ist für geschlechtergerechtes flexibles Arbeiten eine entsprechend ausgeglichene Aufteilung der Sorgearbeit und des Mental Loads nötig. Das heißt vor allem: Absprachen treffen und einhalten – aber auch der gleichberechtigt aufgeteilte Blick für alltägliche Kleinigkeiten. Brauchen wir neue Müllbeutel? Muss der Geschirrspüler ein- oder ausgeräumt werden? In welcher Stimmung kommt das Kind von der Schule nach Hause und was braucht es dann?

"Wenn eine*r von beiden im Homeoffice arbeitet, die oder der andere dagegen nicht, müssen trotzdem Hausarbeit und Sorge für die Kinder fair geteilt werden, darüber müssen Paare sprechen", so Marianne Weg. Das gelte auch bei Teilzeit und wenn beide ganz oder teilweise im Homeoffice sind. "Damit sich beide wirklich die Familienarbeit teilen, müssen beide daran arbeiten."

Auch Firmen müssen die Umsetzung von Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten aktiv und gezielt steuern und gestalten – mit Frauen und Familien im Blick. Doch viele Vorgesetzte würden von Männern laut Expertin eher erwarten, dass sie jederzeit für Höchstleistungen und Überstunden verfügbar sein und Präsenz zeigen würden – auch im Homeoffice. Das erschwert geschlechtergerechtes flexibles Arbeiten zusätzlich.

"Ohne den Willen an der Spitze des Unternehmens geht es nicht", meint Marianne Weg. "Das Ziel nachhaltiger, menschengerechter Arbeitsbedingungen muss konkret und glaubwürdig dokumentiert sein, beispielsweise im Unternehmensleitbild." Aber den Worten müssten auch Taten folgen – zum Beispiel Prozesse und der Einsatz von Ressourcen wie Aufmerksamkeit, Zeit, Geld.

Außerdem ist gleiche Bezahlung wichtig für flexibles Arbeiten ohne zunehmende Geschlechterdiskriminierung. Denn wenn in einer Familie die Frau für einen vergleichbaren Job weniger verdient als ihr Partner, ist der Schritt zu "Dann arbeitest du halt in Teilzeit und beschulst die Kinder, so fällt unser Verlust geringer aus" ebenso naheliegend wie nachteilig für die Frau; nicht nur wegen der niedrigeren Rente später.

"Flexibles Arbeiten im Homeoffice oder in Teilzeit darf nicht das Modell in erster Linie für Frauen sein, die sich um die Kinder kümmern und mit den vorhandenen Angebotsstrukturen von Kita und Schule klarkommen müssen", sagt Marianne Weg. "Neue flexible Arbeitszeiten und -orte müssen für beide Geschlechter als Option zum Ausbalancieren von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit propagiert und praktiziert werden. Also gerade auch für Männer."

Das geht jedoch nicht ohne gesellschaftliche Veränderungen. Laut Marianne Weg sei ein Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins und der Verhältnisse notwendig: "Die Politik auf allen Ebenen muss Gesetze und Unterstützungsstrukturen so gestalten, dass individuelle Lebensmuster nicht mehr quasi von Natur aus geschlechtstypisch vorherbestimmt sind."

Konkret bedeute das unter anderem Elternzeitregelungen, mit denen tatsächlich erreicht werde, dass mehr Väter Elternzeit nehmen. Und zwar länger als nur ein paar Monate. Aber unter anderem auch das bereits erwähnte Schließen der strukturellen Lohnlücke, diskriminierungsfreier und beschäftigungssichernder Mutterschutz statt Schwangerschaft als Exit-Ereignis sowie Rechtsanspruch auf Krippe und Kita.

Echte Perspektiven

Nur wenn Arbeitsbedingungen an den Lebensbereich Familie angepasst werden, kann flexibles Arbeiten funktionieren und die damit einhergehenden Veränderungen nicht zur Benachteiligung von Frauen führen – oder wie Marianne Weg sagt: "Nur dann können Frauen in einem Beruf auf Dauer und mit einer Perspektive erwerbstätig sein, nicht bloß in einem Job auf Zeit oder als Zuverdienerin."