Okay. Die Welt fühlt sich derzeit ziemlich finster und hoffnungslos an – Klimakrise, Feuer, Angst, Hass, politisches Chaos. Doch auch im engeren Rahmen, im persönlichen Alltag, erleben wir oft Stress, komplexe Anforderungen und verschiedenste Formen von Druck: finanziell, beruflich, privat, gesundheitlich, emotional … All das ist enorm belastend.

Natürlich ist niemand so naiv zu glauben, dass wir mit Küsschen und Umarmungen die Zerstörung des Planeten aufhalten oder inkompetente, garstige Kolleg*innen oder Vorgesetzte ausbremsen können, aber zumindest auf persönlicher Ebene ist Liebe gesund und macht einen echten Unterschied.

Ja, Liebe ist nachweislich gesund

Zum Beispiel haben nämlich Wissenschaftler*innen der University of Arizona in dieser Studie unlängst untersucht, wie sich Liebe aufs Stressempfinden und aufs Herz-Kreislauf-System auswirkt.

Dazu haben sie über 100 Teilnehmer*innen in festen Beziehungen in drei Gruppen eingeteilt: Eine, in der Partner*innen während des Experiments anwesend waren; eine, in der die Teilnehmer*innen an ihre*n Partner*in denken sollten; und eine dritte, in der sie einfach ihren Tag vor Augen haben sollten. Dann wurden sie in eine Stresssituation gebracht; sie sollten in eiskaltes Wasser tauchen. Vorher, währenddessen und danach wurden Blutdruck und Herzschlag gemessen.

Ergebnis: Selbst der bloße Gedanken an den*die Partner*in konnte den Blutdruck in der Stresssituation ebenso senken wie seine*ihre tatsächliche Anwesenheit im Raum.

"Innige Beziehungen, insbesondere erfüllende romantische Partnerschaften, werden durchweg immer wieder mit positiven Effekten auf die körperliche Gesundheit in Verbindung gebracht", schreibt Studienautor Kyle Bourassa auf der Webseite der Uni. Mit der Untersuchung ist nachgewiesen, dass dazu allein die Vorstellung ausreicht.

"Das Leben ist stressig, und eine entscheidende Art des Stressmanagements sind unsere Beziehungen", fasst Kyle Bourassa zusammen. "Es gibt etliche Situationen – beispielsweise bei der Arbeit, während Prüfungen oder auch bei medizinischen Untersuchungen und Eingriffen – in denen wir konkret davon profitieren, unseren Blutdruck im Rahmen zu halten. Und unsere Ergebnisse zeigen, dass der Beziehungsansatz dabei ziemlich wirkungsvoll sein kann."

Liebe im Leben zu haben, wirkt sich also definitiv positiv auf die Gesundheit aus. Klar soweit?

Liebe kann heilen – und krank machen

Doch Liebe hilft nicht nur in akuten Stresssituationen. Zahlreiche Studien belegen, dass sich stabile, gute Beziehungen zum Beispiel auch auf die Lebensdauer auswirken können.

Und wer Bluthochdruck oder Herzprobleme hat, könne gesundheitlich konkret von einer liebevollen Beziehung profitieren und Beschwerden loswerden, erklärt die Paartherapeutin und Beziehungsexpertin Andrea Bräu: "Dass Verliebtsein oder Liebe solche Dinge verändern können, kenne ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. Das begegnet mir tagtäglich in der Praxis."

Im Gegenzug kann Liebeskummer allerdings auch regelrecht krank machen: "Ich erlebe es auch immer wieder, dass Menschen im Rahmen von Trennungen Herz-Kreislauf-Beschwerden entwickeln", sagt Andrea Bräu. In seltenen Extremfällen kann das sogar zum Broken-Heart-Syndrom führen.

Liebe tut der Gesellschaft gut

Es ist für uns Menschen also gesundheitlich vorteilhaft, Liebe in unser Leben zu integrieren. Aber nicht nur auf persönlicher Ebene entfaltet Liebe eine beruhigende, positive Wirkung. Wenn man den Bogen weiter spannt und nicht nur auf romantische Beziehungen beschränkt, können verschiedene Arten der Liebe verschiedene gute Dinge bewirken.

Familiäre und fürsorgliche Liebe verleiht beispielsweise Stabilität, Sicherheit, Geborgenheit und so was wie Wurzeln. Dabei ist der Familienbegriff weit gefasst; auch nicht-biologisch verwandte Menschen oder Freund*innen können sich wie Familie anfühlen. Konkret sind wir dann uneingeschränkt füreinander da, helfen uns in Krisensituationen. Auch hier reicht manchmal nur das Wissen, dass es jemanden gibt, dem*der wirklich etwas an uns liegt.

Und dann gibt es noch eine Art Liebe, oder vielleicht eher gesagt Freundlichkeit, die wir in die Welt tragen können. Also, höflich, respektvoll, wertschätzend und herzlich mit anderen Menschen interagieren – ob im Job, beim Einkaufen oder im Bus. Wer nämlich selbst Freundlichkeit erlebt, gibt eher Freundlichkeit an jemanden weiter, der*die dann wiederum … Genau so umgekehrt: Wenn alle motzen und pöbeln und niemand bitte und danke sagt – warum sich selbst dann noch Mühe geben?

"Wir müssen wegkommen von dem Glauben, dass wir alle abgegrenzte Wesen sind und niemand mit dem anderen etwas zu tun hat. Das Gegenteil ist der Fall", meint Andrea Bräu. "Wir grenzen uns alle viel zu sehr ab. Deshalb schauen wir weg, es geht uns quasi alles nichts an."

Doch jeder reflektierte und ausgeglichene Mensch habe einen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Voraussetzung dafür sei, die eigene Stabilität im Blick zu haben – die innere Sicherheit, quasi. "Sind wir stabil und mögen wir uns selbst, dann können wir auf andere ganz anders zugehen und müssen uns nicht auf ihre Kosten stabilisieren", erläutert Andrea Bräu.

Dann haben wir beispielsweise nicht das Bedürfnis, Dampf abzulassen und jemanden anzuranzen, der*die eigentlich nichts für unsere Gefühle oder Situation kann. Oder uns aufzuwerten, indem wir jemand anderen kleinmachen. Wir können andere Menschen und Umstände so annehmen, wie sie sind.

Deshalb sei eine der wichtigsten Arten der Liebe auch die Selbstliebe. Sie werde oft unterschätzt beziehungsweise mit Egoismus oder Narzissmus gleichgesetzt: "Das ist schade. Wenn mehr Menschen mit sich im Reinen wären, dann hätten wir viel weniger Probleme", meint Andrea Bräu.

Liebe ist alles

Also. Liebe in ihren verschiedenen Formen ist gesund für den Körper, die Seele und im Grunde auch für unsere Welt. Sie verleiht die Kraft, Ängste zu überwinden, zu helfen, Dinge zu verändern, Verständnis zu haben. Und ich denke, wir könnten gerade ziemlich dringend mehr davon gebrauchen.