Ach, das klassische Chef*innenbild des 20. Jahrhunderts: Befehle bellen, für Zucht und Ordnung sorgen, nach oben buckeln, nach unten treten, hart durchgreifen – Stromberg lässt grüßen. Dass das weder zeitgemäß noch effektiv ist, sollte sich inzwischen zumindest vage bis in die hinterletzte Butze rumgesprochen haben.

Dennoch überlebt in vielen Unternehmen der hierarchisch-autoritäre Stil. Folge: Angestellte fühlen sich geknechtet, sind nicht engagiert und trauen sich weder Kritik noch Vorschläge anzubringen. Irgendwann geben sie auf. "Menschen kündigen dann wegen Chefs, wenn Anerkennung, Rückendeckung, Feedback oder Unterstützung für Entwicklung fehlen […] vor allem aber oft bei unkontrolliertem Verhalten – also ungehobelt, unflätig, herabwürdigend", sagte mir vor einiger Zeit die Karriereberaterin Petra Barsch.

Dabei wäre eine empathische, integre Führung, die sich als Dienstleistung für die Mitarbeitenden versteht, eine ebenso simple wie Erfolg versprechende Lösung. Ja, wirklich. Niemand muss schreien und Mitarbeitende das Fürchten lehren, um Ziele zu erreichen. Im Gegenteil.

Niemand muss schreien und Mitarbeitende das Fürchten lehren, um Ziele zu erreichen. Im Gegenteil.

Wer Erfolg haben will, muss freundlich sein

Wie gut freundliche Führung funktionieren kann, haben inzwischen Wissenschaftler*innen in einem Projekt für die University of Exeter untersucht. Dafür haben sie 130 bereits veröffentlichte, unabhängige Studien zum Thema gründlich analysiert und einige Theorien ausführlich daran getestet.

Das Ergebnis dieser Forschung ist ziemlich eindeutig: Ein Management, das sich an ethischen Grundsätzen orientiert, auf Vertrauensbasis operiert und aufrichtiges Interesse am Wohlbefinden und an der Entwicklung der Angestellten zeigt, wirkt sich nachgewiesenermaßen sehr positiv auf die Arbeit, Angestellten und das gesamte Arbeitsumfeld aus.

Ja, Führung ist vor allem was mit Menschen

Dr. Allan Lee, Leiter der Studie, erklärt laut Uniwebseite dazu: "Angestellte haben eine positivere Einstellung zu ihrem Job und fühlen sich häufig auch ermutigt, kreativer zu sein. Und das führt zu einem Anstieg der Produktivität." Höhere Zufriedenheit, höherer Output. Zudem verbessere sich auch das Miteinander von Führung und Team.

"Wir empfehlen Unternehmen deshalb, gezielt 'Dienstleistungsführungskräfte' zu suchen und an einflussreiche Positionen zu setzen", sagt Dr. Lee, "ebenso wie ihre Fortbildungsprogramme und Auswahlverfahren darauf auszurichten." Denn genau daran hapert es häufig noch: Die meisten Vorgesetzten werden wegen ihrer Fachkompetenz und Expertise befördert, nicht wegen ihrer zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Dabei bedeutet Führung paradoxerweise vor allem, für Menschen verantwortlich zu sein.

Hart? Nee, lieber herzlich

Wichtig seien laut Dr. Lee daher vor allem zwei Dinge: Vertrauen und Fairness. Und das ist logisch: Wer dem*der Chefin vertraut und sich gerecht behandelt fühlt, hat im Joballtag mental deutlich weniger mit Existenz- und Versagensangst, Druck und Stress zu kämpfen und kann folglich deutlich mehr Ressourcen für die Arbeit aufwenden, ist fokussierter, kreativer und kann sich besser entwickeln.

Die Vorstellung, eine Führungskraft müsse Durchsetzungsvermögen durch Autorität und Härte zeigen, ist also überholt – hält sich jedoch leider in vielen Unternehmen noch immer hartnäckig; sie tun sich schwer mit einem entsprechenden Kulturwandel und geben oft alte, hierarchische Muster weiter. Anders gesagt: Pöbelboss mit Beißerqualitäten befördert ähnlich gestrickten Pöbelboss und so weiter – the circle of Schrei.

Sanfte Führung lohnt sich auch für Vorgesetzte

Dabei wächst bei einem freundlichen Führungsstil auch die Loyalität zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Ein*e Chef*in, der*die nicht nur kompetent ist, sondern auch die Angestellten gut behandelt und sich in Krisensituationen vor sie stellt, kann in den meisten Fällen darauf zählen, dass ihm*ihr ebenso Respekt und Vertrauen entgegengebracht werden.

Die freundliche, sanfte Art der Führung lohnt sich also in jedem Fall – nicht nur unternehmerisch in Sachen Produktivität und Output, sondern auch zwischenmenschlich.