Beginnen wir von vorne: Ein Gif ist ein in Endlosschleife laufendes Kurzvideo. Oder wie es Jan Hofer von der Tagesschau nennt: Gifs sind Internetkurzvideos mit Wiederholungsschleife, mit denen Emotionen ausgedrückt werden können. Aber egal, wie man sie beschreiben möchte, Gifs haben keinen Ton. Nie. Grundsätzlich nicht. Sie sind komplett geräuschlos. Hat ein Video einen Ton, mag es auch noch so kurz sein oder noch so oft wiederholt werden, ist es kein Gif mehr. So.

Nun gibt es aber ein Gif, das scheinbar mit dieser Regel bricht. Zu sehen sind zwei Strommasten, die mit einem dritten Strommasten Seilhüpfen spielen.

Das Gif hat wie jedes andere Gif keinen Ton. Trotzdem melden sich aus den Weiten des Internets immer mehr Menschen, die behaupten, hören zu können, wie der Strommasten nach jedem Sprung auf dem Boden aufprallt.

Nach anfänglichem Augenverdrehen und Kopfschütteln beschloss ich, eine kleine Umfrage in der Redaktion zu starten. Mit überraschendem Ergebnis: Alleine in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld können fünf Menschen diesen Aufprall hören. Einige würden tatsächlich ein Geräusch hören, andere beschreiben es als ein Gefühl, das zudem auch noch unangenehm ist. Wieder andere könnten sich zumindest vorstellen, wie das Geräusch klingen könnte. Letztes zählt allerdings nicht. Das kann ja wohl jede*r.

Ursprünglich stammt das Gif von Twitter-User Happy Toast und geistert schon seit 2008 im Internet herum. Doch erst vergangenes Wochenende wurde die Internetgemeinde auf dessen seltsame Wirkung aufmerksam. Warum verwirrt dieses Gif die Sinne so sehr?

Eine Überreaktion des Gehirns

Die Antwort heißt Synästhesie. Aus dem Griechischen übersetzt heißt das "Vermischung der Sinne" und genau das passiert in unserem Gehirn. Es vermischt einen oder mehrere physisch getrennte Bereiche der Wahrnehmung – es überreagiert. Oder anders gesagt: Wird ein bestimmtes Sinnesorgan gereizt, kann das Gehirn andere Sinnesorgane miterregen, obwohl sie selbst gar keinen Reiz erfahren haben. Das kann mit Farben und Temperaturen passieren, wenn jemand beispielsweise beim Sehen der Farbe Blau zu frieren beginnt oder bei Gelb ein Gefühl der Wärme empfindet. Oder es kann mit Ton, Musik und Räumlichkeit passieren. Im Falle der hüpfenden Strommasten tritt das Phänomen besonders stark auf, da die Kamera ein wenig mitwackelt und somit die Illusion verstärkt.

Das Phänomen hat eine Menge mit unserer Erwartungshaltung zu tun. Wenn wir einen Basketball auf den Boden hüpfen sehen, erwarten wir, dass er ein typisches Aufprallgeräusch macht. Das lernen wir und gewöhnen uns schon in der Kindheit daran. Das Geräusch macht verbunden mit der Aktion des Balls einfach Sinn. Diese Erwartung kann so stark sein, dass manche Menschen diesen Ton auch dann hören, wenn er ausbleibt. Sie haben quasi ein visuelles Ohr.

Laut Christopher Fassnidge, Psychologie-Doktorand an der City University of London, hat etwa jede*r Fünfte ein sogenanntes vEAR (visually-evoked auditory response). Wenn du wissen willst, ob du auch dazugehörst, schau dir diese visuellen Tests an.

Das Gif der springenden Strommasten ist nicht das einzige, das manchen Menschen Geräusche in den Kopf pflanzt. Hier kommen weitere: