Er ist fertig ausgearbeitet, der Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU. Den Entwurf hat der NDR am Mittwoch veröffentlicht. Auf knapp 200 Seiten haben die Parteien ihre Beziehung zementiert.

Der Vertrag enthält einige umstrittene Punkte: Beispielsweise die Begrenzung des Familiennachzugs oder den fehlenden Stichtag, ab wann Deutschland endgültig aus dem Kohleabbau aussteigt. Trotz dieser Schwächen findet man viele eindeutig sozialdemokratisch geprägte Inhalte, die das Leben von jungen Menschen in Deutschland in den nächsten Jahren konkret verbessern könnten.

Die wichtigste Errungenschaft ist womöglich, dass das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben wird. Das bedeutet, dass der Bund künftig direkt Gelder in die Bildung stecken kann: Und laut des Koalitionsvertrags wird er das auch ausgiebig tun. Es soll mehr Kita-Plätze, digitalere Schulen und mehr Studienplätze an Universitäten geben. Ein zweistelliger Milliardenbetrag ist dafür insgesamt vorgesehen.

Hier eine Auswahl an Punkten, von denen Menschen in der Ausbildung künftig profitieren könnten:

Mehr Bafög!

Hoch die Tassen, liebe Studierende! Wenn alles glatt läuft, könnte es bald für mehr Menschen mehr Geld im Rahmen des Bafög geben. Im Entwurf des Koalitionsvertrags steht: "Das Ausbildungsförderungsgesetz des Bundes (BAföG) wird ausgebaut und die Leistungen werden deutlich verbessert."

Netflix ohne Stocken, jetzt auch in deinem Kaff

SPD und Union wollen's jetzt ernsthaft angehen mit dem Glasfaserausbau. Das Ziel: "Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus." Bedeutet: Solltest du in Hinterbuxtehude wohnen, bekommst du womöglich innerhalb der nächsten vier Jahre schnelles Internet. Bis zu zwölf Milliarden Euro will der Bund dafür locker machen. Bestehende Funklöcher sollen geschlossen werden. Und in allen öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie in allen Bahnhöfen und Zügen der Deutschen Bahn sollen offene und kostenfreie WLAN-Hotspots eingerichtet werden.

Digital aufs Amt gehen

Für alle, die schon mal auf dem Amt warten mussten und sich darüber geärgert haben, dass Menschen regelmäßig zum Mond pendeln, man aber immer noch vier Stunden für einen simplen Personalausweis anstehen muss, für die gibt es gute Nachrichten: Die Verwaltung soll digitalisiert werden und die Kommunikation zwischen Ämtern und Bürger*innen nur noch online stattfinden. Wie gut die Oma Inge damit klar kommen wird, ist noch unsicher, aber die meisten Menschen unter 35 dürfte dieser Fortschritt freuen.

Kindergeld wird um 25 Euro je Kind erhöht

Für alle unter 25-Jährigen, die studieren oder eine Ausbildung machen, nicht mehr daheim wohnen und deshalb von ihren Eltern jeden Monat das Kindergeld überwiesen bekommen, gibt es gute Nachrichten: Das Kindergeld steigt für jedes Kind um 25 Euro! Bisher beträgt das Kindergeld für das 1. und 2. Kind 194 Euro – künftig folglich 219 Euro. Vielleicht ist also zukünftig in der letzten Monatswoche noch Geld für mehr als nur Kartoffeln übrig. Vorausgesetzt natürlich, die Eltern rücken das Kindergeld raus.

Mietpreisbremse wird nachgebessert

Die Mietpreisbremse wurde zwar schon in der letzten Legislaturperiode eingeführt, funktioniert hat sie Expert*innen zufolge jedoch eher so semigut bis gar nicht. Ein Grund dafür ist die mangelnde Transparenz: So dürfen Vermietende die Miete von Wohnungen, die neu vermietet werden, nur begrenzt erhöhen (mehr dazu erfahrt ihr hier). Da man als Mieter*in meist aber gar nicht weiß, wie viel die vorherigen Mietenden gezahlt haben, ist die bisherige Regelung praktisch zwecklos. Im Koalitionsvertrag wird nun unter anderem festgelegt, dass Vermietende offenlegen müssen, wie viel die Vormietenden bezahlt haben.

Klar, die Mieten in den meisten deutschen Großstädten sind schon sehr hoch. Aber das Wachstumspotenzial in Städten wie München oder Berlin ist immer noch groß. Durch die Nachbesserungen der Mietpreisbremse sowie der Finanzspritze von zwei Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau, die die große Koalition ebenfalls beschlossen hat, könnte zumindest erreicht werden, dass die Mieten langsamer steigen – dass sie steigen, daran wird sich jedoch erst mal nichts ändern.

Mehr Frauen in die Wissenschaft

Von Studium, über Post-Doc bis hin zu Juniorprofessur: Je weiter man sich auf der Universitätskarriereleiter nach oben bewegt, desto geringer wird der Anteil an Frauen. Grund dafür ist nicht nur, dass Forschung und Familie häufig schwierig vereinbar sind, sondern auch andere strukturelle Probleme. Die große Koalition will, dass zukünftig mehr Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen arbeiten. Um das zu gewährleisten, sollen Forschungseinrichtungen künftig neue Kriterien erfüllen müssen, um an Fördergelder zu kommen. Im Vertrag liest man, dass "verbindlichen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils sowie die Einhaltung von Gleichstellungsstandards" Voraussetzung für Finanzmittel werden sollen.

Mehr Schüler*innen und Azubis ins Ausland

Jede*r, der*die schon mal an einem Schüler*innenaustausch teilgenommen hat, weiß, dass es bei diesem Austausch um so viel mehr geht, als nur darum, eine Sprache zu lernen. Man wird konfrontiert mit einer anderen Kultur, einem anderen Lebensstil, lernt Toleranz und Aufgeschlossenheit. SPD und Union wollen nun ermöglichen, dass die Austausche möglichst komplett unabhängig vom elterlichen Geldbeutel möglich sind.

"Sich begegnen und einander zu verstehen sind wichtige Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben in Europa und weltweit. Deshalb wollen wir den internationalen Jugendaustausch weiter stärken, damit junge Menschen unabhängig von Herkunft und Bildung die Chance haben, an einem internationalen Jugendaustausch teilzunehmen", liest man im Entwurf des Koalitionsvertrags. Und nicht nur der Austausch von Schüler*innen, auch die "internationale Mobilität" von Azubis soll gefördert werden.

Studieren im Ausland

Gute Nachrichten gibt es auch für alle Studierenden, die vorhaben, ein Semester lang im Ausland durchzufeiern und ab und zu verkatert eine Vorlesung durchzuschlafen. "Europa muss ein Kontinent der Chancen sein, besonders für junge Menschen", liest man im Europateil des Koalitionsvertrags. "Sie sind Europas Zukunft. Wir wollen, dass junge Menschen ihre Hoffnungen auf Europa setzen können. Wir wollen, dass sie gute Jobs finden, sich frei und mobil in Europa bewegen können [...]." Aus diesem Grund sollen auch studentische Austauschprogramme wie Erasmus+ ausgebaut werden.

Mehr Geld für angehende Meister*innen

Die Groko möchte besonders junge Menschen, die eine Ausbildung absolviert haben und nun einen Meister machen, studieren oder sich weiterbilden wollen, finanziell unterstützen. Zum Beispiel soll das sogenannte Aufstiegs-Bafög ausgebaut werden. Gesell*innen, die die Meisterprüfung erfolgreich bestehen, sollen die angefallenen Ausbildungsgebühren ganz oder zumindest zu großen Teilen erstattet werden. Damit sollen "finanzielle Hürden für angehende Technikerinnen und Techniker, Meisterinnen und Meister sowie Fachwirtinnen und Fachwirte" abgebaut werden. Außerdem will die künftige Regierung Übergänge zwischen akademischer und beruflicher Bildung erleichtern und das duale Studium stärken.

Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten

Die Arbeitswelt verändert sich. Vor allem die digitale, sojadetoxkaffeetrinkende Großstadtbohème arbeitet nicht mehr von Schlag 8 bis Schlag 17 Uhr innerhalb eines festen Bürokomplexes. Nein, heutzutage arbeitet man nicht mal zwingend im Homeoffice, sondern von seinem Lieblingskaffeedealer aus und checkt auch am Wochenende am See mal zwei Stunden lang seine Mails. Die große Koalition will diese Art zu Arbeiten weiter fördern und einen Rechtsrahmen ausarbeiten, der vor Missbrauch vonseiten der Arbeitgebenden schützen soll.

Im Ausland erworbene Qualifikationen anerkennen

In den vergangenen Jahren sind sehr viele junge Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen. Viele haben schon in ihren Heimatländern Ausbildungen und Studienabschlüsse erworben. Künftig sollen diese Berufsqualifikationen besser festgestellt und anerkannt werden: "Die Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote zum Anerkennungsgesetz wollen wir weiterentwickeln und den Anerkennungszuschuss ausbauen."

Noch ist nicht sicher, ob der Koalitionsvertrag tatsächlich zustande kommt. Der Entwurf steht – nun müssen die SPD-Mitglieder darüber abstimmen, ob die Partei auf Basis dieses Vertrags in die Regierung gehen soll oder nicht.

Ihr wollt selbst mal in den Entwurf des Koalitionsvertrags reinschnuppern? Hier findet ihr das ganze PDF.