Ein alter Mann sitzt in Sandalen auf dem Bett eines Schlafzimmers, raucht Pfeife und hört Musik. Durch die zerstörten Fenster scheint die Sonne herein, sie beleuchtet die graue Raumruine und die Trümmer eines ganzen Lebens.

Wir können uns vorstellen, wie dieser Mann einst auf seinem Bett gesessen haben muss, als noch alles normal war in Aleppo. Als Musikhören in dieser Stadt noch nichts Außergewöhnliches war. Als dort noch gesungen, geschlafen, gelebt wurde.

Seit sechs Jahren ist Syrien ein Land im Krieg, täglich Bomben, tausende Tote, darunter viele Kinder, Zerstörung, Armut, Hunger, Flucht. Die damals so blühende Großstadt Aleppo ist nahezu komplett zerstört. Sie wird vom Assad-Regime kontrolliert, das die Rebellen im vergangenen Dezember komplett vertreiben konnte.

Weil sie vor etwa einem Jahr schon einmal eine Geschichte über ihn machten, besuchte ein Fotograf der Presseagentur AFP kürzlich erneut das Haus des Mannes. Er wollte wissen, was aus ihm wurde. Dabei entstand das symbolträchtige Foto, das gerade um die Welt geht.

"Ein Moment des Friedens in der Hölle auf Erden"

Der Mann auf dem Foto ist der 70-jährige Mohammed Mohiedin Anis. Er war ein wohlhabender Mann mit Familie, in der Stadt nannte man ihn "Abu Omar", wie der Fotograf Joseph Eid der Washington Post erzählte. Er spricht fünf Sprachen, studierte Medizin und baute sich ein Unternehmen auf, mit dem er Lippenstifte verkaufte.

Früher war Anis ein begeisterter Sammler von Oldtimern. 30 Stück hatte er, er pflegte und hütete sie, weil er sie seinen acht Kindern vererben wollte. Diese und seine zwei Frauen sind geflohen, er selbst schaffte es vor dem verheerenden Bombenhagel auf seinen Stadtteil ebenfalls aus der Stadt.

Als er wieder zurückkam, waren die meisten seiner Autos zerstört. Wie sein altes Leben. Trotzdem lebt er weiterhin in seinem alten Haus. Den Journalisten, die ihn für Fotos und Videos besuchten, sagte er: "Nichts wird mich davon abhalten, es wieder aufzubauen, wieder zu leben. Hier wurde ich geboren und hier werde ich sterben."

Die wenigen intakten Autos sind das Letzte, was ihm blieb. Er sagt, für ihn seien sie wie seine eigenen Kinder. Als Fotograf Eid ihn darum bat, ihm sein Haus zu zeigen, führte Anis ihn in sein Schlafzimmer.

Anis erzählte ihm, dass er klassische Musik möge, also legte er eine Platte auf und setzte sich aufs Bett. Eid spürte laut Washington Post nicht gleich, dass die Szenerie derart geeignet für ein symbolträchtiges Bild sei, sondern stand nur im Türrahmen und schaute Anis zu, wie er seine kaputte Pfeife zunächst mit Klebeband reparierte und sie sich dann ansteckte. Dann drückte Eid den Auslöser. Der Fotograf verabschiedete sich und zog weiter, die beiden hatten danach keinen Kontakt mehr. Anis hat kein Telefon.

Es erzählt einen ganzen Roman in nur einer Aufnahme." – Ishaan Tharoor, Autor

Nachdem das Bild auf Instagram hochgeladen wurde, schrieb ein User dazu, dass es einen Moment des Friedens in der Hölle auf Erden zeige. Wie wahr.