Doch geht man durch das grüne Holztor, stehen auf Fensterbrettern und alten Steinmauern Weinflaschen mit knallbunten Etiketten in Orange, Grün und Rosa. In fetter schwarzer Schrift steht "Der Wilde" auf den Flaschen. So heißt eine der Weinlinien hinter denen ein 26-jähriger Winzer steckt. Ein Mann mit Basecap auf dem Kopf. Einer der gerne elektronische Musik mag, oft "saugeil" sagt und mit dem Rennrad zur Arbeit fährt.

Die neuen Etiketten kamen mit Andreas Weigand. Und auch im Weinberg und im Keller hat Weigand vor vier Jahren einiges geändert. Nach der Winzerlehre kam er zurück ins Weingut der Eltern. Die produzierten noch für einen Kund*innentyp, wie ihn viele Winzer*innen kennen. "Einmal im Jahr kommen die vorbei, knallen sich ihren Kofferraum voll und bleiben dir treu", sagt Weigand. Doch dieser Kund*innentyp sterbe aus.

Die Ansprüche der Kundschaft steigt

Denn ob Craft Beer, Gin oder Wein – wir wollen wissen, wo unsere Getränke herkommen, wer sie gemacht hat und außerdem sollen sie gut aussehen. Viele junge Winzer*innen sehen das genauso und krempeln beim Generationswechsel einiges um. Nicht immer zur Freude der Eltern.

In Iphofen hatte Andreas Weigand vier Ziele. Er wollte den Betrieb auf Bio umstellen, die Reben mit der Hand lesen, die Weine spontan vergären lassen und im großen Holzfass ausbauen. "Diese vier Dinge machen für mich einen geilen Wein aus", sagt er. Doch was bedeutet das?

Bei der Spontanvergärung wird der Wein durch natürlich im Weinberg und im Keller vorkommende Hefearten vergärt und nicht durch speziell gezüchtete Hefen. Bei der Weinlese arbeitet er mit der Hand. Seine Weine will er nicht mehr im Stahltank ausbauen, sondern in großen Holzfässern. Mehr Natur, weniger Technik sollte es sein.

Wie reagiert die Familie?

Seine Eltern waren allerdings skeptisch. "Am Anfang musste ich mich schon beweisen", sagt er. Doch der junge Weigand wollte eine andere Stilistik und einen Biobetrieb. Jeder Schritt wurde in der Familie diskutiert. "Ich musste eine Menge Überzeugungsarbeit leisten. Aber wo Reibung ist, da entsteht Wärme." Nach und nach stellte er das Weingut um. Und mit jedem Erfolg zogen die Eltern mehr mit.

Nur die Oma sagt noch manchmal, dass sie das alte Etikett vermisst." – Andreas Weigand

Was die biologische Bewirtschaftung verändert hat, kann man im Weinberg sehen. Zwischen den Reben wachsen dort Klee, Mohn, Malve, Borretsch und Sonnenblumen. Es blüht rot, gelb und orange. Es riecht nach Gräsern und Kräutern. Im Weinberg nebenan wird noch mit Glyphosat gespritzt. Unter den Reben wächst nur etwas Moos, sonst traurige Leere. "Bei uns blüht das wie sau", sagt er. "Das lockt Nützlinge an, sieht aber auch geiler aus." Weinberg, sagt Weigand, müsse auch schön sein. "Das ist ja mein Arbeitsplatz."

Wieso die Etiketten auf dem Wein so wichtig sind

Das Handwerk im Weingut ist damit im Grunde ein Stück traditioneller geworden. Keine Herbizide und Pestizide mehr, Holz statt Stahl, Hand statt Maschine. Alles uralte Methoden. Doch insbesondere in den 1950ern und 60ern ging ein anderer Trend durch die Weinwelt. Für jedes Problem produzierte die chemische Industrie ein Mittelchen: Stickstoff-Dünger, Herbizide, Pestizide und Fungizide wurden auf die Pflanzen gesprüht. Immer mehr Winzer*innen wenden sich von dieser Philosophie ab und wollen ihre Weinberge wieder natürlicher und traditioneller bewirtschaften. Die toxischen Substanzen sollen aus dem Weinberg verschwinden.

Dass hinter dem Wechsel zum Traditionellen aber ein junger, etwas freakiger Winzer steht, sollte auch nach außen sichtbar werden. "Wir wollten einfach zeigen, wer hinter dem Wein steht"; sagt Weigand. Denn wer einen Wein kaufen will, sieht zu erst das Etikett. Nicht den Weinberg.

Noch nicht am Ende

Die Weine seiner Eltern zierten ein altes Häuschen im traditionellen Design. Die neuen Etiketten sollten modern und frech sein und trotzdem einen Bezug zur Familie haben. "Wir haben dann mit unserem Namen gespielt", sagt er. Weigand bedeutet auf altgermanisch Kämpfer und Held. "Eigentlich ganz geil, dachte ich. Unsere schönsten Weine sollten also ‚Der Held’ heißen." Dazu kam "Der Franke": Silvaner im klassischen Bocksbeutel. "Eine saugeile Rebsorte." Die dritte Linie wurde "Der Wilde".

Der erste Jahrgang verkaufte sich gut. Der zweite besser. Seine Eltern ziehen mit. Nur das Schild draußen, "das muss eigentlich mal weg", sagt Weigand.