Vor ziemlich genau zwölf Jahren stand ich vor einer Pastorin, sagte "Ja, ich will" und meinte es auch so. Vor ziemlich genau zehn Jahren saß ich vor einer Richterin und sagte: "Ich gebe hiermit an, dass meine Ehe unwiderruflich gescheitert ist."

Es hat nicht geklappt, wir haben uns unmerklich auseinandergelebt. Warum genau, das weiß ich bis heute nicht. Die Liebe ist kurz Zigaretten holen gegangen und nie zurückgekommen. So ähnlich ging es schon vielen Menschen in meinem Bekanntenkreis. Und nicht nur ihnen: Im Jahr 2017 betrug die Scheidungsquote in Deutschland rund 37 Prozent; auf eine Ehe kamen also etwa 0,4 Scheidungen.

Aber es soll sie ja geben, diese Beziehungen, die lange sind und voll erfüllt. Die halten. Nur wie findet man sie? Und vor allem: Wie bleibt man dabei, wie zum Teufel schafft man das?

Das sagt der Beziehungsforscher

Wenn man sich diese Frage stellt, kommt man an einem Mann nicht vorbei: John Gottman. Der US-Psychologe hat seit den 1970er Jahren Tausende von Paaren untersucht und ihre Verhaltensweisen beobachtet. Unter den wachsamen Augen Gottmans und seiner Kolleg*innen machten Frischverheiratete normale Alltagsdinge, wurden an Elektroden angeschlossen, zu ihrer Beziehung befragt und Daten, wie die der Herzfrequenz, ausgewertet.

In all den Jahrzehnten seiner akribischen Forschung fand Gottman Folgendes heraus: Der Kern dauerhaften Beziehungsglücks ist Freundlichkeit. Ja, genau – lieb sein!

Wait. Ist das Rezept für die Liebe echt so simpel?

Es ist wie ein vermeintlich einfaches Rezept für Pasta Napolitana oder gutes Sauerteigbrot: Die richtigen Zutaten sind entscheidend.

Die Leute in Gottmans Experiment, deren Herz beim Gedanken an den*die Partner*in raste, waren sechs Jahre später mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit getrennt oder kreuzunglücklich. Denn die Nähe des*r jeweils anderen löste in ihnen offenbar steinzeitliche Signale aus wie die Begegnung mit einem gefährlichen Mammut. Kampfmodus on!

Trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe halten wir doch fast alles andere für wichtiger als diese.“ – Erich Fromm

Diejenigen hingegen, die gelassen geblieben waren, waren länger zusammen. Sie fühlten sich vertraut, verbunden und verhielten sich zueinander eher zärtlich und zugewandt – sogar im Streit.

Gottman beobachtete bei Paaren außerdem, dass beide im Laufe eines Tages immer wieder Verbindungsanfragen stellen. Das sind banale Kommentare, bei denen es nicht um die Sache geht, sondern um das Herstellen emotionaler Nähe. Wer also sagt: "Guck mal, was die Katze wieder macht!" meint oft eigentlich: "Hey, hast du mich noch lieb?"

Und die Reaktion der*s anderen darauf verrät alles über die Beziehung.

Diese eine Kleinigkeit entscheidet

Entweder, er*sie geht darauf ein oder gibt sich desinteressiert. Laut Gottman waren sechs Jahre später die Ehen gescheitert, in denen es bloß auf ein Drittel der Verbindungsanfragen eine positive Rückmeldung gab. Die Paare hingegen, die bei neun von zehn Malen auf ihre*n Partner*in eingegangen waren, waren weiterhin zusammen und glücklich.

Durch die Beobachtung dieser Interaktion kann Gottman mit 94-prozentiger Trefferquote vorhersagen, ob ein Paar sich trennen oder zusammenbleiben wird. Und zwar ungeachtet aller anderen Faktoren wie zum Beispiel: Alter, Geschlecht, Bildung.

Man liebt so, wie man die Welt sieht

Entscheidend ist die Grundeinstellung. Handelt es sich um einen Menschen, der das Leben negativ sieht und nach Fehlern und Problemen sucht? Oder um eine Person, die dankbar, aufgeschlossen und aufmerksam ist?

Wer den*die andere*n ignoriert, gibt ihm*ihr das Gefühl, egal zu sein. Wer hingegen freundlich ist und sich bemüht, sorgt für eine stabile Beziehung. Das Gegenüber fühlt sich angenommen, wertgeschätzt, verstanden und respektiert. Mit anderen Worten: geliebt.

Einfach und einleuchtend. Und wissenschaftlich erforscht.

Lieb ja – aber nicht um jeden Preis

Dabei heißt nett sein aber nicht, negative Gefühle zu verdrängen. Stattdessen geht es darum, auch bei Müdigkeit oder im glühendsten Zoff die innerlich ausgestreckte Hand zu bewahren und nicht das Schlechteste von dem*r Partner*in zu denken. Also weniger verletzende Worte herumschleudern und mehr offen sagen, warum man sich jetzt gerade gekränkt fühlt oder nicht zugänglich sein kann.

Zusammengefasst: Eine lange, glückliche Beziehung ist permanente harte Arbeit. Und damit auch eine Frage der Priorität und des eigenen Bewusstseins.

Liebe ist keine Selbstgängerin

Vor allem nicht dann, wenn sie halten soll. Oder wie Erich Fromm in Die Kunst des Liebens schrieb: "Trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe halten wir doch fast alles andere für wichtiger als diese: Erfolg, Prestige, Geld und Macht. Unsere gesamte Energie verwenden wir darauf, zu lernen, wie wir diese Ziele erreichen, und wir bemühen uns so gut wie überhaupt nicht darum, die Kunst des Liebens zu erlernen."

Eine Sache allerdings ist auch noch von entscheidender Wichtigkeit – beide müssen an der Beziehung arbeiten wollen; eine*r alleine kommt nicht weit oder anders gesagt: Wer lieben will, muss freundlich sein.