Hin und wieder verbergen sich die ganz großen Fragen des Lebens ja in schmissigen Popsongtiteln – oder wie Haddaway Anfang der 1990er ins Mikro röhrte: What is Love? Eine Antwort findet sich in den 4 Minuten 29 Sekunden des synthie-schwangeren Großraumdisko-Soundtracks nicht, aber das ist auch zweitrangig.

Es kann mitunter verflixt schwer sein, den eigenen Emotionen 100-prozentig zu vertrauen. Geschweige denn, sie zu verstehen. Woran erkennt man in seinem eigenen Herzen unter all den Zwiebelschichten aus Erfahrungen und Verletzungen, dass man jemanden aufrichtig liebt? Also, nicht bloß verknallt ist oder die Person sehr gern hat, dass man nicht nur ein Kindheitsmuster oder alte Ego-Dramen wiederholt – sondern dass es wirklich richtige Liebe ist.

Ist es das Bauchkribbeln? Der fantastische Sex? Das Gefühl, ohne den*die andere*n nicht leben zu können? Oder eher Vertrautheit, Nähe, inniges Verständnis – quasi wie Freundschaft, aber irgendwie anders? Fragen wir doch mal Menschen, die sich tagein, tagaus von Berufs wegen mit dem Thema Liebe befassen.

Liebe ist …

In den meisten – obschon nicht in allen – Fällen fängt Liebe klassischerweise mit dem Verknallen an. Also geflügelte Insekten im Verdauungstrakt, rosarote Brille auf der Nase, diesdas. Und irgendwann, entwickelt das Gefühl sich weiter. Oder eben nicht.

"Liebe wird gern mit Verliebtheit verwechselt. Nur wenige schaffen es vom Stadium der Verliebtheit – in meinen Augen ein geschenktes Gefühl – auf die Ebene der Liebe – eher eine Fähigkeit – hinaufzukommen", meint die Münchner Beziehungsexpertin Andrea Bräu.

Liebe ist demnach eine Fähigkeit. Etwas, das man trainieren kann. Und laut Andrea Bräu ist der erste Schritt dahin, die Liebe von den Forderungen des Egos zu befreien: "Die meisten Menschen knüpfen Liebe an Bedingungen: 'Wenn du mich wirklich lieben würdest, wüsstest du …‘ oder 'Ich liebe dich, so lange du ...‘." Die so geäußerten Bedürfnisse haben ihre Wurzeln nicht selten in der Kindheit.

Wichtig sei es, den anderen Menschen um seiner selbst zu lieben und nicht, weil er*sie in bestimmte Muster passt oder gewisse Anforderungen erfüllt. "Jemanden zu lieben bedeutet: Ich liebe dich nicht für das, was du hast, sondern für die Person, die du bist’", sagt Andrea Bräu. Außerdem passiere Liebe nicht von selbst im luftleeren Raum: "Sie ist auch immer eins: eine Entscheidung."

Wenn also Liebe zwar aus Verliebtheit entsteht, aber nicht unbedingt mit ihr gleichzusetzen ist, kann es dann vielleicht sein, dass sich Liebe ziemlich verdächtig nach Freundschaft anfühlt?

"Verliebtsein fühlt sich schnell, gefangen, stürmisch, aufregend an; das Gefühl der Liebe ist eher ruhig, klar, angenehm, warm, freundlich, frei", differenziert die Berliner Paarberaterin Anna Holfeld. "Es sind unterschiedliche Phasen. Verliebtsein ist eine Voraussetzung für Bindung; der rosarote Blick macht Mut, sich aufeinander einzulassen." Danach komme dann irgendwann die ruhigere Phase. "Wichtige Worte sind Nähe, Freundschaft, Großzügigkeit und sich Fels in der Brandung sein", sagt Anna Holfeld.

Doch so gemächlich die Liebe auch dahinplätschern mag, es gebe durchaus klare Unterschiede zur Freundschaft: "In einer Freundschaft fehlen die Erotik und die Entscheidung, das Leben zu teilen – im Sinne von Bett, Urlaub, Teller und Kinder." Auch hier wieder die Liebe als bewusste Entscheidung für einen Menschen – und damit potenziell gegen alle anderen. In Zeiten des endlosen Optionenstroms auf Tinder, Bumble und Co. nahezu anachronistisch.

Vor allem aber sei die Liebe selbstlos. Nicht im Sinne von Aufopferung, aber als aufrichtig empfundene Großzügigkeit, ohne klammerndes, nagendes, nervendes Ego. "Wenn man jemanden liebt, kann man die Person loslassen, ihr das Beste wünschen, sie positiv, ehrlich und liebevoll betrachten", sagt die Paarberaterin.

Momente, in denen klar war: Das ist Liebe

Ich habe auf Social Media gefragt, wann Menschen einfach mit jeder Faser wussten, dass es Liebe ist. Keine Affäre, keine Freundschaft, sondern Liebe mit den ganz großen Buchstaben. Erkannt in einem einzigen Augenblick

Manche haben diesen Moment ganz allein erlebt:

Man muss und kann diesen Moment auch gar nicht immer genau erklären, wie ein*e Leser*in auf Tellonym schrieb: "Beim Spaziergang auf Höhe des Nivea-Hauses in Hamburg. Keine Ahnung, warum gerade da, auf einmal war das Gefühl da und ich wusste es einfach."

Die Großzügigkeit ohne gekränktes Ego? So kann sie übrigens aussehen: "Ich habe ihm gestanden, dass ich manchmal noch an meinen Ex-Freund denke, obwohl die Beziehung nicht gut für mich war. Ich hatte mit Streit und Tränen gerechnet (so war es immer mit besagtem Ex), aber er meinte einfach nur 'Ja, das kenne ich. Solche Situationen sind schwer. Willst du noch Kontakt mit ihm? Vielleicht können wir ja einen Weg finden, der sich für dich gut anfühlt.' Da wusste ich: Mit ihm könnte ich für den Rest meines Lebens zusammen sein," wie jemand auf Tellonym mitteilte.

In manchen Fällen dauert es auch, bis es soweit ist, wie jemand anders schrieb: "Wir sind fast ein Jahr umeinander gekreist und waren beide nicht wirklich bereit für eine Beziehung, aber konnten nicht voneinander lassen. Dann hatten wir uns ein paar Monate nicht gesehen, zufällig auf einer Party getroffen und sind uns in die Arme gefallen. Seitdem haben wir uns nicht mehr losgelassen."

Und manchmal zeigt sich wahre Liebe auch erst, wenn sie fast verloren scheint:

Das, genau das

Liebe ist folglich kein blanker Zufall; sie ist nichts, was einem die gute Fee zum Geburtstag schenkt. Sie ist das Ergebnis eines gemeinsamen Weges. Er beginnt mit dem Verliebtsein, dann folgt eine beidseitige und bewusste Entscheidung füreinander. Dann kommt erst mal eine gewisse Emotionsarbeit an sich selbst und miteinander, Akzeptanz, Verständnis, Vertrauen. Und erst dann folgt irgendwann die Erkenntnis, oft offenbart in einem einzigen Moment: Ja, das ist es. Genau das.

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