Anna war wütend. Anna war enttäuscht. Aber vielleicht war Anna auch einfach nur ratlos. So wie sie da ineinander gefaltet auf dem Sessel am Fenster saß und eine Papierserviette zerrupfte, machte sie zumindest einen verwirrten Eindruck. "Könnt ihr mir das erklären?", fragte sie Paul und mich, "könnt ihr mir das bitte mal erklären?!"

Anna hatte die vergangenen Wochen damit verbracht, mit einem Arbeitskollegen zu flirten. Erst zaghaft, dann ziemlich unverhohlen. "Ich bin doch selbst die Skeptischste, wenn es um die Interpretation solcher Flirterei geht, aber das war wirklich eindeutig. Oder?" Paul und ich kannten die Geschichte in allen Einzelheiten und nickten stumm. "Und als wir dann gestern Abend allein beim Bier zusammensaßen und ich dachte, jetzt passiert endlich was, sagt er plötzlich, er hätte eine Freundin. Eine Freundin!" Anna musste fast lachen: "Was soll das?!"

Flirterei und Rückzug

Paul stellte sein Glas ab und erklärte beschwichtigend, das sei doch nun vermutlich jedem*r schon mal passiert. Dass man sich etwas zu weit vorgewagt habe beim Flirten. Man wisse zwar, dass man es eigentlich nicht tun sollte, aber Flirten sei schließlich auch für einen selber schmeichelhaft. Und wenn man die Person nun mal mag, dann beachtet man das innere Stoppschild nicht. Die eigentlich entscheidende Frage, so Paul, sei also nicht, was das sollte, sondern bis wann es noch Flirten sei und ab wann man sich zu Recht verschaukelt fühlen kann.

Und er hat recht. Solche Situationen kennen wir vermutlich alle. Situationen, in denen wir mit jemandem flirten, weil wir ihn*sie mögen und den Punkt nicht erwischen, an dem die Schäkerei bei der anderen Person Erwartungen weckt, die man selber – warum auch immer – nur enttäuschen kann.

Wie bei Anna geschehen. Durch die Flirterei hatte sich bei ihr ein ziependes Hochgefühl in der Magengegend bemerkbar gemacht, weil sie glaubte, dass die Gefühle erwidert wurden. Doch diese sorgenfreie Flirterei hatte sich dann als wacklige Planke herausgestellt. Vermeintlich eindeutige Signale und dann ein noch viel eindeutigerer Rückzieher.

Wie berechtigt sind die Vorwürfe?

Flirten kann kippen und dann weh tun. Auch wenn noch nichts passiert ist, wie es etwas verklemmt heißt. Denn schon lange Blicke und zweideutige Nachrichten können kleine Versprechen auf ein Mehr sein. Ein Mehr, das sich der*die ersehnt, das ihm*ihr aber nicht gegeben wird.

Doch ab wann darf man sich berechtigterweise verarscht fühlen? Wie schwierig diese Frage ist, sieht man an Anna. Sie fühlt sich enttäuscht, auch getäuscht, aber zugleich weiß sie auch, dass sie dem Kollegen nicht viel vorwerfen kann. Ehrlich war er schließlich. Zumindest irgendwann.

Eine zweite Frage ist, wann man selbst anfängt, mit den Erwartungen anderer zu spielen und wann es besser wäre, die Schäkerei einzustellen. Auch darauf gibt es keine einfache Antwort. Schließlich sind wir uns unserer Gefühle oft genug auch nicht sicher. Dann scheint es intuitiver, diese Gefühle beim Flirten einfach auszuprobieren und zu schauen, wie sie sich entwickeln. Und selbst wenn sie nicht weit genug reichen, dann war die Flirterei wenigstens als Experiment gut. Leider ein schmerzhaftes für die*den andere*n.

Wer sich im Flirtdilemma wiederfindet, der*die wird sich also schwer tun, zwischen richtig und falsch zu entscheiden – egal auf welcher Seite man steht. Flirten ist erlaubt oder ist nicht erlaubt? Oft haben beide Sichtweisen ihre Berechtigung, aber mindestens eine*r fühlt sich missverstanden.

Eine einfache Regel gibt es aber doch, das Dilemma für sich aufzulösen und eine Entscheidung zu treffen: Wer von Anfang an nicht verantworten kann, dass etwas passiert und mehr aus dem Flirt wird, sollte gar nicht erst damit anfangen.