Die Worte des Amtsarztes von Berlin-Reinickendorf waren deutlich: Dem rbb sagte er, dass es nun darum gehe, Clubs und Bars zu schließen und alle Veranstaltungen mit Publikum abzusagen. Es müsse alles geschlossen werden, wo Menschen zusammenkommen. "Sonst werden wir es nicht mehr kontrollieren können", sagte Larscheid.

Was sagen die Clubs zu den Forderungen? ze.tt hat mit Lutz Leichsenring gesprochen. Er ist im Vorstand der Berliner Clubcommission, dem Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturveranstalter*innen.

ze.tt: Lutz, werden die Clubs in Berlin dieses Wochenende geöffnet haben?

Lutz Leichsenring: Momentan gibt es noch keine offizielle Anordnung, also gehe ich davon aus, dass viele Clubs weiter geöffnet haben und die von uns empfohlenen Vorsorgemaßnahmen umsetzen. Lediglich große Clubs wie das Berghain und der Tresor mit mehr als 1.000 Gästen haben wegen der Anordnung schließen müssen.

Ein Berliner Amtsarzt sagt, dass man alle Clubs und Bars schließen sollte. Was sagst du dazu?

Wir sind keine Epidemie-Expert*innen. Wenn die das fordern, dann muss es eine politische Entscheidung geben, die dann auch bedeutet, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen für Mitarbeiter*innen und Künstler*innen mitgedacht werden müssen. Es kann nicht sein, dass man uns mit dieser Entscheidung alleine lässt.

Clubs wie das Berghain und der Tresor mit mehr als 1.000 Gästen haben wegen der Anordnung schließen müssen.
Lutz Leichsenring, Berliner Clubcomission

Warum nicht?

Wenn ein Großteil der Clubs nach zwei Wochen insolvent sind, stehen Existenzen von Labels, Bookingagenturen, Tourveranstalter*innen und zehntausenden Mitarbeiter*innen und Künstler*innen langfristig auf dem Spiel. Wenn wir von alleine die Clubs schließen, ist es, als ob du deinen Job kündigst. Es ist dann dein Verschulden und du trägst auch zunächst alle finanziellen Folgen.

Wie wären die denn?

Viele Clubs würden maximal zwei Wochen durchhalten und wären dann insolvent. Da ist finanziell alles auf Kante genäht. Im Schnitt hat ein Club rund 30 Mitarbeitende, dazu kommt die Miete, Nebenkosten, Ausfallgebühren für Künstler*innen und so weiter. Und einige Vermieter*innen warten nur darauf, dass Betreiber*innen mit der Miete in Rückstand geraten, damit sie schnell kündigen können.

Was würde ein politischer Beschluss, dass ihr schließen müsst, an dieser Lage ändern?

Vielleicht gar nichts, außer Rechtssicherheit. Es ist nicht absehbar, ob es Unterstützung bei Mietzahlungen oder den ausfallenden Löhnen für die Mitarbeitenden geben würde. Es gibt bislang keinerlei finanzielle Entschädigung.

Das klingt ernst.

Es ist die größte Krise der Berliner Kulturszene seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Was würde den Clubs helfen?

Wir überlegen gerade, einen Fonds mit der Industrie und Start-Ups aufzulegen, der sozialen Härtefällen helfen könnte. Aber die Lage der Gesamtwirtschaft ist ja auch nicht so rosig im Moment.

Wie ist dein Ausblick für die kommenden Wochen?

Meine Hoffnung ist, dass sich – vielleicht durch einen kompletten Shutdown – die Lage so beruhigen kann, dass in wenigen Wochen wieder Normalität herrscht.

Widerspricht das nicht euren Bestreben, die Clubs möglichst geöffnet zu lassen?

Wir wollen uns da auch nicht aus der Verantwortung stehlen. Natürlich sind Clubs Orte, an denen soziale Kontakte stattfinden – und das ist bei einer Vireninfektion einfach kontraproduktiv. Aber wenn sich die Situation noch lange weiter so hinzieht, ist es eben ein langsamer Tod der Sub- und Offkulturen dieser Stadt.

Welche Maßnahmen trefft ihr denn, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren?

Falls es nicht zur Schließung kommt, empfehlen wir allen Betreiber*innen, die Auslastung auf 70 Prozent zu reduzieren. Außerdem sammeln wir von allen Gästen die E-Mail-Adressen oder Telefonnummern ein, um gegebenenfalls nachträglich Auskunft geben zu können, wenn es zu einer Ansteckung kommt.