Die USA und Nordkorea sind sich nicht grün. Das waren sie noch nie so wirklich, gegenseitige Provokationen gab es schon immer, die Welt kennt das nicht anders. Es ist ein langer, schwelender Konflikt – der womöglich gerade auf seinen Höhepunkt zusteuert. Seit dieser Woche scheint sich das fragile Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu verschärfen.

Am vergangenen Freitag startete eine nordkoreanische Rakete. Sie flog etwa 45 Minuten lang und erreichte eine Höhe von 3.000 Kilometern. Auf einem flacherem Kurs hätte sie die dreifache Strecke zurücklegen und damit fast bis nach Chicago reichen können. Das zeigte der Welt und vor allem Donald Trump: Nordkorea kann die USA mit seinen Sprengköpfen erreichen. Außerdem war kurz zuvor ein japanischer Militärbericht erschienen, wonach Nordkorea erhebliche Fortschritte beim Atomwaffenprogramm gemacht hat – und möglicherweise bereits kleine Atomköpfe hat, die per Rakete gegen die USA eingesetzt werden könnten.

Trump reagierte am Montag. Vom Golfplatz aus, wo er während seines Urlaubs residiert, erklärte er spontan Nordkorea und seinem Diktator Kim Jong-Un indirekt den Krieg. Sollten die USA bedroht werden, werde mit "Feuer, Wut und Macht" reagiert, "so wie es die Welt zuvor noch nicht erlebt hat". Jetzt war wieder Kim am Zug: Über das Staatsfernsehen ließ er einen Tag später eine mehrminütige fiktive Gewaltfantasie ausstrahlen, in der darüber sinniert wird, wie die Insel Guam – US-Territorium – unter einem Bombenhagel ausgelöscht werde.

Diese Art des Schlagabtauschs ist neu. Er ist roher und schonungsloser als zuvor – und mit Kim in Kombination mit Trump stehen sich erstmals zwei völlig unberechenbare Akteure gegenüber, die nicht dafür bekannt sind, rationale Lösungen anzustreben. Die drängendsten Fragen derzeit sind: Würde Nordkorea wirklich soweit gehen und Guam bombardieren? Warum gerade Guam? Und was dann?

Kleine Insel, riesige militärische Stärke

Guam ist für die USA von extrem hoher militärischer Bedeutung. Die Insel ist ein Verbindungsstück zwischen den USA und Asien und trägt damit eine Schlüsselrolle für alle möglichen militärischen Interventionen.

Derzeit gibt es dort zwei US-amerikanische Militärbasen: die Andersen Air Force Base and die Naval Base Guam. Etwa 6.000 US-Soldat*innen sind dort stationiert. Guam liegt nur etwa 3.500 Kilometer entfernt von Nordkorea. Sie beschützen die etwa 163.000 Menschen auf der Insel, die von Geburt an die US-amerikanische Staatsbürgerschaft tragen.

Vor allem aber ist das die perfekte Position und Reichweite für Raketensysteme, Flugzeug-Bomber und U-Boote. Im Falle des Falles stünde alles bereit, nichts müsste erst noch in die Region geschafft werden, wie Alex Ward für Erklärmagazin Vox analysiert. In kürzester Zeit wären Jets in der Luft und über der koreanischen Halbinsel. Die USA ist präsent dort, mit seiner ganzen militärischer Stärke.

Kim weiß, dass die USA mit Guam in einer sehr günstigen Position für einen Konflikt wären, und würde sie dieser offensichtlich gerne berauben. Anscheinend bereitet man sich in Nordkorea gerade explizit darauf vor, das Gewässer vor Guam zu bombardieren, als Machtdemonstration. Es fehlt nur noch eine Unterschrift des Diktators, dann könnte das real werden.

Was im Falle eines Raketenbeschusses passiert, ist ungewiss

Sollte das geschehen, hat Südkorea eine harte Reaktion angekündigt. Die US- und südkoreanischen Streitkräfte seien auf jegliche Provokation aus Nordkorea vorbereitet. Sie würden strikt und stark reagieren, wie ein Sprecher des Generalstabs sagte.

Der US-Verteidigungsminister James Mattis fand ungleich härtere Worte und drohte direkt: "Die Demokratische Volksrepublik sollte jeden Gedanken an Handlungen aufgeben, die zum Ende ihres Regimes und zur Vernichtung ihres Volkes führen würden."

Wie die USA tatsächlich agieren und agieren würden – oder sollten –, steht auf einem anderen Blatt. Nahezu alle militärischen Optionen würden die Lage nur weiter eskalieren lassen, es ist zudem nicht bekannt, wie gut Nordkorea seine biologischen, chemischen und atomaren Waffen schützt. Wie ZEIT ONLINE schreibt, ist das Land bestens dafür ausgestattet, die Hölle in Asien zu entfachen.

In einem Beitrag für das Politikmagazin Politico schreibt Tom Malinowski, die beste Möglichkeit sei das Spiel auf Zeit. Man solle eher auf politischen Wandel in Nordkorea setzen, statt auf Entnuklearisierung. Hilfreich dafür könnten besser Wirtschaftsbeziehungen und eine kulturelle Durchdringung, Stichwort Internet, sein. So könnte man Nordkoreas Abschottung vom Rest der Welt durchbrechen. Ein Sieg durch umgekehrte Psychologie quasi, ohne einen einzigen abgefeuerten Schuss.

Immerhin: Sollte Nordkorea wirklich feuern, ist Guam vorbereitet. Die Raketenabwehrsysteme mussten zwar noch nie in einem realen Konflikt bestehen, haben in Tests aber hervorragende Werte. Sie würden die Raketen sehr wahrscheinlich abfangen, bevor sie auf US-amerikanisches Territorium gelangen. Der Gouverneur von Guam, Eddie Baza Calvo, sagte dem Volk gestern in einem Video auf YouTube: "Ich weiß, dass wir zu Medienberichten aufgewacht sind, in denen es um die Rache Nordkoreas an den USA geht. Aber ich möchte den Menschen von Guam versichern, dass es derzeit keine Bedrohung für unsere Insel gibt."

Bleibt zu hoffen, dass er recht behält.