In den letzten Jahren ist etwas Erstaunliches passiert: Die Menstruation ist irgendwie auf einmal normal geworden. Klar, die Periode ist körperlich gesehen keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Aber die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit über den zumeist weiblichen Zyklus und all seine Begleiterscheinungen halbwegs unaufgeregt gesprochen wird, ist noch recht frisch. Wir reden über Menstruationsurlaub, es gibt Periodencups und -unterwäsche und wer auf Instagram nach Accounts für Perioden-Memes sucht, hat die Qual der Wahl. Für jemanden, der*die im letzten Jahrtausend angefangen hat zu bluten und noch auf Schulklos mit Tampons dealen musste, sind all diese Entwicklungen ziemlich neu, ziemlich cool, ziemlich befreiend.

Wer während der Menstruation Sex haben will, muss sich daher auch nicht mehr verpflichtet fühlen, mit Verweis auf "Ich hab-na-du-weißt-schon", dem*der Partner*in eine Absage zu erteilen. Periodensex, so aufgeklärt könnten wir mittlerweile alle sein, ist nicht gefährlich und nicht schmutzig. Er könnte total normal sein. Aber so einfach ist es dann leider doch nicht.

Keine Lust auf Menstruationsblut

So berichtet Linda*, dass ihr Freund während ihrer Tage lieber nicht mit ihr schlafen möchte. "Er findet meine Tage nicht an sich eklig, aber irgendwie ist es ihm einfach unangenehm, mit Menstruationsblut in Berührung zu kommen, meint er." Und das müsse sie schließlich akzeptieren: "Ich kann ihn ja schlecht überreden. Wenn er nicht will, will er nicht." Schade findet sie es allerdings trotzdem. Denn sie habe gerade während ihrer Periode besonders viel Lust auf Sex.

Aber es ist nicht nur die entgangene Lust, die Linda bedauert. Die Ablehnung von Periodensex macht ihr auch in Bezug auf ihr Körpergefühl zu schaffen: "Ich habe ansonsten wirklich das Gefühl, dass mein Freund meinen Körper liebt und begehrt, aber dass während meiner Tage nichts läuft, versetzt mir irgendwie jedes Mal einen Stich. Als ob etwas, das ganz normal in meinem Körper passiert, mich irgendwie aussätzig macht."

Vielleicht hat derjenige noch nie Menstruationsblut gesehen, angefasst oder gerochen.
Agi Malach, Sexualpädagogin

Agi Malach ist Sexualpädagogin beim Bildungskollektiv 

BiKoBerlin und kann Lindas Sorgen nachvollziehen: "Natürlich ist es als Erstes wichtig, die Grenzen des anderen zu akzeptieren und das Nein ernst zu nehmen." Wer allerdings verstehen möchte, was hinter der Ablehnung steckt, solle das Gespräch mit der*dem Partner*in suchen: "Es kann ja auch sein, dass es nicht so sehr Ekel ist, sondern dass es eher um Sorgen und Berührungsängste geht. Vielleicht hat derjenige noch nie Menstruationsblut gesehen, angefasst oder gerochen", meint Malach. Solche Fragen sollte man ruhig ansprechen, aber vielleicht nicht unbedingt während der sexuellen Begegnung, sondern eher davor oder danach: "Der Sex selber ist ja meistens so aufregend, dass es überfordern kann, wenn man dabei noch über seine Probleme mit Menstruationsblut sprechen soll."

Ein Nein nicht persönlich nehmen

Aber was lässt sich denn nun tun, wenn ein solches Nein wie bei Linda als sehr verletzend wahrgenommen wird? "Menschen, die ein Nein hören, ganz egal, um was es geht, beziehen das auf sich selbst und ihre gesamte Person", erklärt Agi Malach, "dann ist es wichtig, sich in einen Individualisierungsprozess zu begeben. Also: Ich bin ich und du bist du! Die Grenzen und Bedürfnisse des anderen haben nämlich nicht zwangsläufig mit einem selbst zu tun." Sicher sei das alles andere als einfach, insbesondere dann, wenn man emotional an die andere Person gebunden ist, wie Linda an ihren Freund. Aber Grenzen stehen eben für sich und nur für sich: "Das kann ein längerer Prozess sein, aber man muss sich auch klar machen, dass das auch einfach sein darf. Nicht alles, was wir gerne hätten, bekommen wir auch. Das gilt ja auch für Sexualpraktiken."

Körper müssen sich ja beim Sex nicht gegenseitig berühren.
Agi Malach, Sexualpädagogin

Und auch ihr Sexleben müsse nicht einmal im Monat brach liegen, wie es Lindas Sorge ist, meint Malach: "Zum einen kann sie ja auch Solo-Sex in der Zeit haben und zum anderen kann sie trotzdem versuchen, ihren Partner mit ins Boot zu holen. Also zum Beispiel Selbstbefriedigung als gemeinsames Spiel initiieren und sich voreinander befriedigen. Körper müssen sich ja beim Sex nicht gegenseitig berühren. Dann sieht er sie in ihrer Menstruationsphase als lustvolle Person und vielleicht ändert sich ja dann auch sein Bild von ihr in der Zeit, vielleicht erregt es ihn sogar."

*Name von der Redaktion geändert